Es ist offensichtlich, dass Handelsschiffe an der Küste vor Somalia derzeit nicht ausreichend vor Piratenangriffen geschützt sind. Das zeigt der Blick auf die traurige Statistik der Internationalen Handelskammer, die eine deutliche Eskalation der Problematik feststellt und allein für vergangenes Jahr über 200 Attacken in der Region verzeichnet. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine Schiffsentführung mit Geiselnahme der Besatzung gemeldet wird. Dass die Mannschaft des jüngst entführten Handelsschiffs „Beluga Nomination“ mehr als zwei Tage vergeblich auf militärische Hilfe gewartet hat, ist bezeichnend.
Keine Frage: Der Ruf der deutschen Reeder nach hoheitlichem Schutz durch bewaffnete Marinesoldaten
ist gerechtfertigt. Doch die militärische Präsenz an der Küste Ostafrikas im Rahmen der internationalen Anti-Piraten-Mission „Atalanta“ dient vor allem dem Schutz von Hilfslieferungen für Somalia und kann die hoch gefährdeten Handelsschiffe schon aus Kapazitätsgründen nicht schützen. Es ist daher dringend geboten, dass die internationale Staatengemeinschaft das Mandat der Mission erweitert und wirksame Maßnahmen zum Schutz der Seerouten ergreift.
Angesichts der realen Bedrohung der Mannschaften ist es verständlich, dass die Branche über den Maritimen Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, verärgert ist. Sein Hinweis, dass Reeder für die Sicherheit ihrer Schiffe primär selbst verantwortlich seien, hilft niemandem weiter. Allerdings ist auch klar: Militärisch lässt sich das Problem vor Afrika nicht dauerhaft lösen. Ziel muss es sein, die politischen Strukturen in Somalia zu festigen. Die Lösung des Piratenproblems liegt an Land, nicht auf hoher See.
Dietmar Winkler, Redakteur der VerkehrsRundschau