Zankapfel Euro 7

Die Europäische Union schreitet in Sachen Umweltfreundlichkeit voran, und Juli 2027 soll ein weiterer Meilenstein auf diesem Weg werden: Dann nämlich – so hat es die EU-Kommission im vergangenen November vorgeschlagen – sollen nur noch Lkw neu zugelassen werden dürfen, die noch einmal umweltfreundlicher sind als die aktuellen. Die Abgasnorm Euro 7 (Details siehe Kasten) soll im Juli 2027 die aktuelle Norm Euro 6 ersetzen – bei Pkw und kleinen Lieferwagen soll das bereits 2025 passieren. Dadurch verspricht sich die EU-Kommission ab 2035 folgende Verbesserungen – im Vergleich zu der Situation, in der Euro 6 die höchste Schadstoffklasse bliebe: über 56 Prozent weniger Stickstoff-Emissionen und mindestens 39 Prozent weniger Schadstoffe, die aus dem Lkw-Auspuff in die Umwelt gelangen. Die Mehrkosten pro Fahrzeug berechnet die Kommission dabei zurzeit auf 2600 Euro. Zwischen „unnötig streng“ und „zu lax“ Applaus bekommt die Kommission für ihre Euro-7-Vorschläge nicht. Schon am Tag der Veröffentlichung hagelte es Kritik von allen Seiten: Der europäische Dachverband der Automobil-Hersteller Acea schimpfte über unnötige Verschärfungen einer „bereits sehr wirkungsvollen Euro-6-Norm“, Greenpeace ärgerte sich über „viel zu laxe Grenzwerte“. Zwischen diesen Polen bewegen sich auch Wochen nach dem Vorschlag immer noch die Meinungen von Branchenvertretern und Politikern in und aus Deutschland. „Fakt ist: Euro 6 schreibt bereits eine Reduzierung der Schadgas-Emissionen von Kohlenmonoxid um 87,8 Prozent, von Kohlenwasserstoffen um 95 Prozent sowie von Stickoxiden und Feinstaub um sogar jeweils 97,5 Prozent vor“, erinnerte gegenüber der VerkehrsRundschau Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Nicht nur beim BGL stelle man sich die Frage, wie sinnvoll es sei, Ingenieurs-Kapazitäten in den Entwicklungsabteilungen der Lkw-Hersteller zu binden, um die „noch verbliebenen geringfügigen Schadstoffanteile“ zu verringern. „Diese Kapazitäten werden nämlich gerade dringendst für die Entwicklung von alternativen Antriebstechnologien einschließlich der dafür erforderlichen Tank- und Ladeinfrastruktur benötigt“, betonte Engelhardt. Milder fällt das Urteil beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) aus. Es sei offensichtlich, teilte Hauptgeschäftsführer Frank Huster mit, dass die Logistikbranche noch lange Zeit auf Diesel-Lkw angewiesen sei, weil die Verbreitung von E-Lkw noch nicht so recht in Schwung gekommen sei – auch wegen der noch mangelhaft verbreiteten Ladeinfrastruktur. Deshalb spräche „grundsätzlich nicht“ gegen eine „Weiterentwicklung motorischer Lösungen (sprich: Euro 7), sofern diese im Vergleich zur Euro-6-Klasse echte Umweltvorteile und finanzielle Anreize zum Beispiel über Mautminderung bringen. Diese Anreize müssen dann auch die höheren Anschaffungskosten kompensieren“, so Huster auf Anfrage der VerkehrsRundschau. Dem europäischen Umweltverband Transport & Logistik (T&E) hingegen geht der Kommissionsvorschlag nicht weit genug. Auch T&E rechnet damit, dass Diesel-Lkw noch lange auf Europas Straßen fahren werden und schärfere Umweltnormen deshalb gerechtfertigt seien. Aber die Vorschläge seien zu schwach, sagte Fabian Sperka für das deutsche T&E-Büro, und verdeutlicht das an einem Beispiel: „Hersteller müssen auch künftig nur für die ersten 875.000 Kilometer oder 15 Jahre – je nachdem, was zuerst eintritt – die Funktionsfähigkeit der Emissions-Minderungssysteme garantieren“, kritisierte er. Nach elf Jahren seien Schwerlaster in der Regel diese 875.000 Kilometer bereits gefahren und wären dann von den Euro-7-Auflagen befreit. „Dass die Ambition hier sehr niedrig ist, zeigt auch ein Blick auf Kalifornien, wo die Funktionstüchtigkeit für 1,3 Millionen Kilometer garantiert werden muss“, erklärte Sperka. Ähnlich unterschiedlich ist auch das Echo bei den Politikern, die über die Euro-7-Vorschläge bei der EU entscheiden müssen. „Ich lehne strengere Grenzwerte für Auspuff-Emissionen ab“, schrieb der CDU-Politiker Jens Gieseke, im EU-Parlament stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses in einer Stellungnahme. „Der Euro-7-Vorschlag ist enorm wichtig für die Gesundheit der europäischen Bürger und überfällig“, teilte hingegen der SPD-Politiker Tiemo Wölken mit, im Umweltausschuss des EU-Parlaments Sprecher der Sozialdemokraten. Konkreter Einführungstermin offen Der Umweltausschuss wird den Vorschlag der EU-Kommission federführend behandeln und dabei die Weichen stellen, wie sich das Europa-Parlament zu Euro 7 positioniert. Danach muss das EU-Parlament seine Positionen mit den Positionen der EU-Mitgliedstaaten abstimmen. Erst danach werden die Euro-7-Vorschriften auf europäischem Niveau verabschiedet sein. Wie schnell das geschehen wird, ist offen. Im Europa-Parlament war bis zum Jahresende mit dem konservativen Tschechen Alexandr Vondra erst der Berichterstatter im Umweltausschuss benannt. Die inhaltliche Arbeit hatte noch nicht begonnen. Wann die Mitgliedstaaten sich mit Euro 7 erstmals beschäftigen werden, ist noch nicht bekannt. In Kürze Geht es nach der EU- Kommission, soll ab Juli 2027 die Schadstoffklasse Euro 7 für schwere Nutzfahrzeuge kommen. Damit würden verschärfte Grenzwerte für den Abgas-Ausstoß gelten. Bereits jetzt sorgt die poten- zielle neue Norm für Diskussi- onen: Den einen sind die Vor- gaben der Komission viel zu streng, den anderen gehen sie nicht weit genug. Geplante Neuerungen: Vergleich Euro 7 zu Euro 6 Verschärfung aller bisheriger Grenzwerte für Stickstoffoxide (NOx), Kohlenstoffmonoxid (CO), Feinstaub, Kohlenwasserstoffe, Methane und Ammoniak Erstmals Grenzwerte auch für Formaldehyd und Distickstoffmonoxid (N2O) Grenzwerte für Luftverunreinigung durch Bremsen Grenzwerte für Mikroplastikabrieb von Reifen Digitale Kontrolle der Grenzwerte im Fahrzeug Einhaltung der Normen bis zu 875.000 gefahrene Kilometer (schwere Lkw) vorgeschrieben Für E- und Hybrid-Lkw: Vorschriften für Laufleistung der Batterien

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