Workflow-Optimierung per Tablet

Kostendruck, hohe Wettbewerbsdichte, Mitarbeiter mit geringen Deutschkenntnissen: Die Gründe, warum Reinert Logistics schon seit Langem auf die Digitalisierung der Transportprozesse setzt, sind vielfältig. Bereits vor zehn Jahren führte das europaweit in den Bereichen Teil- und Komplettladung tätige Unternehmen mit Sitz in Cottbus für seinen damals rund 400 Lkw umfassenden Fuhrpark fest verbaute Telematik ein. Die Strategie, möglichst alle Informationen aus dem Fahrzeug zu nutzen und Workflows nach den Anforderungen des Marktes auszurichten, haben die Lausitzer zuletzt konsequent ausgebaut. "Als Dienstleister müssen wir auf Kundenanforderungen schnell reagieren. Die Nutzung von fest verbauter Telematik war uns zu statisch", blickt Andreas Schicker, Projektmanager Digitalisierung, zurück.Selbst programmierte AppsDaher beschloss Reinert 2016, Androidbasierte Tablets anzuschaffen. "So können wir auf unsere Anforderungen maßgeschneiderte Apps entwickeln", sagt Schicker. Zumal Tablets von den Anschaffungskosten her deutlich kostengünstiger sind als Displays von fest verbauter Telematik. "Bei unserer Anzahl von Fahrzeugen kommt da einiges an Ersparnis zusammen", sagt Schicker. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hat Reinert nun alle 750 Lkw mit Tablets ausgerüstet und somit die alten Telematiksysteme ersetzt. "Die darauf installierte Telematik-App haben wir selbst programmieren lassen. Die App beherrscht die Kerndisziplinen Auftragsübermittlung, Nachrichtenübermittlung und Ortung und bringt eine Schnittstelle zu unserer Speditionssoftware C-Logistic mit", so Schicker.Darüber hinaus wurden weitere mobile Helfer entwickelt, etwa eine App zur Schadendokumentation und eine Tank-App, über die Reinert automatisch nachvollziehen kann, wann und wo der Fahrer tankt. "Da wir eine Rabattpartnerschaft mit einer speziellen Tankstellenkette haben, spart das bares Geld", so der Projektleiter.Trotz der internen App-Entwicklung landete während des Übergangs von fest verbauter Telematik auf Android-Tablets auch Softwareanbieter AIS mit seiner ebenfalls auf Android basierenden App-Lösung auf dem Radar von Reinert. "60 Prozent unserer Verlader nutzen Transporeon", erklärt Schicker. Um die Kunden mit Statusmeldungen zu versorgen, habe der Fahrer bislang seinen Status zusätzlich ins Mobile Order Management, kurz: MOM-App, eingeben müssen. Für Fahrer, vor allem die Nicht-Deutschsprachigen, ein hoher Aufwand. "AIS war der einzige Anbieter, der sowohl Statusmeldungen an das eigene Inhouse-System als auch die geforderten Transporeon-Meldungen versendet", so Schicker. Transporeon-Kunden sei zudem die ETA enorm wichtig, um bei Zeitfensterbuchungen bei Verspätungen rechtzeitig umdisponieren zu können. Diese Übermittlung der voraussichtlichen Ankunftszeit bringe die AIS-App ebenfalls mit.Lademittelmanagement inklusiveDie AIS-App ist aktuell in 450 der insgesamt 750 Lkw mit an Bord. "Anfänglich waren wir auf dem Standpunkt, unsere internen Entwickler können Themen wie Abfahrtskontrolle oder Palettentausch über eine separate App abwickeln", sagt Schicker. Während der Testphase mit dem Ulmer Softwarehaus habe sich aber herauskristallisiert, dass man diese Funktionen nicht losgelöst vom Gesamtworkflow betrachten könne. So werde der Fahrer gleich bei Meldung des Tourbeginns über die AIS-App aufgefordert, die Abfahrtskontrolle durchzuführen. "Muss der Fahrer für die Abfahrtskontrolle eine separate App starten, läuft man Gefahr, dass er das gar nicht macht. Deshalb sind wir von dem Plan abgewichen, solche Funktionen selbst zu entwickeln", so Schicker.Auch die Lademittelverwaltung wird AIS-seitig unterstützt: Der Fahrer fotografiert den Palettenschein und übermittelt ihn direkt an die Palettenabteilung. "Die Kollegen dort profitieren von dieser Transparenz: Abhanden gekommene Palettenscheine und erst spät ans Licht kommende Palettenschulden gehören nun der Vergangenheit an", freut sich Schicker. Als zentralen Vorteil an der AIS-Lösung hebt der Projektverantwortliche "das Mehr an Informationen" hervor: Der Disponent kann über das Ortungsmodul beispielsweise sofort sehen, wo sich die Fahrzeuge befinden. Über die Funktion "Reverse Geocoding" lassen sich GPS-Koordinaten mit Adressdaten "verheiraten", sodass auch Folgetransporte zum Beispiel in Neubaugebiete zuverlässig die richtige Adresse erreichen. Fest formulierte Statusmeldungen vom Fahrer wie "stehe im Stau" oder "Standzeit beim Kunden" halten die Dispo auf dem Laufenden.20 Sprachen verfügbarDen ausländischen Fahrern wird der Arbeitsalltag vereinfacht, weil die App rund 20 Sprachen unterstützt. Etwa 60 Prozent der über 1000 Reinert-Fahrer sprechen Polnisch. Lieferscheinnummer sowie die dazugehörigen Hinweise kann ein polnischer Fahrer daher in seiner Muttersprache direkt der App entnehmen. "Dadurch spart er Zeit und schafft eventuell sogar noch am selben Tag eine Tour mehr als früher", sagt Schicker.Die AIS-App werde bei Reinert vor allem im Bereich des Warentransports genutzt, wo die Transporeon-Schnittstelle entscheidend ist. "Bei unseren Schüttguttransporten kommen die Fahrer gut mit unserer eigenen Lösung zurecht", betont der Projektleiter. Die App-basierte Telematik kommt bei den Fahrern mittlerweile gut an. Eigens ausgebildete "Piloten-Coaches" zeigen weniger digitalaffinen Kollegen, wie sie Tablet und Apps korrekt bedienen. "Wir bieten Fahrern zudem den Mehrwert eines unbegrenzten Datenvolumens, sodass die Tablets während der Ruhezeiten auch zum Filmeschauen oder zum Skypen mit der Familie genutzt werden können", erzählt Schicker.Sprachsteuerung auf der WunschlisteReinert ist auf seiner Reise aber noch lange nicht angekommen. "Ein Feature, das auf unserer Wunschliste ganz oben steht, ist eine Sprachsteuerung der AIS-App, da der Fahrer das Tablet während der Fahrt nicht bedienen darf", so Schicker.Ebenfalls ein Thema, das die Spedition verstärkt verfolgen will, ist das digitale Dokumentenmanagement. "Die Kunden bekommen die Lieferscheine im Original. Wir haben aber den Eindruck, dass nicht wenige Kunden weg vom Papier wollen", sagt Schicker. Man arbeite daher an einer papierlosen Lösung, bei der ein PDF verschickt wird, das auf dem Tablet mit einer digitalen Unterschrift versehen wird."Als nächsten Schritt bringen wir die OEM-Telematik unter einen Hut. Bei unserem Mischfuhrpark fallen mittlerweile vier verschiedene Systeme an, die alle ihre eigenen Webportale mit sich bringen", sagt Schicker. Daher arbeite man derzeit daran, die Auswertung der Fahrzeugtelemetrie in einer App zusammenzuführen. "Der Fahrer wird in Kürze auf dem Tablet auch auf das Fahrerranking und seinen Prämienstatus zugreifen können."Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Telematik www.verkehrsrundschau.de/dossiers