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Wenn die Schiffsjungen Mädchen sind

09.05.2008 12:12 Uhr

Auszubildende der Binnenschifffahrt sind heiß begehrt. Viele erhalten noch während ihrer Ausbildung einen Anschlussvertrag. Doch wie sieht der Arbeitsalltag auf den Schulschiffen aus? Ein Blick hinter die Kulissen.

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Duisburg. "Vorsicht, alle Fenster schließen!" ­ hallt es über und unter Deck der Schulschiffe "Rhein I" und "Rhein II" im Hafen von Duisburg-Homberg. Nur wenige Sekunden später spritzt ein junger Mann in gelbem Ölzeug mit einem langen Schlauch eines der weißen Schiffe mit Wasser ab, während seine 108 Lehrlingskollegen eifrig Bullaugen, Fenster und Treppengeländer wienern. "Bei uns ist heute auch Schiffspflege angesagt", erklärt Steuermann André Stäudtner. Je nach Bedarf werden die "schwimmenden Internate" des Arbeitgeberverbandes der Deutschen Binnenschiffahrt (AdB) von Steuer- bis Backbord mit "alle Mann" ­ darunter auch 9 Frauen - blitzblank geputzt. "Putzen gehört zu unserem täglichen Geschäft. Ordnung und Sauberkeit zählt zum Ausbildungsprogramm, ebenso wie Knoten, Spleißen oder Beibootfahren", erzählt die 18-jährige Gesa Storm aus Hamburg. Während ihres dreimonatigen Aufenthalts am Schiffer-Berufskolleg "Rhein" werden Gesa & Co. auf den Schiffen untergebracht, verpflegt und betreut. Das Schiffsmädchen steht nach drei Lehrjahren kurz vor der Prüfung zum Matrosen. "Ab Juli darf ich mich offiziell Binnenschifferin, Matrose oder Bootsmann nennen". Den Begriff Bootsfrau oder auch Kapitänin gibt es in der Binnenschifffahrt trotz steigender Zahlen beim weiblichen Nachwuchs noch nicht. Dafür hat sich der Titel "Schiffsmädchen" mittlerweile durchgesetzt. Egal unter welcher Bezeichnung, Gesa hat bereits einen Arbeitsvertrag nach der Ausbildung in der Tasche. Vom 1. August an wird die junge Frau mit dem schwarzen St. Pauli-Sweatshirt und dem Mundpiercing bei der Reederei Götz in Mannheim anheuern. "Die ist im Container- und Kiesgeschäft tätig. Dann pendele ich viel zwischen Mannheim, Duisburg, Rotterdam und Antwerpen hin und her." Auszubildende der Binnenschifffahrt sind heiß begehrt, weiß der Chef der beiden Schulschiffe, Kapitän Lothar Barth. "Viele erhalten noch während ihrer Ausbildung einen Anschlussvertrag. Die Reedereien rufen sogar bei uns an und fragen nach, ob wir noch Lehrlinge ohne Anstellung wüssten." Der Nachwuchs ist stark gefragt - Tendenz steigend. "Durch den Boom beim Güteraufkommen auf den Wasserstraßen und das Wachstum in der Fahrgastschifffahrt steigt der Bedarf an geschultem Fachpersonal" ­ so Jörg Rusche, Geschäftsführer vom AdB. Allein 2007 wurden bundesweit 400 Azubis als Binnenschiffer ausgebildet, rund 50 mehr als 2006. Die praktische Ausbildung erfolgt an Bord eines Schiffes des Ausbildungsbetriebes. Die theoretische Unterweisung übernehmen die beiden einzigen Schifferberufsschulen in Duisburg und Schönebeck bei Magdeburg. Binnenschiffer-Lehrlinge verdienen neben den Gerüstbauern übrigens am meisten ­ dank Überstundenauszahlung und Sondervergütungen. Gesas Kollege Hendrik Jürgensen weiß ebenfalls, was er nach der Abschlussprüfung machen wird. "Mein Vater hat in Berlin ein Fahrgastschiff namens 'MS Heiterkeit'. Wir transportieren täglich bis zu 145 Passagiere. Ein toller Job, bei dem ich jeden Abend sogar zu Hause sein kann", freut sich der 18-Jährige über seine Zukunft als Schiffsführer in der Touristikbranche. "Das ist nichts für mich, Uniform tragen und so. Ich bin gerne unterwegs. Mein Traum ist ohnehin die Seefahrt", schwärmt Schiffsmädchen Gesa von den tollen Seemannsgarn-Geschichten ihres Großvaters, der als Matrose zur See fuhr. "Mein Opa Herbert hat so die ganze Welt bereist. Das möchte ich später auch noch tun. Mein Ziel ist es, als Kapitän in die Ferne zu gehen." Theoretisch kann Gesa Storm mit 21 Jahren das Kapitänspatent machen. Vorausgesetzt, sie hat bis dahin vier Jahre Fahrzeit auf einem Schiff gesammelt. Junge Kapitäne sind keine Seltenheit, weiß Lothar Barth. "Vor allem in Partikulierfamilien ist der Nachwuchs sehr erfahren." Eine Partikulierfamilie ist seit mindestens einer Generation in Besitz eines Schub-, Tank-, Gütermotor- oder Fahrgastschiffes. "Bei denen tragen manchmal schon 21-Jährige Verantwortung für die Besatzung, das Schiff und die millionenteuren Schiffladungen." Bei dieser Vorstellung leuchten die Augen von Schiffsmädchen und "Kapitänin in spe" Gesa.

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