Von Anfang an abholen

Unklare Berufsvorstellungen vieler Schulabgänger gehören zu den größten Ausbildungshemmnissen. Findet Berufsorientierung an Schulen nicht ausreichend statt, drohen Ausbildungs- und Studienabbrüche, die den ohnehin bereits gravierenden Fachkräftemangel noch verstärken. Das zeigt eine Online-Befragung des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Demnach haben aus Sicht der Eltern den größten Nutzen für die Berufswahl Betriebspraktika und Unternehmensbesuche. Damit Jugendliche möglichst früh praktische Erfahrungen sammeln, dürfe die Verzahnung von Schule und Betrieb nicht erst in der Ausbildung beginnen, schlussfolgern die DIHK-Experten. Zudem müssten die Schulen die berufliche Bildung als gleichwertige Alternative zum Studium aufzeigen. Die Attraktivität der dualen Ausbildung zu steigern, steht mittlerweile auch bei großen Konzernen auf der Agenda. Beim Autobauer Daimler etwa haben jährlich rund 140 Auszubildende die Chance, für drei bis sechs Wochen im Ausland internationale Erfahrungen zu sammeln. Aksel Jänchen ist Kraftfahrzeugmechatroniker im Lkw-Montagewerk von Mercedes-Benz in Wörth und war in Irland: "Es war eine tolle Chance und der Einsatz hat mich persönlich und fachlich richtig vorangebracht - eine Erfahrung, die ich nur weiterempfehlen kann." Weltweit beschäftigt Daimler mehr als 8000 Auszubildende, davon knapp 6000 in Deutschland. Zusätzlich werden an internationalen Standorten über 4000 Jugendliche in Schulkooperationen und anderen Ausbildungsmodellen qualifiziert. Auch kleinere und mittelständische Logistikdienstleister und Speditionen werben zunehmend um junge Auszubildende. Die Zufall Logistics Group aus Göttingen beispielsweise sucht dazu auf Bildungs- und Schulmessen, in Kooperationen mit den Arbeitsagenturen und in Schulen den direkten Kontakt zu Schülern. "Dort geben Auszubildende einen Einblick in ihren Lern- und Arbeitsalltag", berichtet Dorte Watermann, Ausbildungsleiterin bei dem Logistikdienstleister. "Für alle Beteiligten ist ein enger Austausch gewinnbringend", resümiert sie. "Die Schulen kennen unsere Ausbildungsinhalte und die Menschen, mit denen die Auszubildenden arbeiten. Wir haben uns so über die Jahre einen Namen als Ausbildungsunternehmen erarbeitet", berichtet Watermann. Lehrlinge als Botschafter im Einsatz Auch Reichhart Logistik aus Gilching bei München setzt auf Kooperationen mit Schulen. Jährlich im Frühjahr präsentiert sich der Logistikdienstleister unter anderem bei der Ausbildungsmesse an der Realschule Herrsching. Beim letzten Mal mit dabei: Julia Schwesinger, Auszubildende für Büromanagement im zweiten Lehrjahr. Sie erzählte vor Ort von ihren Aufgaben: "Als Azubi bekomme ich je nach Ausbildungsschwerpunkt Einblicke in verschiedene Abteilungen, vom Finanz- bis zum Personalteam. Das ist richtig spannend. Man lernt nicht nur das Unternehmen sehr genau kennen, sondern findet auch heraus, was einem am meisten Spaß macht", erklärt sie. Rückblickend sagte sie über das Schulevent: "Es war toll, mein Wissen an andere weiterzugeben." Für einen intensiven Austausch lädt Reichhart auch regelmäßig Schüler ins Unternehmen ein, sei es im Rahmen des "Tags der Ausbildung" der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg oder beim "Tag der Logistik", der jährlich von der Bundesvereinigung Logistik (BVL) initiiert wird. Speziell für die Ausbildung von Berufskraftfahrern sind bei vielen Speditionen auch Kooperationen mit Fahrschulen üblich. Steden Logistik in Unna beschäftigt unterstützend seit über zwei Jahren sogar einen eigenen Fahrlehrer: Helge Kell gibt nicht nur Eco-Trainings & Co. für das Stammpersonal, sondern ist als Ausbilderfahrer Ansprechpartner für alle Belange rund um die Ausbildung. Regelmäßig präsentiert er das Unternehmen und den Beruf des Berufskraftfahrers auch an den Haupt-, Real- und Gesamtschulen im Umkreis. "Für jeden neunten und zehnten Jahrgang gibt es meist zu Beginn des zweiten Halbjahres Berufsfindungsveranstaltungen", so Kell. Nach den Sommerferien bietet Steden dann ein Schnupperpraktikum an. "In der Praxis lässt sich schnell erkennen, wer ein Talent für den Fahrerberuf hat", erklärt der Ausbilder. Mittlerweile gewinne dieser wieder an Stellenwert. Für Kell liegt das an der veränderten Perspektive: "Die Fahrer verdienen inzwischen das, was sie auch verdienen. Sie können davon eine Familie ernähren, auch mit Hauptschul- oder Realschulabschluss", berichtet der Ausbilder. Insgesamt engagiere sich das Unternehmen in der Ausbildung heute viel stärker als noch vor wenigen Jahren. Das spreche sich herum, erzählt Kell, der derzeit zwölf angehende Fahrer betreut. Dabei punkte Steden vor allem mit Vielfalt: "Außer Tank- und Kippfahrzeuge können die Azubis bei uns alles fahren. Damit jeder jeden Standort kennenlernt, tauschen wir unsere Auszubildenden auch mit den vier umliegenden Steden-Standorten", berichtet der Ausbilder. Sein Fazit: "Die Azubis finden Abwechslung gut. Wenn auch noch das Gehalt stimmt, dann ist jeder Beruf interessant." Mehr zum Thema im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers