Unwissen schützt vor Strafe nicht

Matthias Mayer ist geschockt. Eine Anklage wegen fahrlässiger Köperverletzung und eine Schadensersatzforderung in Millionenhöhe. Der Logistikleiter des mittelständischen Maschinenbauers Entendorfer & Söhne konnte es kaum glauben, als ihm sein Chef das Schreiben der Staatsanwaltschaft und der Rechtsanwaltskanzlei wütend auf den Tisch knallte. Seine Mitarbeiter an der Rampe hatten die Kiste mit der Spezialmaschine doch gut verpackt und dem LKW-Fahrer übergeben? Was kann er dafür, wenn die Ladung verrutscht, deshalb der LKW in der Kurve umkippt und leider zwei Radfahrer verletzt werden? Der Fahrer und das Transportunternehmen sind doch für die Ladungssicherung verantwortlich, oder? Zugegeben, ein fiktiver Extremfall, der aber durchaus Wirklichkeit werden kann. Nicht selten sind Logistikverantwortliche in Industrie- und Handelsunternehmen der Meinung, dass nur der LKW-Frachtführer für die Sicherung der Ladung verantwortlich ist. Ein Irrglaube, denn grundsätzlich sind sowohl Fahrer und Frachtführer als auch der Absender in der Pflicht, die Ladung betriebs- beziehungsweise beförderungssicher zu verladen (siehe Tabelle Seite 34). So mancher Logistikleiter in der verladenden Wirtschaft kennt hier seine Pflichten nicht oder nur ungenügend. Bekanntlich schützt Unwissenheit nicht vor Strafe und deshalb ist jedem Logistikverantwortlichen dringend zu raten, sich mit den Feinheiten seiner Verantwortlichkeit auseinanderzusetzen - "in der Regel beraten hier die jeweiligen Branchenverbände oder IHKs sehr gut", sagt Axel Salzmann vom Logistik-Versicherer Kravag. Die Verantwortlichkeit des Verladers bei LKW-Transporten endet dabei nicht bei der Ladungssicherung. Verpacken, Kennzeichnen und Informieren sind ganz wichtige Pflichten des Warenversenders, die insbesondere bei Gefahrgütern hohe Risiken für das Unternehmen bergen. Und die Menge der Verlader-Pflichten nimmt zu. Ab 1. Januar müssen die Auftraggeber durch die Generalunternehmerhaftung im neuen Mindestlohngesetz darauf achten, dass ihre Dienstleister die gesetzlich festgelegten 8,50 Euro zahlen. Und vielleicht schon im kommenden Jahr könnte eine Gesetzesinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen Wirkung entfalten. Das Düsseldorfer Arbeitsministerium will die Fahrpersonalverordnung verschärfen, wodurch sich noch einmal die Liste der Auftraggeber-Verpflichtungen verlängern würde. Weniger Outsourcing? Die Summe der schon bestehenden und noch auf die Verlader zukommenden Pflichten und Risiken lässt so manchen Logistikdienstleister darüber nachdenken, ob die Logistikstrukturen noch passen. "Es könnte zu einer kritischen Überprüfung des bisher vorbehaltlosen Outsourcings kommen", glaubt Salzmann, der das Kompetenzzentrum für das Straßenverkehrsgewerbe und Logistik bei Kravag leitet. Die Unternehmen werden wohl ihre Dienstleisterstrukturen auf den Prüfstand stellen, um Risiken neu zu bewerten und gegebenenfalls zu reduzieren, meint Salzmann. HGB-Änderung erhöht Risiko Eine ganz entscheidende Erhöhung des Risikos existiert für den Verlader bei LKW-Transporten indes schon seit eineinhalb Jahren. Im Handelsgesetzbuch (HGB) wurde im Zuge der Seehandelsrechtsreform auch die im Paragrafen 414 bisher auf 8,33 Rechnungseinheiten pro Kilogramm Rohgewicht begrenzte Haftung des Absenders durch eine weitgehend unbegrenzte Haftung ersetzt. Dadurch hat sich das finanzielle Risiko bei Schäden für viele Verlader deutlich erhöht. Denn der Absender muss dem Frachtführer - auch wenn ihn kein Verschulden trifft - bei bestimmten Versäumnissen unbegrenzt Schäden und Aufwendungen ersetzen. "Das ist neu und ist von vielen Unternehmen noch gar nicht registriert worden", sagt Kravag-Experte Salzmann. Zwar lasse sich diese Haftung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen begrenzen, aber dies sei nur für Sachschäden möglich und müsse der Höhe nach angemessen sein. Bei grober Fahrlässigkeit und bei Personenschäden kann der Verlader seine Haftung nicht deckeln. Versicherungssumme überprüfen In der Regel greift bei Schäden die Betriebshaftpflicht in Kombination mit einer Vermögensschadensdeckung. Aber viele Betriebe der verladenden Wirtschaft haben ihre Versicherungssumme nach Änderung des HGB-Paragrafen 414 noch nicht wieder überprüft. "Meiner Meinung nach besteht hier bei vielen mittelständischen Industrieund Handelsunternehmen Handlungsbedarf", sagt Salzmann. Spediteure und Logistikdienstleister seien indes durch ihre Verkehrshaftungsversicherung in der Regel hinreichend abgesichert. Nicht versicherbar sind die Folgen von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung. Normalerweise nimmt diese nur Fahrzeugführer und Halter, also den Frachtführer, in die Pflicht, auf Ladung und Ladungssicherung zu achten. Aber Richter haben in der Vergangenheit den Paragrafen 22 StVO auch schon mal auf einen Absender ausgeweitet und ein Bußgeld verhängt. Im Extremfall, zum Beispiel bei Gefahrgut und Umweltrecht, drohen sogar Freiheitsstrafen. Auch das ist vielen Verladern nicht immer mit allen Konsequenzen bekannt. Insbesondere im Bereich Gefahrgut ist das Wissen vieler Verlader über die Risiken ihres Handelns katastrophal. Besonders Online- und Versandhändler scheinen sich oftmals nicht im Klaren darüber zu sein, dass viele Produkte, die sie versenden, unter das Gefahrgutrecht fallen. Große Unwissenheit bei Gefahrgut Bei einem Test der VerkehrsRundschau-Schwesterzeitschrift Gefahrgut (siehe VR 31/2014, Seite 20) in diesem Sommer erhielten nur drei von 25 durchgeführten Bestellungen im Internet die Note eins. Bei allen anderen Sendungen fanden sich zum Teil gravierende Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften, was im Schadensfall sehr teuer für den Verlader werden kann. "Der vorsätzliche Verstoß gegen Vorschriften ist eher selten", kommentierte Ingmar Böckmann vom Versandhandelsverband BEVH die Ergebnisse. In der Regel fühlten sich aber viele Händler vom Gefahrgutrecht nicht angesprochen. Es herrsche hier immer noch viel Unwissenheit. "Ich weiß von nix" gilt nicht selten auch beim Thema Sozialvorschriften, die unter anderem die Zulassung von Transporteuren und Fahrern sowie die Lenk- und Ruhezeiten regeln. Gemäß Paragraf 7c des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) darf der Auftraggeber eines Fracht- oder Speditionsvertrages diesen nicht ausführen lassen, wenn er weiß oder wissen müsste, dass der Unternehmer keine Lizenz oder der Fahrer nicht die notwendigen Qualifikationen besitzt. "Vielen kleineren Verladern ist nicht bewusst, dass sie dies überprüfen müssen", berichtet Dagmar Wäscher, Vorsitzende des Bundesverbandes der Transportunternehmen (BVT). Und größere Verlader lassen sich zwar manchmal Lizenzbesitz und Qualifikationen vom Transporteur vertraglich zusichern - ob sich Gerichte damit im Schadensfall aber zufrieden geben werden, ist nicht gesichert. Nicht auszuschließen, dass ein Richter im Einzelfall auch eine regelmäßige Kontrolle vom Auftraggeber erwartet. Änderung der FPersV geplant Eine weitere Verantwortung der Verlader besteht auch laut Paragraf 20a der Fahrpersonalverordnung (FPersV), die auch für LKW zwischen 2,8 bis 3,5 Tonnen und damit insbesondere für Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) maßgeblich ist. Demnach sind die Auftraggeber in der Pflicht, die Touren so zu beauftragen, dass diese nach geltenden Lenk- und Ruhezeiten zu erfüllen sind. Auch dies lassen sich Verlader und Spediteure beziehungsweise Paketdienste wenn überhaupt von ihren Subunternehmern vertraglich zusichern, überprüft wird es aber in den seltensten Fällen. Aus diesem Grund drängt derzeit das Arbeitsministerium in Nordrhein-Westfalen auf eine Verschärfung des Paragrafen 20a Abs. 2 FPersV. Hierzu hat das Ministerium eine Vorlage für die Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 26. und 27. November vorbereitet. "Zielrichtung der Gesetzesänderungen ist eine Konkretisierung der Vorschriften in der Fahrpersonalverordnung, die die Mitverantwortung der Hauptauftragnehmer und Verlader für die Vorschriftentreue beauftragter Subunternehmer betrifft", erklärte das Ministerium gegenüber der VerkehrsRundschau. Bei den in nächster Zeit anstehenden Rechtsänderungen sollen dann über den Bundesrat die entsprechenden Änderungsvorschläge eingebracht und der Bundesregierung vorgelegt werden, heißt es aus NRW. In erster Linie betroffen von dieser Verschärfung sind die großen Paketdienste. Diese sehen den geplanten Maßnahmen eher kritisch entgegen, haben aber NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) in einem Brief eine Zusammenarbeit angeboten, um im Detail mögliche Änderungen zu besprechen. "Bedauerlicherweise hat sich das Ministerium bisher nicht bei uns gemeldet", beklagt Biek-Geschäftsführer Marten Bosselmann, der die Interessen der großen privaten Paketdienste vertritt. Dass sich durch die geplante Gesetzesverschärfung das Kräfteverhältnis zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber entscheidend angleichen könnte, bezweifelt auch der BdKEP, der die Interessen vieler mittelständischer Kurier-, Express- und Postdienste vertritt. "Die Verlader sollten zwar mehr Verantwortung übernehmen, aber nicht im Rahmen eines Gesetzes, sondern über Mindeststandards und eine Selbstverpflichtung", regt BdKEP-Vorsitzender Andreas Schumann an. Aufraggeber haftet für Mindestlohn Die massivste Pflichten-Verschärfung für alle Unternehmen in der Logistikkette ergibt sich wohl durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes zum 1. Januar 2015. Aus dem Mindestlohngesetz (MiLoG), das flächendeckend für Arbeitnehmer ab 18 Jahren gilt, kommen aber nicht nur neue Pflichten, sondern auch neue Risiken auf alle Logistiker zu. Heikel werden kann es sowohl für Industrie- und Handelsunternehmen, die immer mehr Aufgabenfelder auslagern und Arbeiten fremdvergeben, als auch für Spediteure, die wiederum oft Frachtführer einsetzen, um Aufträge der Verlader abzuwickeln. Für alle, die Aufträge vergeben, verschärft sich das Haftungsrisiko deutlich: Gemäß MiLoG haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit einer Werk- oder Dienstleistung (dazu zählen auch Fracht-, Speditions- und Lagerverträge) beauftragt, wie ein Bürge dafür, dass der beauftragte Unternehmer oder dessen Nachunternehmer seinen abhängig Beschäftigten die 8,50 Euro brutto pro Stunde zahlt. Bei der zivilrechtlichen Durchsetzung des für alle Branchen und Regionen gültigen Mindestlohns verweist der Gesetzgeber auf das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Mitarbeiter, die unter der gesetzlichen Lohn untergrenze liegen, können ihre Ansprüche auf die 8,50 Euro bei ihrem Arbeitgeber oder bei einem der beauftragenden Unternehmer geltend machen, erklärte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums auf Anfrage. "Dabei kann der beauftragende Unternehmer die Arbeitnehmer nicht darauf verweisen, den Mindestlohn zunächst bei ihrem Arbeitgeber einzufordern sowie ihre Ansprüche gegebenenfalls gegen diesen einzuklagen und die Zwangsvollstreckung zu versuchen." Komme der Unternehmer der Forderung nach, könne er daraufhin wegen des von ihm bezahlten Mindestlohnes bei dem Subunternehmer Rückgriff nehmen. Geldstrafen bis 500.000 Euro Nachdem das MiLoG kurz vor seiner Verabschiedung im Sommer noch einmal geändert worden ist, haftet ein Unternehmer, der einen anderen beauftragt, für die Zahlung des Mindestlohns unabhängig vom eigenen Verschulden. Das heißt, er muss auch dann für das Fehlverhalten seiner Auftragnehmer finanziell geradestehen, wenn er weder erkennen noch verhindern konnte, dass der oder einer der Subunternehmer weniger als 8,50 Euro zahlt. Die zivilrechtliche Haftung ist zwar betragsmäßig auf das Nettoentgelt (ohne Steuern und Sozialversicherungsbeiträge) begrenzt. Der beauftragende Unternehmer muss aber damit rechnen, dass er auch Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen muss. Zudem kann ein Unternehmen strafrechtlich mit einem Bußgeld belegt werden. Aber nur, sofern er vorsätzlich oder fahrlässig gegen das MiLoG verstößt - und somit eine Ordnungswidrigkeit begeht. Zum Beispiel, wenn er einen anderen Unternehmer beauftragt, von dem er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass dieser bei der Erfüllung des Auftrags das vorgeschriebene Arbeitsentgelt nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Schwere Delikte sind mit einer Geldstrafe von bis zu 500.000 Euro verbunden. Soweit die Theorie. In der Praxis sorgt die Auslegung der Auftraggeberhaftung gemäß MiLoG für Missverständnisse. Knackpunkt ist die Definition des Unternehmers, der mehrere Dienstleister unter sich versammelt. Gerade in Bezug auf Vertragsverhältnisse im gewerblichen Güterverkehr ist den wenigsten klar, ob damit der Verlader oder der Spediteur gemeint ist, und wann welcher von beiden den Kopf für die gesamte Nachunternehmerkette hinhalten muss. Das Bundesarbeitsministerium interpretiert das MiLoG diesbezüglich folgendermaßen: "Ein Auftraggeber haftet nur dann, wenn er sich vertraglich dazu verpflichtet hatte, eine bestimmte Dienst- oder Werkleistung zu erbringen und diese sodann nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigt, sondern sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmen bedient", erklärte der Pressesprecher aus Berlin. Eine Haftung des Auftraggebers für die Ansprüche der Arbeitnehmer eines Subunternehmers bestehe danach nur insoweit, wie dem beauftragenden Unternehmer die Vorteile einer Arbeitsteilung zur Erfüllung eigener vertraglich übernommener Pflichten zugutekämen. Mal haftet der Verlader, mal auch nicht Das Ministerium stützt sich bei seiner Argumentation auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2005, das das Arbeitnehmer-Entsendegesetz in seiner damaligen Fassung einschränkt. Ein Industrieunternehmer reiche demnach etwa für gewöhnlich keine eigene vertragliche Verpflichtung weiter, wenn er einen Spediteur mit einem Transport beauftrage, der diesen wiederum an einen Frachtführer weitergibt. "Soweit also der Produzent nicht durch einen Vertrag mit einem Zwischen- oder Endabnehmer der von ihm produzierten Waren auch zur Lieferung derselben verpflichtet ist, stellt die Beauftragung des Spediteurs keine Vergabe von Werk- oder Dienstleistungen zur Erfüllung eigener vertraglicher Pflichten dar", sagte der Sprecher. Der Verlader sei damit kein Unternehmer im Sinne der erwähnten Rechtsprechung und unterliege deshalb nicht der Auftraggeberhaftung gemäß MiLoG, sondern der Spediteur sei dafür zuständig, dass alle von ihm eingesetzten Subunternehmer ihren Arbeitnehmern den Mindestlohn zahlen. Anders gestaltet sich nach Auskunft des Ministeriums die Situation, wenn das Industrieunternehmen durch einen Vertrag mit einem Zwischen- oder Endabnehmer zu einer Leistung verpflichtet ist und sich dafür eines externen Dienstleisters behilft. In diesem Fall haftet nicht der Spediteur, sondern der Verlader für die gesamte Nachunternehmerkette, erklärte der Sprecher. Dasselbe gilt für den Handel. Ein Beispiel: Herr Müller aus Hamburg bestellt bei Amazon einen Kühlschrank und der Onlineversand-Händler beauftragt für im Rahmen des zwischen beiden geschlossenen Frei-Haus-Liefervertrags die Deutsche Post DHL mit der Transportabwicklung. Die Spedition wiederum heuert eine Fremdfirma als Frachtführer an, weil dies für sie günstiger ist, als selbst einen LKW loszuschicken. In diesem Fall haftet Amazon, wenn einer der Subunternehmer seinen Leuten weniger als 8,50 Euro pro Stunde zahlt. Beispiel Werk-Werk-Transport Will der Onlineversand-Händler aber aus eigenem Interesse bestimmte Artikel mithilfe von Deutsche Post DHL von seinem Logistikzentrum in Bad Hersfeld zum Logistikzentrum in Leipzig bringen lassen, zum Beispiel um Platz zu schaffen, und die Spedition engagiert dafür einen externen Servicepartner, so haftet die Deutsche Post DHL für Verstöße seiner Subunternehmer gegen das Mindestlohngesetz. Die Interpretation des Ministeriums sorgt nach Ansicht der Verbände der verladenden Branchen eher für Unsicherheit als für Rechtssicherheit. "Bisher ist noch völlig unklar, ob die Auslegung der Haftungsregelung im Mindestlohngesetz in der Praxis wirklich so Anwendung findet", erklärt Heribert Jöris, Geschäftsführer der Abteilung Arbeit, Bildung, Sozial- und Tarifpolitik im Handelsverband Deutschland (HDE). Er rät den Mitgliedsunternehmern, davon auszugehen, dass sie immer verschuldensunabhängig haften, wenn einer der Subunternehmer weniger als 8,50 Euro zahlt. Auch Detlef Neufang bezweifelt, dass die Interpretation aus Berlin im Fall einer Klage weiterhin Bestand hat. Der Justiziar beim Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) fürchtet, dass es dann für einige verladende Unternehmen aufgrund des größeren Haftungsrisikos unattraktiv wird, Werk- und Dienstverträge abzuschließen und infolgedessen weniger Prozesse ausgelagert werden. Allerdings sei dies eher die Ausnahme, da die meisten Industrieund Handelsunternehmen ihre Vertragspartner heute bereits so bezahlten, dass diese wiederum ihren Arbeitnehmern in jedem Fall den Mindestlohn zahlen könnten. "Im Zweifel legen die Verlader ab 2015 noch einen Euro drauf, um sicherzustellen, dass die Beteiligten der Nachunternehmerkette die ausgelagerten Arbeiten gesetzeskonform entlohnen", meint der Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Hindernisse für kleinere Betriebe Kleinere Mittelständler würden es in jedem Fall künftig schwerer haben, an Aufträge zu kommen, meint Jöris vom HDE. Der Jurist rechnet zudem damit, dass Industrie- und Handelsunternehmen ihre Geschäftspartner ab 2015 sorgfältiger auswählen und stärker darauf achten, ob es Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Auftragnehmers in der Vergangenheit gibt. Zudem sei künftig die Bonität der Subunternehmen wichtiger, die man bei Wirtschaftsauskunfteien erfragen kann. "Hat der Verlader den Eindruck, dass bei einem Dienstleister nicht alles seine Ordnung hat oder er wenig solvent erscheint, steigt für diesen das Risiko, ausgelistet zu werden", erklärt der Rechtsexperte. "Es könnte im Gegenzug auch sein, dass einige Dienstleister versuchen werden, sich mithilfe eines Gütesiegels oder Zertifikats nach außen hin so zu positionieren, dass potenzielle Auftraggeber zum Beispiel erkennen können, hier handelt es sich um einen zuverlässigen Auftragnehmer", erklärt Jöris. Um Bußgelder bis zu 500.000 Euro zu vermeiden und eventuelle Vorwürfe der fahrlässigen Unkenntnis hinsichtlich der Verstöße gegen das Mindestlohngesetz zu entkräften, rät das Bundesarbeitsministerium, nicht auf Billiganbieter zurückzugreifen, sondern seriösen Dienstleistern den Zuschlag zu erteilen. Zudem lasse sich durch entsprechende Gestaltung der Dienst- und Werkverträge - etwa mittels Freistellungsvereinbarungen - die Gefahr reduzieren, wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz belangt zu werden, erklärt der Sprecher aus Berlin. Auch BWVL-Justiziar Neufang hält es für wichtig, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer im Vertrag auf die Einhaltung des Mindestlohngesetzes verpflichtet. "Gleichzeitig sollte er mit dem Auftragnehmer vereinbaren, dass dieser mit Nachunternehmern gleichlautende Vereinbarungen trifft und ein Entgelt aushandelt, dass es zulässt, den Mindestlohn zu zahlen", sagt Neufang. Kontrollen vertraglich festlegen Der HDE empfiehlt darüber hinaus, Kontrollmöglichkeiten vertraglich auszuhandeln. Im Verband sei man sich bewusst, dass Stichproben aufgrund von datenschutzrechtlichen Regelungen, die den Zugriff auf die Personalakten der Fremdbeschäftigten eng begrenzen, jedoch schwierig zu realisieren seien. "Zudem ist der Auftraggeber gegenüber den Arbeitnehmern seiner Werk- oder Dienstvertragsunternehmen nicht weisungsbefugt", weist Jöris auf die Gefahr der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung hin. Dazu stelle die Gesetzesbegründung allerdings klar: "Soweit als Maßnahme gegen Verstöße vertragliche Prüf- und Kontrollrechte vorgesehen sind, ist dies allein kein Indiz dafür, dass der Werkvertrag nur zum Schein abgeschlossen wurde oder der Auftraggeber tatsächlich Arbeitgeber der von seinem Werkvertragspartner eingesetzten Mitarbeiter ist." Die Beispiele verdeutlichen, wie kompliziert die Regelungen zum Mindestlohn zum Teil sind. Das erschwert es der verladenden Wirtschaft, sich auf die neuen Pflichten vorzubereiten. "Wir glauben, dass viele Unternehmen die Folgen der Auftraggeberhaftung noch gar nicht sehen", erklärt HDE-Justiziar Jöris. Derzeit seien die meisten noch damit beschäftigt, sicherzustellen, dass sie selbst das Mindestlohngesetz ab dem kommenden Jahr einhalten. "Es geht ja nicht nur um die profane Frage, ob man 8,50 Euro zahlt, sondern gegebenenfalls muss ein neues Erfassungssystem eingeführt werden, um die Arbeitszeiten wie vorgeschrieben dokumentieren zu können", sagt der Rechtsanwalt. Hauptbeteiligte in der Logistikkette Wer ist wer in der Logistikkette? - VerladerAls Verlader werden in diesem Beitrag die Absender von Waren bezeichnet, die einen Spediteur oder LKW-Frachtführer mit der Besorgung des Transportes beauftragen. Der Begriff wird in Gesetzen und Verordnungen oftmals unterschiedlich verwendet, definiert wird er nur im § 2 Gefahrgutverordnung (GGVSEB). Im kommenden Jahr soll hier noch der Begriff des"tatsächlichen Verladers" hinzukommen, der für die Ladungssicherung zuständig ist.- SpediteurDer Spediteur organisiert gemäß HGB-Speditionsvertrag im Auftrag eines Verladers einen Warentransport vom Absender zum Empfänger. Beauftragt der Spediteur mit der Durchführung einen LKW-Frachtführer, dann ist er Hauptauftragnehmer und oftmals gelten für ihn die Pflichten des Verladers*. Nimmt er im Selbsteintritt die Beförderung der Waren vor, so agiert er wie der LKW-Frachtführer* als Auftragnehmer.- LKW-FrachtführerDer LKW-Frachtführer wird in diesem Beitrag definiert als das Unternehmen, das gemäß HGB-Frachtvertrag das Frachtgut vom Absender zum Empfänger der Sendung transportiert. Als Auftragnehmer setzt er dazu in der Regel eigene Fahrer und Fahrzeuge ein. Im Gefahrgutrecht wird er auch als Beförderer bezeichnet. ak* Bezogen auf die Pflichten im Bereich Mindestlohn, Sozialvorschriften und teilweise Gefahrgut, Verpacken und Ladungssicherung Allgemeine Haftung § 414 Handelsgesetzbuch (HGB) Der Absender hat, auch wenn ihn kein Verschulden trifft, dem Frachtführer Schäden und Aufwendungen zu ersetzen, die verursacht werden durch:- ungenügende Verpackung oder Kennzeichnung,- Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der in den Frachtbrief aufgenommenen Angaben,- Unterlassen der Mitteilung über die Gefährlichkeit des Gutes oder- Fehlen, Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der in § 413 Abs. 1 genannten Urkunden oder Auskünfte.Hat bei der Verursachung der Schäden oder Aufwendungen ein Verhalten des Frachtführers mitgewirkt, so hängen die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit dieses Verhalten zu den Schäden und Aufwendungen beigetragen hat.Außerdem gelten die Schadensersatzpflicht laut Bürgerlichem Gesetzbuch § 823 BGB, die Haftung für Verrichtungsgehilfen § 831 BGB und Pflichtverletzung § 280 BGB. ak

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