Umweltzonen

UmweltzonenMehr Feinstaub trotz UmweltzoneUmweltzonen sprießen wie Pilze aus dem Boden. Doch ihre Zweckmäßigkeit ist umstritten: Studien und neueste Messwerte des Bundesumweltamts lassen Zweifel zu. Ein beschauliches Städtchen im Schwarzwald, umringt von grünen Wäldern mit guter Luft: das ist Schramberg – könnte man meinen. Aber die 21.000 Einwohner große Stadt in Baden-Württemberg hat ein Stickoxidproblem.Denn mitten durch die Kleinstadt führt die Bundesstraße 462, die die Autobahnen A 5 und A 81 miteinander verbindet. Und da Stickoxide hauptsächlich vom Straßenverkehr verursacht werden und diese wegen der Tallage Schrambergs schwer entweichen können, ist die Konzentration hier besonders hoch. Deshalb musste das für Schramberg zuständige Regierungspräsidium Freiburg auf Druck der Europäischen Union wegen der Grenzwert-Überschreitung eines Schadstoffs einen Luftreinhalteplan erstellen. Mit der Folge, dass Schramberg am 1. Januar 2012 eine Umweltzone bekommen sollte. Nur Fahrzeuge mit grüner (Euro 4/5/6) und gelber Plakette (Euro 3) sollten noch einfahren dürfen. Das Problem dabei: „Mit einer Umweltzone würde man das Stickoxid-Problem zusätzlich verschärfen“, sagt Franz Moser, Bereichsleiter der Stadt Schramberg. Umweltzonen sind kontraproduktivWarum das so ist, zeigt ein Gutachten des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI. Demnach sind Umweltzonen bei Stickoxid-Problemen, wie sie Schramberg hat, kontraproduktiv. Denn die Plakettierung richtet sich ausschließlich nach dem Feinstaub-Ausstoß der Fahrzeuge. „Eine Reduzierung des Feinstaub-Ausstoßes ist derzeit aber nur durch eine Erhöhung des Stickstoffdioxid-Ausstoßes zu erkaufen“, sagt Matthias Klingner, Leiter des Instituts. So stoßen neue Fahrzeuge mit grüner Plakette weniger Feinstaub, dafür aber mehr Stickoxide aus als alte Fahrzeuge mit roter Plakette. Mehr Stickoxid-Emissionen verursachen auch Partikelfilter-Nachrüstungen, mit der ältere Fahrzeuge eine bessere Plakette bekommen können.Wissenschaftlich umstritten ist indes, ob Umweltzonen die Luftqualität überhaupt verbessern. 57 Umweltzonen gibt es mittlerweile in Deutschland und seit dem 1. Januar 2012 haben viele Städte die Einfahrbeschränkungen verschärft. Und das, obwohl die Fraunhofer-Studie zu dem Schluss kommt, dass Umweltzonen bisher keinen nachweisbaren Beitrag zur Verminderung der Feinstaub- und Stickoxidwerte leisten.Auch eine vom Bundesumweltamt (UBA) veröffentlichte Untersuchung zur Luftbelastungssituation 2011 lässt Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Umweltzonen aufkommen: Obwohl immer mehr Städte Zonen eingeführt haben, sind die Feinstaubwerte, die man eigentlich verringern wollte, deutlich gestiegen. Rund 40 Prozent der etwa 150 verkehrsnahen Messstationen zeigten eine Überschreitung des Grenzwerts an. „Die Feinstaubbelastung lag 2011 über dem Niveau der letzten vier Jahre“, sagt Ute Dauert, Expertin beim Umweltbundesamt, der VerkehrsRundschau. Die Stickstoffoxid-belastung blieb unverändert hoch. Als Hauptgrund für den Anstieg der Schadstoffbelastung werden jedoch die Wetterlagen angeführt. Die Umweltzonen seien erfolgreich, sagt das UBA. Die einzige Lösung für das Schadstoff-problem, so das Fraunhofer-Institut, ist die für 2014 anberaumte Einführung der Euro-6-Motoren. Sie stoßen weniger Feinstaub und Stickstoffdioxid aus. Von der flächendeckenden Einführung der neuen Norm ist die Branche jedoch noch meilenweit entfernt.Für Spediteure mit alten Fahrzeugen, die sich den Neukauf oder die Umrüstung nicht leisten können, führen Umweltzonen zu höherem Dispositionsaufwand und Kosten. Sie brauchen Ausnahmegenehmigungen – für jede Stadt eine andere. „Besonders Möbelspediteure haben das Problem, dass sie reine Zufallsverkehre haben. Sie können diese nicht vorausplanen“, sagt Dierk Hochgesang, Geschäftsführer des Bundesverbandes Möbelspedition (AMÖ).Verkehrsministerium entscheidetFür die Spedition Koch International aus Osnabrück hingegen war die Verschärfung der bestehenden Umweltzone in Osnabrück kein Problem. Alle Fahrzeuge hatten bereits die grüne Plakette. „Die Umweltzone ist ja nicht von heute auf morgen, sondern in Stufen eingeführt worden“, erklärt Helmut Boerst, Speditionsleiter bei Koch.Möglicherweise bleiben diese Investitionskosten Spediteuren mit Route durch das baden-württembergische Schramberg in Zukunft erspart. Ausgerechnet die Verursacher der Kosten, die Behörden, könnten ihnen zur Seite springen: Die Stadt Schramberg hat beim Regierungspräsidium Freiburg wissenschaftlich fundiert Einwände gegen die Umweltzone erhoben. Entschieden wird nun im Verkehrsministerium in Stuttgart. ❙❚■ Johanna KochIn der Schwarzwald-Stadt Schramberg würde eine Umweltzone die Stickoxid-belastung verschärfenwas noch geplant istStadtAugsburgBerlinBonnBremenDinslakenDortmund (Brackeler Straße)DüsseldorfFrankfurt a. M.Freiberg am NeckarFreiburgHagenHalle (Saale)Hannover HeidelbergHeidenheimHeilbronnHerrenbergIlsfeldIngersheimKarlsruheKölnKrefeldLeipzigLeonbergLudwigsburgMagdeburgMannheimMarkgröningenMühlackerMünchenMünsterNeussNeu-UlmOsnabrückPfinztalPforzheimPleidelsheimReutlingenRuhrgebiet (Bochum, Bottrop, Castrop-Rauxel, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck,Herne, Herten, Mülheim, Oberhausen, Recklinghausen)Schwäbisch-GmündStuttgartTübingenUlmUrbachWuppertalGrüne Plakette seit/ab01.01.201301.01.2010noch unklar01.07.2011noch unklar01.07.2014noch unklar01.01.201201.01.201301.01.201301.07.201401.01.201301.01.201001.01.201301.01.201301.01.201301.01.201301.01.201301.01.201301.01.201301.07.2014laut Luftreinhalteplan 2012, aber Durchführung fraglich01.03.201101.01.201301.01.201301.01.201301.01.201301.01.201301.01.201301.10.2012noch unklarvorauss. 2013noch unklar03.01.201201.01.201301.01.201301.01.201301.01.201301.07.201401.01.201301.01.201201.01.201301.01.201301.01.2013noch unklarUmweltzonenUmweltzonenUmweltzonen sind begrenzte, meist städtische Gebiete, in denen Fahrverbote für Fahrzeuge mit hohem Schadstoff-Ausstoß gelten. Grundlage für ihre Errichtung ist die Feinstaubverordnung. In Umweltzonen erlaubt sind nur Fahrzeuge mit gewissen Abgasnormen, gegebenenfalls Katalysatoren oder Rußpartikelfiltern. Die Verordnung kennt vier Schadstoffgruppen, die sich nach dem Feinstaub-Ausstoß richten.SchadstoffgruppenKeine Plakette: Euro 1Rot: Euro 2Gelb: Euro 3Grün: Euro 4/5/6, Benziner mit Drei-Wege-Katalysator (G-Kat)Umweltzonen„Umweltzonen sind unwirksam“Otto Sälzle, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm, über die Sinnhaftigkeit von Umweltzonen.Sie haben vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI ein Gutachten über die Sinnhaftigkeit von Umweltzonen erstellen lassen. Wie ist das Ergebnis?Otto Sälzle: Umweltzonen sind ein politisches Placebo mit gefährlichen Nebenwirkungen. Sie sind unwirksam und verursachen bei Bürgern und Wirtschaft nur unnötige Kosten. Tragen Umweltzonen zur Reduktion von Feinstaub bei?Praktisch nicht. Wir konnten nachweisen, dass das Feinstaub-Aufkommen maßgeblich von der Witterung beeinflusst wird.Reduzieren sie den Stickoxid-Ausstoß?Das Gegenteil ist der Fall. Mit Dieselpartikel-Filtern nachgerüstete Fahrzeuge und Euro-5-Fahrzeuge bekommen zwar eine grüne Plakette, stoßen aber noch mehr Stickstoffdioxid aus als alte Fahrzeuge mit roter Plakette.Wieso wurden Umweltzonen dann überhaupt eingeführt und jetzt noch verstärkt?Umweltzonen sind ein Instrument für das politische Gutmenschentum. Die Politiker suggerieren den Bürgern mit Umweltzonen Tatkraft und Handlungsstärke. Aber es bewirkt nichts. Und wenn ein Regelwerk erst mal existiert, fängt die Verwaltung an, es umzusetzen.Was sollten Städte denn sonst gegen Feinstaub und Stickoxide tun?Es wäre momentan viel sinnvoller, gar nichts zu tun, als Umweltzonen einzurichten. Denn 2014 kommt der Euro-6-Motor, der sowieso weniger Feinstaub und Stickoxide ausstößt. Es wäre besser, zwei bis drei Jahre zu warten und dann darauf zu drängen, dass neue Fahrzeuge angeschafft werden. Bis dahin wäre der Nachrüstbedarf auch bei den Fahrzeugen da, die momentan eine rote oder gelbe Plakette haben. Wir hätten für den Einzelnen eine deutlich wirtschaftlichere Handlungsweise.Könnte man die Luftqualität durch optimierten Verkehrsfluss verbessern?Ja, das ist ein zentrales Thema für die politische Diskussion. In den letzten zehn bis 20 Jahren ist die Verkehrspolitik aber in die entgegengesetzte Richtung gegangen. Man versucht, den Individual- und damit den Wirtschaftsverkehr zu behindern. Das Fraunhofer-Institut hat nachgewiesen, dass je nach Straßentyp bei flüssigem Verkehr 32 bis 56 Prozent weniger Stickoxide als bei Stop-and-go ausgestoßen werden.Überall gelten andere Umweltzonen. Was bedeutet das für Transportunternehmen? Besonders für kleinere Unternehmen ist das problematisch. Sie müssen sich jedes Mal eine Ausnahmegenehmigung besorgen. Das ist aufwendig und kostet Geld. Für Fahrzeuge, die noch voll einsatzfähig sind, gibt es keine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, sie auszutauschen. Dem Unternehmer werden durch öffentliche Regularien zusätzliche Kosten aufgezwungen. Das ist rechtswidrig.Was raten Sie Transportunternehmen?Wenn der Investitions-Zwang für einen Unternehmer zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führt, kann ich ihn nur dazu ermuntern, Klage einzureichen. Es besteht eine berechtigte Chance, dass ein Verwaltungsgericht zu der Auffassung gelangt, dass das rechtswidrig ist. jkoInterviewOtto Sälzle

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