Tor zu - es zieht!

Mach die Tür zu, es zieht!" Der entnervte Aufschrei des lieben Kollegen im Büro gilt in ähnlicher Form auch im Lager. "Mach das Tor zu, es zieht!" muss es dort korrekt heißen. Denn "es hat einen erheblichen Einfluss auf den Wärmeverlust in einer Lagerhalle, wenn Tore auf gegenüberliegenden Seiten offen sind", sagt Klaus Klimke vom Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik an der Technischen Universität München. Der Wissenschaftler hat mit Kollegen in der Studie "Unterschiedliche Torsysteme in Industriegebäuden unter Berücksichtigung energetischer, bauklimatischer und wirtschaftlicher Aspekte" untersucht, wie groß die Energieverluste durch Tore in Lagerhallen sind (siehe Kasten). Dass Durchzug nicht gut fürs Klima im Lager ist, ist dabei eine wenig überraschende Erkenntnis. Spannender sind die Energiespartipps für verschiedene Einsatzfälle der Tore im Lager. Über Tore kühlen Lagerhallen auf drei Arten aus: wenn Mitarbeiter sie öffnen (im Fachjargon: Lüftungswärmeverlust), wenn kalte Luft baulich bedingt am Torflügel, der Schließkante oder dem Rahmen durchströmt (Leckage) oder wenn sie schlecht isoliert sind (Transmission). "Wärmeverluste infolge eines geöffneten Tores haben in der Regel größere Auswirkungen auf die Wärmebilanz des Gebäudes als der Wärmeverlust durch Transmission oder Leckagen", weiß Klimke. Im Winter gilt also: Tor zu oder zumindest nicht länger, häufiger und weiter auf als unbedingt notwendig. Das spart nicht nur Heizenergie, sondern sorgt auch für mehr Behaglichkeit bei den Mitarbeitern. Denn steht das Tor länger als drei Minuten in der Stunde offen, übersteigt der Lüftungswärmeverlust bereits die Wärmeverluste durch Transmission und Leckagen. Bei langen Öffnungszeiten sei es daher nicht mehr so entscheidend, das Tor stark zu dämmen oder in extrem hohe Öffnungs- und Schließgeschwindigkeiten zu investieren. Ein Tor, das 20 Minuten in der Stunde offen steht, kann, verglichen mit einem geschlossenen Tor, über 4000 Euro an Mehrkosten für Wärme im Jahr verursachen. Und das, obwohl der Wärmeverlust durch das Tor höher ist als der entstehende Mehrbedarf an Wärme, um das Gebäude auf Temperatur zu halten. Grund für den Effekt sind interne Wärmelasten. Dazu zählen beispielsweise Lampen. Sind die Öffnungszeiten kurz, fällt das Fazit von Klimke anders aus, vor allem dann, wenn viele Tore die Fassade zieren. Der Unterschied zwischen einem gut gedämmten, dichten Tor und einem geringfügig gedämmten, undichten Tor kann bis 1900 Kilowattstunden pro Jahr betragen. Dabei ist der Wärmeverlust durch Transmission in der Regel größer als die Abkühlung durch Leckagen. Die Kälte dringt tief ins Lager ein Ist das Tor lange offen, wird es schnell unbehaglich für die Menschen auf der Innenseite. Denn in den ersten Sekunden und Minuten sinkt die Temperatur am schnellsten. Besonders kalt wird es dabei in der unmittelbaren Umgebung des Tores. Hier sank die Temperatur im Versuch binnen zehn Minuten von 17 auf 13 Grad - gemessen auf Brusthöhe (1,4 Meter). Allerdings lag die Außentemperatur auch bei frostigen minus acht Grad. Nach 20 Minuten "beträgt die spürbare Eindringtiefe etwa 24 Meter", hat Klimke gemessen. Die Kälte bereitet sich mit der Zeit unbehaglich im Lager aus. Mach das Tor zu, es zieht, lässt sich dank der Studie mit Fakten belegen. "Bei gleichzeitigem Öffnen von gegenüberliegenden Toren erhöhen sich Wärmeverlust und resultierender Mehrbedarf an Wärme deutlich gegenüber nacheinander geöffneten Toren mit gleicher Öffnungsdauer", heißt es in der Untersuchung. Als grobe Richtwerte können für eine Gebäudedurchströmung in Nord-Süd-Richtung ein Mehrbedarf an Wärme von rund sechs Prozent und in Ost-West-Richtung von etwa elf Prozent gegenüber dem hintereinander erfolgten Öffnen der Tore kalkuliert werden. Wie so oft bei einer Logistikimmobilie ist auch beim Durchzug die Lage entscheidend. Das gilt vor allem für Umschlaganlagen mit Toren auf gegenüberliegenden Seiten für den Wareneingang und den Warenausgang. Die Studie unterscheidet beim Lager zwei Szenarien: das Be- und Entladen von Lkw und regelmäßige Staplerverkehre. Beim klassischen Andocken der Lkw mit der Rückseite an Verladeschleusen sinken die Lüftungswärmeverluste gegenüber dem offenen Tor bei der seitlichen Lkw-Beladung spürbar. Bei Letzterer sind die Tore mehrfach am Tag - meist am Morgen und am Abend - über mehrere Minuten geöffnet. Bei den Staplerverkehren öffnen die Fahrer die Tore zwar sehr oft, aber nur für ein paar Sekunden. Wenn ein Unternehmen statt einer zwei Schichten arbeitet, ändert sich der Wärmebedarf zum Teil erheblich. Beim Be- und Entladen der Lkw verdoppelt sich dann oft die Anzahl der Ladevorgänge und damit die Zeit, in der das Tor offen steht. Der Mehrbedarf an Wärme steigt sogar um mehr als das Doppelte, um 120 Prozent. Grund ist die damit meist verbundene zeitliche Verlagerung von Öffnungsvorgängen in die frühen Morgen- beziehungsweise späten Abendstunden mit jeweils kälteren Außentemperaturen. Bei den Staplerverkehren indes steigen Toröffnungen und der Mehrbedarf an Wärme dagegen proportional an. Der Einsatz bestimmt die Torart Für die regelmäßigen Staplerverkehre mit hohen Öffnungszyklen und kurzen Öffnungszeiten empfehlen die Studienautoren daher schnelllaufende Tore wie das Folien-Rolltor oder ein Schnelllauf-Spiraltor. Diese seien energetisch wie kostenspezifisch zu befürworten. Dabei hat das Spiraltor in Sachen Isolation und Dichtheit die Nase vorn und spart mehr Heizkosten, verschlingt beim Bau aber das deutlich größere Stück vom Investitionsbudget, sodass es sich nicht immer rechnet. Bei geringeren Öffnungszyklen, wie der seitlichen Lkw-Beladung, ist das Sektionaltor die erste Wahl, denn es ist mit "hoher Dämmung und Dichtheit, aus energetischer Sicht und bei der Betrachtung der kumulierten Kosten empfehlenswert". Grundsätzlich gilt: Öffnet sich ein Tor oft und nur für kurze Zeit, spielt aus energetischer Sicht die Öffnungs- und Schließzeit die entscheidende Rolle, Dämmung und Dichtheit sind weniger wichtig. Langsame Tore benötigen länger, bis sie auf und wieder zu sind, als dass sie dann offenstehen. Damit hat die Kälte unnötig viel Zeit, ins Lager einzuziehen - Tor zu! Tipps zum Energie sparen Organisatorische und bauliche Maßnahmen senken Heizkosten Mit ganz unterschiedlichen Maßnahmen lässt sich der Wärmeverlust durch Tore verringern.- Das Tor bei der seitlichen Lkw-Beladung nicht die ganze Zeit offen stehen lassen, sondern nur öffnen, wenn das Flurförderzeug durchfährt. Das senkt den Wärmemehrbedarf um bis zu 30 Prozent, funktioniert aber nur mit einem schnell laufenden Tor sinnvoll.- Wenn der Lkw in das Lager passt und von der Seite beladen werden muss, dann in der Halle statt vor der Halle beladen. Durch den geringeren Lüftungswärmeverlust sinkt der Wärmemehrbedarf je nach eingesetztem Tor um 70 bis 90 Prozent.- Wenn Sensoren, zum Beispiel Laserscanner, das Tor nicht ganz öffnen, sondern nur so weit, dass der Mitarbeiter oder Stapler durch passt, sinkt der Luftaustausch über das Tor. Der Wärmebedarf verringert sich so um bis zu 63 Prozent.- Schleusen können bis zu 90 Prozent an Wärme einsparen und erhöhen die Behaglichkeit im Gebäude. Allerdings erfordern sie daran angepasste logistische Abläufe und erhöhen die Baukosten. sv Methodik Klimaforschung: Wie die Kälte nicht ins Lager kommt Die Studie "Unterschiedliche Torsysteme in Industriegebäuden unter Berücksichtigung energetischer, bauklimatischer und wirtschaftlicher Aspekte", herausgegeben von der Technischen Universität München, gibt Tipps, wie kalte Luft draußen bleibt.Als Basis für ihre Berechnungen haben die Autoren Klaus Klimke, Jakob Schneegans und Timm Rössel ein Lager mit 10.000 Quadratmetern Fläche und einer Höhe von 14 Metern genommen, in dem im Zweischichtbetrieb gearbeitet wird. Damit die Mitarbeiter dabei nicht frieren, soll die Raumtemperatur 17 Grad nicht unterschreiten und im Sommer darf es nicht wärmer werden als 28 Grad. Berechnet wurden die Wärmeverluste an einem Tor, die dann auf mehrere hochgerechnet werden können. Bei den Simulationen wurde ein ganzes Jahr mit seinen Jahreszeiten berücksichtigt. Als durchschnittliche Torgröße haben die Wissenschaftler vier mal vier Meter angesetzt. sv