Technik für Techniker

Wenn das rote Lämpchen signalisiert, dass es das einzige ist, das noch funktioniert, wenn sonst gar nichts mehr funktioniert - dann schlägt noch vor dem Auftritt des Servicetechnikers die Stunde des Ersatzteillagers. Damit die rund 4000 Techniker von Jungheinrich einen guten Auftritt haben und mit dem passenden Ersatzteil dafür sorgen können, dass das rote Lämpchen wieder das einzige ist, das nichts signalisiert, hat der Staplerbauer in Kaltenkirchen ein neues zentrales Ersatzteilzentrum gebaut - mit viel Technik und guten Ideen. Zu den technischen Leckerbissen zählen das automatische Kleinteilelager (AKL), das Hochregallager (HRL) sowie Fördertechnik mit Aufzügen und Spiralförderern. Im HRL lagern sieben Regalbediengeräte (RGB) von LTG 250 Paletten in der Stunde ein und aus. AKL und Fördertechnik stammen von TGW. Im Kleinteilelager lagern acht RGB 1200 Behälter in der Stunde ein und aus und düsen mit 25 Kilometern pro Stunde durch die Gasse. Theoretisch würden sie in 8 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigen. Dafür, dass Paletten und Boxen im richtigen Fach landen, sorgt das Warehouse Management System (WMS) von Jungheinrich. Mit Schaumstoff schneller fahren Spannender noch sind allerdings die kleinen Ideen, die die Abläufe im Lager schneller machen sollen. Denn von den Technikern bestellte Ersatzteile laufen binnen einer Stunde durch die Anlage, bis sie zum Versand bereit liegen. Der Wareneingang erfolgt getrennt nach palettierter Ware, etwa 20 Prozent der Eingänge, und Kleinteilen, die in schwarzen Plastikboxen mit den Maßen 60 mal 40 Zentimeter landen. Die Wareneingangskontrolle ist auf Geschwindigkeit ausgelegt. Es erfolgt nur eine Sicht- und Zählprüfung. Stellt der Mitarbeiter Unstimmigkeiten fest, wird die Ware ausgeschleust und gründlicher geprüft. Gleiches gilt für Sendungen von im System hinterlegten kritischen Lieferanten. Diese Jobs übernehmen Mitarbeiter mit speziellen Teilekenntnissen. Die Trennung soll Abläufe beschleunigen, denn ein Automatiklager braucht für den wirtschaftlichen Betrieb zwei Dinge: Geschwindigkeit und Standardisierung. Damit die Transportpaletten der Lieferanten nicht in der Fördertechnik oder im HRL steckenbleiben, werden sie samt ihrer Fracht vor dem Weg ins Lager auf eine der 24.000 sogenannten Gut-Paletten aufgesetzt. Anders als möglicherweise die für den Transport genutzte Palette ist diese im makellosen Zustand. So sorgt der Gut-Paletten-Untersatz dafür, dass das Ersatzteil reibungslos durch die Anlage läuft, denn beschädigte Ladungsträger können die sensible Technik stören oder in ihr steckenbleiben. Auch die Plastikboxen für 80.000 Stellplätze im AKL sind speziell präpariert, damit sie sich ohne ungewollten Zwischenstopp über die Fördertechnik bewegen. In jeder liegt eine genoppte Schaumstoffmatte. Sie verhindert, dass sich die Teile in der Box bei ihrer Fahrt über die Fördertechnik bewegen. Vor allem schwere Teile wie Räder oder Rollen können in Kurven verrutschen und gegen die Wand schlagen. Als Folge verrutscht die Kiste auf der Fördertechnik und bleibt im schlimmsten Fall hängen. Die Alternative: die Fördertechnik langsamer stellen. Mittlerweile ist das AKL zu 90 Prozent gefüllt - allerdings sind die Boxen vergleichsweise leer. Kommen nun neue Ersatzteile hinzu, wäre ein Anbau fällig oder es folgt eben der Trick mit der Boxenteilung. Barcodes sagen, wie die Kiste steht Jede Kiste lässt sich in vier Segmente unterteilen. Dafür sind alle Boxen mit zwei Barcodes ausgestattet - auf jeder Längsseite einer. Kommt eine so geteilte Box beim Kommissionierer an, scannt das System die Barcodes und weiß danach, wie der Ladungsträger vor dem Mitarbeiter steht und zeigt ihm das richtige Fach für die Teilentnahme an. 36 Millionen Euro - 15 Millionen davon für Technik und Intelligenz - hat das Ersatzteilzentrum gekostet. Darin warten Ersatzteile im Wert von 50 Millionen Euro auf ihren großen Auftritt, um die eine rote Lampe erlöschen zu lassen. Ideen für einen schnelleren Materialfluss Der Wareneingang erfolgt getrennt für Paletten und KleinteileBevor eine Palette ins Hochregal wandert, wird sie auf eine ordentliche Trägerpalette gesetztSchaumstoff mit Noppen verhindert, dass schwere Teile die Fördertechnik ausbremsenAn den Kommissionierplätzen treffen alle Teile eines Auftrags gleichzeitig einWas zu groß für Palette oder Box ist, wird gesondert behandeltAnlagenübersicht auf dem Flatscreen: Rot bedeutet Störung oder Wartung Leistungsdaten des Ersatzteillagers Viel Platz und Technik für 65.000 Ersatzteile Das 2013 im norddeutschen Kaltenkirchen in Betrieb gegangene Jungheinrich-Ersatzteilzentrum bietet auf einer Grundstücksfläche von 61.000 Quadratmetern eine Lagerfläche von gut 20.000 Quadratmetern. Auf rund 110.000 Stellplätzen lagern 65.000 verschiedene Artikel. Täglich machen sich etwa 6000 unterschiedliche Ersatzteile auf ihren Weg zum Einsatzort.Mit dem neuen Lager können jetzt 98 Prozent der Servicetechniker in Europa über Nacht beliefert werden. Kaltenkirchen bietet eine Verfügbarkeit von 98 Prozent, während die drei Regionallager in Indianapolis, Bratislava und Lahr auf 95 Prozent kommen. Alle Lieferanten beliefern nur das Zentrallager, das übernimmt die Versorgung von Technikern, Regionallägern und Händlern. sv