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Streit um flüssiges Erdgas LNG – Irrweg oder Übergangsenergie?

13.02.2020 13:30 Uhr
LNG laut Oil & Gas IQ sinnvolle Brückentechnologie
Immer mehr Schiffe fahren mit LNG, doch derzeit werden Stimmen gegen das Flüssigerdgas lauter
© Foto: Daniel Reinhardt /picture-alliance

Bislang galt verflüssigtes Erdgas LNG in der Schifffahrt als die beste Antriebsenergie für die nächsten Jahre und darüber hinaus. Doch nun wachsen die Zweifel. Mit Milliardenaufwand sucht die Branche den Weg in eine klimaneutrale Zukunft.

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Hamburg. Erst ein gutes Jahr ist vergangen, seitdem die Kreuzfahrt-Reederei Aida ihr Schiff „Aidanova“ von der Papenburger Meyer Werft übernommen hat. „Wir sind ungemein stolz darauf, das derzeit umweltfreundlichste Kreuzfahrtschiff zu betreiben“, sagte Aida-Präsident Felix Eichhorn damals in Bremerhaven. Die „Aidanova“ war das erste Kreuzfahrtschiff, das im Hafen und auf See ausschließlich mit dem flüssigen Erdgas LNG betrieben wird.

Nicht nur Kreuzfahrtschiffe, auch Fähren, Tanker und selbst riesige Containerschiffe sind künftig mit dem Gastreibstoff unterwegs. Mehr als 350 Schiffe fahren mit LNG oder werden demnächst gebaut – bei einer Weltflotte von rund 60.000 größeren Schiffen. Das sind noch wenige LNG-Schiffe und es fehlt auch noch an einer flächendeckenden Infrastruktur für die Versorgung mit dem tiefgekühlten Gas. Doch die Zukunft gehört LNG, dachte man bisher in der Schifffahrt. Kaum Stickoxide, kein Schwefel, fast kein Feinstaub und immerhin 20 Prozent weniger CO2 – sollte das kein Fortschritt für die Umwelt sein?

Kritische Stimmen zu LNG

Doch nun werden kritische Stimmen lauter. „Das Flüssigerdgas entpuppt sich als schädlicher Irrweg“, meint die Umweltorganisation Nabu. Sie beruft sich auf einen Bericht des renommierten Internationalen Rats für sauberen Transport (ICCT), der zu alarmierenden Ergebnissen kommt. Danach führt ein LNG-Antrieb zu 70 bis 80 Prozent höheren Treibhausgasemissionen im Vergleich zu herkömmlichem Schiffsdiesel. Grund ist das aggressive Klimagas Methan, das beim LNG-Betrieb austritt. Über einen Zeitraum von 20 Jahren seien die LNG-Schiffe deshalb klimaschädlicher als herkömmliche Frachter. „LNG ist gut für die Luftqualität, aber nicht für das Klima“, sagt Sönke Diesener vom Nabu.

Die Maritime LNG Plattform, eine Lobby-Organisation, hält dagegen. Die ICCT-Studie widerspiegele weder den aktuellen Stand der Motorenentwicklung und die damit verbundene Reduzierung des Methanschlupfs noch die Realitäten des LNG-Marktes. „Die maritime Energiewende muss kommen“, sagt Geschäftsführerin Tessa Rodewaldt. „Den Einstieg kriegen wir aber nur mit der LNG-Technologie hin.“ Zunehmend werde auch synthetisch hergestelltes, klimaneutrales LNG zum Einsatz kommen. Auf deutschen Schiffen soll es schon in diesem Jahr getestet werden.

Welche Alternativen gibt es?

Tatsache ist: Mit irgendeinem Treibstoff müssen die Schiffe fahren. Und wenn es nicht Diesel sein soll und nicht LNG, was dann? Der Nabu verweist auf höhere Effizienz, Windunterstützung, Batterien, Brennstoffzellen und synthetische Kraftstoffe. Anstatt eine Infrastruktur für einen Hightech-Treibstoff wie das minus 162 Grad kalte LNG aufzubauen, solle die Schifffahrt besser auf klimaneutral erzeugtes Methanol oder Ethan setzen. Das Problem: Die meisten dieser Kraftstoffe und Antriebssysteme gibt es noch nicht in großem Maßstab oder sie sind nicht wirtschaftlich oder gänzlich ungeeignet. Keine Batterie wäre groß genug, um allein ein Containerschiff anzutreiben. Es würde schon wegen des Gewichts untergehen.

Die Schifffahrt ist verantwortlich für rund zwei Prozent der weltweit durch Menschen verursachten CO2-Emissionen und will ihren Ausstoß bis 2050 halbieren. Auch die Reeder betrachten LNG als eine Übergangstechnologie, die nur für einige Jahrzehnte angewandt werden soll. Um zu erforschen, was danach kommen könnte, bringen die Reeder weltweit über einen Fonds einen Betrag von fünf Milliarden Dollar für die nächsten zehn Jahre auf. Für eine Branche, die jahrelang tief in der Krise steckte, ist das eine ziemliche Kraftanstrengung.

Dabei sind die Reeder noch nicht einmal Spezialisten für Schiffsmotoren und Antriebstechnik – das sind die Maschinenbauer und die Öl- und Gasindustrie. „Die Schifffahrt allein kann die Brennstoff-Herausforderung nicht lösen“, sagt der Präsident des Reederverbandes, Alfred Hartmann. „Das liegt außerhalb unserer Möglichkeiten.“ Aber die Branche wolle auch nicht die Hände in den Schoß legen und abwarten. Immerhin habe die Schifffahrt es geschafft, ihre CO2-Emissionen von 2008 bis 2018 um 18 Prozent zu reduzieren, bei einem gleichzeitig um 35 Prozent gestiegenen Transportvolumen.

Es läuft wohl erstmal auf LNG hinaus

LNG wird wohl trotz der Kritik der Umweltschützer in den nächsten Jahren in der Schifffahrt eine größere Rolle spielen, weil es gegenwärtig die einzige marktfähige Alternative zu Schiffsdiesel ist. Die Infrastruktur in Europa wird gerade aufgebaut, auch auf Druck der USA, die gern LNG nach Europa verkaufen wollen. Gegenwärtig arbeiten bereits 36 LNG-Terminals im europäischen Ausland, die allerdings erst zu 40 Prozent ausgelastet sind, meldet der Verband BDEW.

In Deutschland planen private Investoren mit Rückendeckung aus Berlin LNG-Terminals in Brunsbüttel, Stade, Wilhelmshaven und in kleinerem Maßstab in Rostock. Die Investitionsentscheidungen sind überfällig, aber noch nicht getroffen. Gegen die Projekte hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bereits Widerstand angekündigt, weil sie wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren gar nicht genehmigungsfähig seien. Bis der erste LNG-Tanker an einem deutschen Kai anlegt, dürften deshalb noch einige Jahre vergehen. (dpa/ja)

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KOMMENTARE


Horst Köhler

16.02.2020 - 17:50 Uhr

LNG-Schiffe: Mehr Nachteile als Vorteile Ob LNG-Schiffe mit der Verbrennung von Erdgas in den Motoren tatsächlich umweltfreundlicher als herkömmliche Dieselschiffe sind, steht endgültig fest, wenn verlässliche und ungeschönte Emissions- und Verbrauchsvergleichsmessungen Dieselschiff versus LNG-Schiff vorliegen. Skepsis ist allerdings in jedem Fall schon jetzt angebracht: ganz abgesehen von der noch fehlenden LNG-Infrastruktur in den allermeisten Häfen und den hohen Kosten für die Erzeugung, den Transport und die Lagerung von LNG in stark isolierten voluminösen Drucktanks an Bord muss ein Verlust an Nutzlastvolumen in Kauf genommen werden. Außerdem wird es kaum zu vermeiden sein, dass ein Entweichen des äußerst klimaschädlichen Gases Methan, Hauptbestandteil von Erdgas, auftritt, auch bei Zweitaktmotoren. Der im obigen Bericht zitierte Nabu irrt allerdings, wenn er (mit Bezug auf Erkenntnisse aus dem LKW-Bereich) feststellt, dass ein LNG-Antrieb zu 70 bis 80 % höheren Treibhausgasemissionen im Vergleich zum herkömmlichen Diesel führt; der Nabu verwechselt nämlich NOx-Schadstoffemissionen mit dem Treibhausgas CO2. In der Tat zeigte sich 2019 bei genauen Abgasmessungen an drei modernen LNG-LKWs Baujahr 2017, dass sie um den Faktor 1,4 bis 2,2 mehr NOx ausstoßen als der Durchschnitt der sechs konventionellen Diesel-LKWs verschiedener Hersteller aus dem Baujahr 2013. Dies gilt allerdings nur für den reinen Stadtverkehr – im Kombiverkehr emittierte immerhin einer der drei LNG-LKWs rund 14 % weniger NOx als die Diesel-LKWs, die beiden anderen waren schlechter. Genauso enttäuschend und ganz im Gegensatz zu den anfänglichen euphorischen Vorankündigungen der LKW-Hersteller stehend fielen die Messungen des Treibhausgases CO2 aus. Denn nur einer der drei modernen LNG-LKWs erzeugte knapp 10 % weniger CO2-Äquivalente (d.h., die Methanverluste entlang der gesamten Lieferkette sind mit eingerechnet) im Vergleich zur mittleren CO2-Emission der sechs Diesel-LKWs, bei den beiden anderen war kaum ein Unterschied festzustellen. Sollten sich ähnliche Tendenzen auch in der Schifffahrt zeigen, könnten LNG-Schiffe in der Tat der falsche Weg sein. Die globale Schifffahrt incl. der gesamten Fischereiflotte und mit Berücksichtigung der Bord-Hilfsmotoren ist nicht nur für 2 % der weltweit durch Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich (siehe Artikel oben), sondern für 3 % (Edgar, Stand Ende 2019). Über einen weiteren, bisher nur wenig beachteten Aspekt der zunehmenden Verwendung von LNG bzw. Erdgas im gesamten Transportsektor, bei der Energieerzeugung und in der Industrie, muss nachgedacht werden. Denn es hat sich gezeigt, dass die erhoffte weltweite CO2-Einsparung infolge der Stilllegung von immer mehr Kohlekraftwerken durch die vermehrte CO2-Produktion bei der Erdgasverbrennung zunichte gemacht wird. Dies ist einer der Gründe für den Anstieg der weltweiten fossilen CO2-Emissionen trotz aller Reduzierungsmaßnahmen: während es im Kalenderjahr 2017 37.077 Millionen Tonnen CO2 waren, stieg dieser Wert im Jahr 2018 auf 37.887 Millionen Tonnen an, also um ca. 2 % mehr. Horst Köhler, Friedberg (Fachautor für Transportemissionen und den Klimawandel)


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