Stahllogistik-Power aus Duisburg

Wo große Konzerne aus der Stahlbranche noch Arbeitsgruppen bilden oder Pilot-Projekte anbieten, macht ein mittelständischer Stahl-Spediteur Nägel mit Köpfen: "Wir sind in Sachen Digitalisierung sicherlich, ohne unbescheiden wirken zu wollen, deutlich weiter als andere Stahllogistiker", sagt Dirk Michael Müller, geschäftsführender Gesellschafter der LIMA-Gruppe und des Stahllogistikers Rheinkraft International (RKI), der größten Tochtergesellschaft der Gruppe. RKI hat eine eigene Tracking-App "Die gute alte RKI hat sogar eine App", so Müller. Hervorgegangen ist das Unternehmen aus der Werksspedition von Thyssen-Krupp. Stahl bewegen bedeutet für Müller und sein Unternehmen nicht nur Stahl zu transportieren. Vielmehr gehe es darum, eine komplexe Industrie mit smarten Logistiklösungen zu mobilisieren. Entwickelt wurde die Tracking-App von einem Berliner App-Spezialisten, der Smart Mobile Factory. Dabei geht es vor allem um bessere Planbarkeit, um Zufahrtsteuerung zur Flexibilisierung von Zeitfenstern und nicht zuletzt um die Reduzierung von Wartezeiten sowie eine effiziente Auslastung von Transportressourcen. "Proaktive Information ist durch die Situation auf unseren Straßen auch in der Stahllogistik wichtiger denn je", so Müller. Auf dem Smartphone installiert, überträgt die App Auftragsdaten an den Fahrer - gegebenenfalls mit Übersetzungshilfe, sodass die Fahrer in ihrer Landessprache kommunizieren können. Gesammelt werden Standort- und Wegedaten, um Fahrzeugankünfte und -aufenthalte in Echtzeit zu ermitteln und proaktiv an alle Beteiligten zu übermitteln. Mittlerweile werden mehr als 70 Prozent aller RKI-Transporte über die App getrackt. Bei drei großen Kunden sind zudem Dashboards implementiert, mit denen sie sich einen Überblick über ihre Transporte verschaffen können. "Wir können zwar nicht exakt sagen, dass die Abwicklung der Transporte dadurch schneller als vorher geht. Doch sagen alle Disponenten, dass die Kommunikation aller Beteiligten untereinander besser funktioniert", erläutert Müller. Ziel ist es, im Sommer auf einen Wert von 85 bis 90 Prozent zu kommen. Da RKI auch mit Subunternehmen im Transportbereich arbeitet, werden die 100 Prozent noch nicht in diesem Jahr erreicht: "Wir treffen im Spotmarkt leider immer noch auf Unternehmen, in denen Fahrer kein Smartphone besitzen", so Müller - nach seiner Erfahrung mehr westdeutsche als osteuropäische Unternehmen. Ohne Smartphone aber kein Tracking. Rheinkraft ist ein Traditionsbetrieb. 1962 gegründet war das Unternehmen viele Jahre Werksspedition von Thyssen und wuchs vom Fünf-Mann-Betrieb zu einem Unternehmen mit 800 Mitarbeitern im Jahr 1998 heran. Doch da arbeitete man bereits unter dem Konzerndach der belgischen Bahn SNCB. Seit 2003 firmieren die Duisburger unter Rheinkraft International. ThyssenKrupp ist zwar heute noch einer der größten Kunden. "Wir haben inzwischen aber den Wandel von einem konzernabhängigen Transportunternehmen zu einem unabhängigen, mittelständischen Logistiker vollzogen", sagt Müller. Zu den Kunden zählen nun neben ThyssenKrupp auch andere Stahlhersteller wie Salzgitter, Tata oder Arcelor Mittal sowie Stahlrohrproduzenten wie Vallourec, Stahlhändler und Stahl-Servicecenter. Endlich verdient RKI wieder Geld "Wir haben uns freigeschwommen", sagt Müller. Erstmals seit acht Jahren werde das Unternehmen in diesem Jahr wieder Geld verdienen. Müller hat das Unternehmen 2013 gemeinsam mit Jörn Schramme, heute kaufmännischer Geschäftsführer, im Rahmen eines Management-Buy-Out (MBO) erworben. Damals belief sich der Umsatz mit 360 Mitarbeitern auf 76 Millionen Euro. Während die Zahl der Mitarbeiter bis heute stabil geblieben ist, stieg der Umsatz der Gruppe auf nunmehr 85 Millionen Euro. Vor allem Pensionsverpflichtungen drücken seit Jahren auf das Ergebnis. Diese Belastung könne man in diesem Jahr erstmalig kompensieren, wie Müller berichtet. Aber das Ziel laute nicht Umsatzsteigerung um jeden Preis. Vielmehr soll die Rentabilität nachhaltig gesteigert werden. Vor allem ein Thema der besseren Umsatzqualität, wie Müller betont, und weniger der Fuhrparkkosten. Um RKI zu übernehmen, wurde damals die LIMA GmbH (Logistics Investment und Management) gegründet, die heute als Holding der Gruppe fungiert. Heute zählt die LIMA-Gruppe sechs Unternehmen an zwölf Standorten. Auf RKI entfallen dabei laut Müller etwa 70 Prozent des Umsatzes. Der Stahllogistiker transportiert jährlich rund 17 Millionen Tonnen Rohstoffe sowie Halb- und Fertigprodukte. Besonderes Know-how hat der Mittelständler neben den Dienstleistungen des klassischen Speditionsgeschäfts in der Optimierung logistischer Prozesse. RKS Rheinkraft (gegründet 2006) ist dabei der Spezialist für Lager- und Werkslogistiklösungen. 2014 und 2015 kamen die Unternehmen Transconnect (Transportlogistik für Profilbleche und Träger) und NE Stahltransporte (Transportlogistik für Stahlservice und Stahlhandel) sowie Econnexx Cargo Solutions hinzu. Mit Econnexx geht LIMA erstmals Wege außerhalb des Stahlgeschäfts und bietet Transportlogistiklösungen für Handels- und Konsumgüter an. "Mit der Neuausrichtung schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe", sagt Müller. Zum einen mache sich das Unternehmen unabhängiger von der volatilen Stahlkonjunktur. Zum anderen kann die Gruppe Fahrern flexiblere Einsatzmöglichkeiten anbieten und sich damit als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. In Zeiten des Fahrermangels ein gewaltiges Plus. "Wir müssen den Fahrern eine Heimat schaffen", meint Müller - und damit vor allem die Wertschätzung des Berufs erhöhen. "In kleineren Einheiten und Unternehmen mit maximal 30 eigenen Fahrzeugen gelingt uns dies deutlich besser", so Müller. Fahrer können nun vom "körperlich sehr anstrengenden" Stahltransport zum Beispiel in den Bereich Konsumgüter wechseln. Es gebe zudem viele Fahrer, die vom Fernverkehr gerne in den Nahverkehr möchten und auch umgekehrt, so Müller. Auch Begegnungsverkehre erleichtern es, durch den Fahrerwechsel auf der Strecke den Wünschen des Personals entgegenzukommen. Zudem setzt die LIMA-Gruppe verstärkt auf einen eigenen Fuhrpark. Habe man vor fünf Jahren noch 20 eigene Fahrzeuge gezählt, seien es heute 105. Daneben werden Subunternehmer im Dauereinsatz langfristig gebunden. Im Fuhrpark werden insgesamt 300 ziehende Einheiten und 340 Trailer gezählt. LIMA hat außerdem die Fühler Richtung Ausland ausgestreckt. In der Slowakei wurde 2012 eine Tochtergesellschaft gegründet. Auch in Frankreich unterhält die RKI eine Niederlassung und erbringt vor allem für Vallourec und im Konsumgüterbereich ihre logistischen Dienstleistungen. Die Ukraine ist ein interessanter Markt Die Tochter in der Slowakei mit ihren 16 Fahrzeugen dient als Basis für den angepeilten Ausbau des Osteuropageschäfts. Müller hat dabei vor allem die Ukraine im Blick. "Um unseren Standort in Kosice herum sitzen große Stahlproduzenten und die Autoindustrie", so Müller. Die Ukraine sei trotz politischer Wirren ein interessanter Markt. Mittelfristig werde die Bedeutung der dort hergestellten Stahlprodukte deutlich ansteigen, ist Müller überzeugt. Er stellt auch klar: "Wir werden uns nie vom Stahl weg bewegen und nur neue Geschäftsfelder suchen, die unser Kerngeschäft sinnvoll ergänzen." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Stahllogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Stahlkonjunktur Folgen der US-Strafzölle unkalkulierbar "Ich gehe davon aus, dass sich die Stahlnachfrage 2018 und 2019 weiter auf dem aktuell hohen Niveau bewegen wird", sagt Dirk Müller, geschäftsführender Gesellschafter der LIMA-Gruppe. Von der angekündigten Fusion der Stahlkonzerne ThyssenKrupp Steel und Tata erwartet er keine großartigen Veränderungen für die Stahllogistik.Unkalkulierbar seien dagegen die Folgen, die durch die von der US-Regierung jetzt beschlossenen Strafzölle auf Stahlprodukte drohen. Am Ende gelte aber: Europa benötige Stahl, egal woher."Wir können auch Transportlösungen ab Antwerpen anbieten", sagt Müller, und spielt darauf an, dass wegen der US-Zollpolitik Stahl aus zum Beispiel dem asiatischen Raum verstärkt über Seehäfen wie Antwerpen nach Europa drängen wird, wie es zumindest die Stahlverbände befürchten. Müller hat nicht den Eindruck, dass deutsche Stahlkonzerne wegen der drohenden Strafzölle besonders nervös sind. Denn sie liefern Spezialstahl in die USA, der dort nicht hergestellt wird. gra