Speditionsporträt: Franz Fischer hat's im Tank

In Kürze Flüssige Chemikalien, harmlose, aber auch Gefahrgüter der Klassen 3 bis 9 - darauf hat sich die Franz Fischer Spedition in Nienburg spezialisiert. Ein Geschäft, dank dem das Unternehmen kontinuierlich gewachsen ist: Knapp 200 Mitarbeiter beschäftigt die Spedition mittlerweile. In diesem Jahr feiert sie ihr 75-jähriges Jubiläum. Mit fünf Jahren saß er zum ersten Mal auf dem Trecker, mit neun Jahren fuhr er im Lkw mit. Heute ist Franz Fischer 53 Jahre alt und führt seit 2013 die Franz Fischer Spedition in Nienburg/Weser, die in diesem Jahr einen besonderen Geburtstag feiert. Vor genau 75 Jahren gründete sein Großvater Franz Fischer I. das Unternehmen. Wachstum trotz diverser Rückschläge Es gibt wahrlich verkehrstechnisch besser gelegene Standorte für Speditionen als die niedersächsische Stadt an der Weser, die weder über einen direkten Autobahn-Anschluss verfügt noch über viel Industrie. Dem Erfolg des Unternehmens geschadet hat der kleine Standort-Makel bislang aber nicht. Im Gegenteil: Trotz diverser Rückschläge, etwa durch den Wegfall der Konzessionen im Güterfernverkehr, die Anfang der 90er-Jahre sogar wertlos wurden, wuchs die Spedition kontinuierlich. Wohl auch, weil der Vater des heutigen Geschäftsführers, der ebenfalls Franz Fischer hieß und seit 1973 den Betrieb leitete, mit dem Transport von Chemikalien sehr früh das Gespür für die richtige Nische hatte. So fuhr die Firma schon Ende der 70er-Jahre mit ihrem ersten Tankfahrzeug für einen Auftraggeber in Westdeutschland. Auf heißen Kohlen unterwegs Mittlerweile transportiert das Unternehmen in ganz Europa, insbesondere nach Benelux, Nordfrankreich, Polen und seit 2019 auch regelmäßig nach England, flüssige Chemikalien - sowohl harmlose als auch Gefahrgüter der Klassen 3 bis 9. Zu den namhaften Auftraggebern zählen etwa BASF, Clariant und Shell, mit denen Franz Fischer zum Teil seit Jahrzehnten zusammenarbeitet. Selbst ätzende Gefahrgüter wie Salzsäure und getrocknete Natronlauge, die andere Dienstleister dankend ablehnen, "zu viel Korrosion im Behälterwerkstoff", befördert die Spedition in speziell beschichteten Transportbehältern. "Spezialität" der Nienburger ist der Transport von flüssigem Schwefel in speziellen Hochtemperatur-Tanks - ein Stoff, der zum Beispiel in Raffinerien bei der Entschwefelung von Kraftstoffen anfällt und an den sich nur wenige Transportspezialisten wagen. Grund dafür ist: "Der flüssige Schwefel wird mit circa 140 Grad Celsius ,verladen' und muss auf dieser Temperatur gehalten werden", erklärt Fischer. Sinke die Temperatur unter 120 Grad, werde der Schwefel sofort fest wie Beton, und der Tank-Auflieger muss aufwendig wieder aufgeheizt werden. Ein Geschäftsfeld, das sich entwickelt hat - gut 20 Prozent des Umsatzes macht die Spedition heute in diesem Segment - immer mit einem gewissen Bangen. "Es gibt Tage, da sitzen wir auf heißen Kohlen, zum Beispiel wenn eine Fähre ausfällt und der Fahrer unerwartet lange warten muss", räumt Fischer unumwunden ein. Eine weitere Spezialität der Spedition sind Heißprodukt-Transporte, etwa von speziellen Glykolen, deren Erstarrungspunkt bei 80 oder 90 Grad Celsius liegt und die unter anderem zu Produzenten von Waschmitteln in England befördert werden müssen. "Wenn das stockt, können wir das nicht mehr entladen", erläutert der Geschäftsführer. Eine besondere Isolierung seiner Fahrzeuge hilft aber auch hier. Und bei Bedarf lassen sich diese sogar aufheizen, wenn der Fahrer Pause macht. Das zahlt sich aus: Mittlerweile umfasst das Familienunternehmen, das in 2022 rund 38 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete, acht Einzelfirmen und hat Niederlassungen in Großenkneten sowie in Germering bei München, in der Schweiz (Neuhausen am Rheinfall) und in Wisbech, Cambridgeshire, in England. 190 Mitarbeiter beschäftigt die Spedition derzeit und verfügt über einen Fuhrpark mit 100 Zugmaschinen, 150 Tank-Sattelaufliegern (Ein- bis Fünf-Kammer-Auflieger) sowie 20 Hochtemperatur-Tanks mit Thermal-Ölheizung (mehr dazu im Kasten auf S. 17). Weitere Standbeine sind eine eigene Lkw-Werkstatt, eine Tank- und IBC-Reinigungs-anlage sowie eine Fahrschule für angehende Berufskraftfahrer. Seit drei Jahren verfügt die Spedition zudem über eine 3400 Quadratmeter große Lagerhalle mit Klimabereich in Nienburg, in der aktuell ein Hersteller Klebstoffe einlagert. "Wir fahren die Ware zu uns ins Lager, kommissionieren sie und machen sie versandbereit für Transporte in Deutschland, Europa und nach Übersee - die Dokumente erstellt unser Kunde, und die Transporte übernehmen externe Dienstleister", berichtet Fischer. Kundenkontakt ist das A und O Trotz all dieser Assets blickt der Mittelständler derzeit eher skeptisch nach vorne. "Die Zeiten werden unruhiger, weniger planbar", sagt der Chef. Erste Schleifspuren seien schon zu sehen. "Wenn ich mit unseren Kunden rede, sprechen die aktuell nur von Einbrüchen - nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und weltweit - zwischen zehn und 30 Prozent. Und irgendwann wird das auch bei uns ankommen", fürchtet er. Noch rechnet der Unternehmer aber nicht mit dem großen Kollaps im kommenden Jahr. Eine gewisse Sorge, dass er seine 20 neuen Lkw - alles Ersatz-investitionen - da nicht auslasten kann, habe er aber schon. "Das A und O ist für mich gerade jetzt der permanente und regelmäßige Kundenkontakt - und zwar immer persönlich", betont Fischer. "Gerade in einer Zeit, wo keiner weiß, wohin die Reise geht, ist für mich der Austausch mit unseren Kunden wichtiger denn je. Man läuft ja derzeit im Nebel umher." Was ihn erbittert: "In der Zeit, als mein Vater aktiv war, wurden Geschäfte noch mit Handschlag gemacht. Da gab es auf der Kundenseite Menschen, die das so entschieden, und dann wurde es so gemacht." Heute dagegen gebe es permanent Ausschreibungen, stets mit schriftlichen Verträgen, die es aufwendig zu prüfen gelte. Gleichzeitig würden Kunden teilweise versuchen, ihre Zahlungsziele stärker auszureizen oder auszuweiten - auf 90, 120 oder gar auf 180 Tage. Nicht weil sie in Not geraten sind, sondern weil das Teil ihres Geschäftsmodells sei, formuliert er es. "Solche langen Zahlungsziele lehnen wir daher kategorisch ab. Nicht weil wir uns das nicht leisten können. Da geht es mir ums Prinzip." Eine weitaus größere Herausforderung ist und bleibt für Franz Fischer jedoch der Fahrermangel. Selbst seine Fahrschule für angehende Berufskraftfahrer hilft ihm da nicht aus der Misere. "Wir haben seit fünf oder sechs Jahren keinen Lkw-Fahrer mehr ausgebildet", erzählt er. "Nicht weil wir nicht wollten, sondern weil sich kein einziger beworben hat, der wirklich Lust auf diesen Beruf hatte. "Vielen ist heute das Leben wichtiger als die Arbeit. Nicht Work-Life-Balance muss es heißen, sondern Life-Work-Balance." Fischer ergänzt: "Wenn bei uns Lkw-Fahrer in Rente gehen, können wir sie nicht mehr mit den deutschen Fahrern nach-besetzen, nur noch mit osteuropäischen - was aber absolut nicht negativ klingen soll". Sein Unternehmen sei nun einmal international tätig. "Wir fahren kreuz und quer - nach Frankreich, Benelux, England, Polen - in alle Nachbarländer Deutschlands, wir haben keine Linienverkehre." Kurz und schlecht: Das bedeute eben auch Einsätze am Wochenende. "Das macht kein deutscher Fahrer mehr mit. Die wollen alle am Wochenende zu Hause sein." Damit das sicher funktioniert, ist bei Fischer mittlerweile ein Disponent am Freitag ausschließlich damit beschäftigt, Touren von Transfer-Pkw so zu organisieren, dass die Lkw-Fahrer an bestimmten Orten so abgeholt werden, dass sie am Wochenende zu Hause sein können. Wie lange dieses Modell mit polnischen und rumänischen Fahrern noch funktioniert, ist fraglich. "Das sind alles junge Leute. Wenn die genug Geld verdient haben, gehen die zurück in ihre Heimat. Das ist das große Damoklesschwert, das über uns schwebt." Wasserstoff als neue Chance? Doch all das wäre für den Geschäftsführer noch verschmerzbar, wenn da nicht die Politik wäre. "Ich habe Sorge, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland allmählich politisch kaputt gemacht wird", sagt Fischer. So sei das Energiethema nach wie vor ungelöst, ebenso wie der Arbeitskräftemangel. "Es ist doch schizophren, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nach Brasilien fährt, um Fachkräfte zu werben, und wir hierzulande über eine Vier-Tage-Woche diskutieren - am besten bei vollem Lohnausgleich", kritisiert er. Die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland helfe dies ganz sicher nicht zu steigern. "Deutschland war einmal ein Industrieland. Ob dies auch in 20 Jahren noch so sein wird, bezweifle ich." Typisch Unternehmer kann Franz Fischer der aktuellen Situation dennoch neue Chancen abgewinnen. "Wenn ein großer deutscher Chemiekonzern seine Produktion nach Fernost verlagert, kommen seine Produkte eben über die ARA-Häfen rein", sagt er. Sprich: Letztlich würden sich nur die Warenströme verschieben, nicht aber die Auftragsmengen. Der Grundbedarf an Chemikalien bleibe also bestehen - selbst wenn die Deindustrialisierung hierzulande voranschreite, gibt er sich zuversichtlich. Damit nicht genug: Während noch viele über das Diesel-Aus lamentieren, denkt Fischer schon über die Alternative Wasserstoff nach. "Auf langen Distanzen ist das der Antrieb der Zukunft", ist er sich sicher. Was ihm dabei möglicherweise in die Hände spielt: Die Stadtwerke Nienburg haben schon grünes Licht für die Wasserstoff-Produktion und den Bau einer entsprechenden Tankstelle im Gewerbegebiet Südring gegeben, verrät er. Mit grünem Strom werde dort dann grüner Wasserstoff erzeugt und direkt vertankt. Und vielleicht wagt sich die Spedition dann sogar in ein weiteres neues Geschäftsfeld vor: den Transport von Wasserstoff mit eigenen Lkw. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Ebenso wie die Frage, ob und wie lange Fischer noch Steuermann der Franz Fischer Spedition bleiben will. Sicher ist nur eines: Noch scharrt sein Nachwuchs nicht mit den Füßen. Sohn Franz Oskar ist erst zwölf Jahre und Tochter Henriette acht Jahre alt. Die VerkehrsRundschau wird auch darüber berichten. Historie: Rückblick auf 75 Jahre Franz Fischer Spedition Die Franz Fischer Spedition in Nienburg/Weser wurde im Jahr 1948 von Franz Fischer I., dem Großvater des heutigen Geschäftsführers Franz Fischer gegründet. 1956 stieg sein Sohn Franz Fischer II. ein, der seit 1973 das Unternehmen leitete. Damals wurde vor allem Benzin und Heizöl befördert sowie Autoreifen und Papierrollen. Unter der Ägide von Franz Fischer III., dem heutigen Geschäftsführer, spezialisierte sich das Unternehmen zunehmend auf Flüssigtransporte für die Chemieindustrie. Heute beschäftigt die Spedition knapp 200 Mitarbeiter und erwirtschaftete in 2022 über 30 Millionen Euro Umsatz. eh "Wir sind ein Familienunternehmen. Bei uns ist keiner nur eine Nummer" Franz Fischer, Geschäftsführer der Franz Fischer Spedition in Nienburg Was ist für Sie aktuell die größte Herausforderung? Das ist ganz klar der Fahrermangel! Wenn bei uns Lkw-Fahrer in Rente gehen, können wir diese nur noch mit osteuropäischen Fahrern nachbesetzen - was aber absolut nicht negativ klingen soll. Wie viele Fahrer suchen Sie aktuell? Wir suchen dauerhaft - bis zu fünf kann man immer brauchen, um andere zu ersetzen und gegebenenfalls auch auszutauschen. Was macht die Franz Fischer Spedition für Lkw-Fahrer attraktiv? Das müssten Sie schon unsere Fahrer fragen! (lacht) Aber im Ernst: Wir bieten unseren Fahrern gute Arbeitsbedingungen; unsere Disponenten gehen ordentlich mit ihnen um. Außerdem erhalten sie von uns erstklassiges Equipment. Und: Wir sind ein Familienunternehmen. Bei uns ist also keiner nur eine Nummer. Das ist mir auch wichtig. Deshalb will ich auch nicht weiter wachsen. Welche Fahrzeuge setzen Sie ein? Das sind vorwiegend Zugmaschinen von Mercedes-Benz, MAN und Scania. Für die haben wir alle Wartungsverträge. Im Schaden- oder Pannenfall muss ein Fahrer also nicht zurück nach Nienburg, sondern kann jede Vertragsstätte direkt anfahren. Das ist vor allem interessant, wenn man im Ausland unterwegs ist. Außerdem verfügen wir über 150 Tank-Sattelauflieger, Tankcontainer, Kippsilo-Auflieger, Wechselbehälter sowie 20 Hochtemperatur-Tanks mit Thermalheizung. eh

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