Stuttgart. Baden-Württembergs SPD-Chef Nils Schmid hat die geplante Volksabstimmung über das Bahnprojekt Stuttgart 21 zur Bedingung für das Bündnis mit den Grünen gemacht. „Es wird keinen Koalitionsvertrag ohne eine Volksabstimmung zu Stuttgart 21 geben", sagte Schmid am Freitag der „Deutschen Presseagentur" in Stuttgart. Dies sei eine Frage der Glaubwürdigkeit von SPD und Grünen. An die Adresse des künftigen Partners sagte Schmid: „Wer Volksabstimmung vor der Wahl plakatiert, der sollte sich auch nach der Wahl daran halten."
Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann hatte kurz nach dem Wahlsieg erklärt, man wolle eine Volksabstimmung organisieren – „es sei denn, wir einigen uns in der Sache vorher". Die Grünen sind klar für einen Ausstieg aus dem Projekt, sie hatten den erbitterten Protest vor der Landtagswahl mitorganisiert. Die SPD ist für den Umbau des Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation mit der Anbindung an die Schnellbahnstrecke nach Ulm. Schmid verwies darauf, dass die Volksabstimmung seit Herbst die gemeinsame Basis von Grünen und SPD sei.
Der SPD-Chef zeigte sich unbeeindruckt von neu aufgetauchten Zweifeln an der Finanzierbarkeit des Milliardenprojekts. „Es wurde von Anfang an bezweifelt, ob die diskutierten Einsparmöglichkeiten realisierbar sind." Auf der anderen Seite sei denkbar, dass durch neue Tunnelbohrtechniken Einsparungen möglich seien.
Der Stuttgart-21-Chefplaner Hany Azer hat die Bahn vor Kostenrisiken gewarnt: Die geplanten Einsparungen von 900 Millionen Euro, mit denen die Bahn die Kosten auf dem bisherigen Stand von 4,1 Milliarden Euro drücken will, seien nur schwer realisierbar, soll Azer laut Medienberichten erklärt haben. Schmid sagte dazu: „Wir warten den Stresstest ab."
Er geht davon aus, dass die Bahn auch nach dem grün-roten Wahlerfolg in Baden-Württemberg an dem Projekt festhalten will. Diesen Eindruck habe er aus einem Telefonat mit Bahnchef Rüdiger Grube gewonnen. „Auch für die Bahn gilt das Vertragswerk." Die geplante Volksabstimmung sei für die Bahn „die Chance, die Akzeptanz für das Projekt zu erhöhen".
Gelassen reagierte der SPD-Landeschef darauf, dass sich die Bahn bei der Stadt Stuttgart nach denkbaren Regressforderungen bei einem Aus für das Projekt erkundigt habe. „Die Bahn tut gut daran, auszurechnen, was ein Ausstieg bedeuten würde." Diese Kalkulation sei notwendig, um ein Ausstiegsgesetz zu formulieren, über das die Bürger dann abstimmen sollen. Die Baden-Württemberger müssten vor der Volksabstimmung wissen, wie hoch die Schadenersatzforderungen an das Land sein werden, erklärte Schmid. (dpa)