Riskmanagement

RiskmanagementErfolgreiche StellhebelViele Schäden im LKW-Fuhrpark müssen nicht sein – mit gezieltem Riskmanagement lassen sich diese minimieren. Wie das geht, zeigt Küchenhersteller Nobilia im Zusammenspiel mit dem Versicherer HDI Gerling.Natürlich sind unsere LKW-Fahrer zunächst nicht begeistert, wenn sie am Samstag zur Schulung kommen müssen“, sagt Klaus Hartmann, Versand- und Fuhrparkleiter des Küchenherstellers Nobilia (siehe Kasten links). Am Ende des Tages hätte es aber immer allen etwas gebracht. Das Beste aber sei, freut er sich: „Mit Ausnahme des harten Winters Ende 2010/Anfang 2011 ist unsere Schadensquote seit über zehn Jahren zumindest stabil geblieben, wenn nicht gar fallweise gesunken, obwohl Nobilia stetig gewachsen ist.“ Minutiöse SchadenserfassungÜber 15 Millionen Kilometer sind die aktuell 135 Sattelzugmaschinen der Nobilia-Werkverkehr-Flotte jedes Jahr deutschland- und europaweit unterwegs – fast immer mit Zwei-Mann-Besetzung. „Wir umfahren praktisch jeden Tag 1,5-mal die Erde“, sagt Hartmann. Immer im Dienst der Kunden: für den Einzelhandel, Küchenstudios und Mitnahme-/SB-Märkte. Klar, dass es da immer wieder zu Schäden kommt: da wird ein Außenspiegel abgefahren, dort ein parkendes Fahrzeug während des Rückwärtsfahrens des Sattelzugs gestreift, um nur zwei Beispiele zu nennen. Was auf den ersten Blick nicht tragisch wirkt, summiert sich auf allein 388 Schäden im Jahr 2010, die ingesamt 434.000 Euro direkte Schadenskosten im Nobilia-Fuhrpark verursachten. Nicht gerechnet die indirekten Schadenskosten wie etwa Umsatzausfall aufgrund des beschädigten Fahrzeugs, administrativer Aufwand mit den Versicherern, um nur wenige Beispiele zu nennen. „1000 bis 3500 Euro indirekte Kosten kommen pro Schadensfall dazu“, so der Fuhrparkleiter.Woher Klaus Hartmann alles das weiß? Ganz einfach: Seit 1998 arbeiten Nobilia und der Versicherer HDI Gerling im Bereich Riskmanagement eng zusammen und seit 2003 Klaus Hartmann und Michael Poppe, der bei der HDI-Gerling-Tochter Sicherheitstechnik Kraftfahrzeuge für den Bereich Riskmanagement Flotten zuständig ist. Und Poppe weiß ganz genau, das zeigt sich im Gespräch mit ihm und Hartmann sehr schnell, in welchen Bereichen die Nobilia-Fahrzeugflotte ihre Hausaufgaben gemacht hat, in welchen Bereichen dagegen nach wie vor viele Schäden passieren und welche Ursachen jeder einzelne Schadensfall präzise hat. Grund: Im Jahr 2000 wurde bei Nobilia das HDI-Gerling-spezifische Schadensmelde-Programm K-Control installiert, in dem minutiös jeder einzelne Schadensverlauf erfasst wird. „Da wird nicht nur der Schaden selbst beschrieben“, zählt Poppe auf, „sondern auch, wo genau der Schaden entstanden ist, wie zu diesem Zeitpunkt die Straßenverhältnisse waren, wie die Witterungsverhältnisse waren und vieles mehr.“ Was nach immensem Aufwand für Nobilia klingt, hält sich laut Hartmann in Grenzen: „Eine unserer Buchhalterinnen benötigt dafür wenige Stunden in der Woche, da die wesentlichen Fuhrparkdaten von HDI Gerling eingespielt werden“, sagt er. Die Vorteile dieser detaillierten Schadenserfassung liegen laut Hartmann auf der Hand: „Dank K-Control wissen wir ganz genau, wo wir stehen und an welchen Hebeln wir unter anderem bei unseren Fahrertrainings ansetzen müssen. Das bringt sehr viel.“ Und in welchen Bereichen im Nobilia-Fuhrpark sieht Poppe da Bedarf? „Ganz klar: bei den Rangier- und Streifschäden“, so der Riskmanagement-Experte. „Großschäden wie schwerere LKW-Unfälle auf Autobahnen, wie sie im gewerblichen Straßengüterverkehr häufiger wegen übermüdeter Fahrer passieren, kommen dagegen bei Nobilia zum Glück kaum vor“, sagt er. Allerdings habe der tiefe Wintereinbruch zum Jahreswechsel 2010/2011 die Schadenshäufigkeit in der Firma stark nach oben getrieben, erzählt er. Mit der Folge, dass im Jahr 2010 die Schadensanzahl bei insgesamt 388 gelegen habe, während sie in den letzten Jahren im Schnitt stets rund 250 betragen habe.Ein klares Signal an die LKW-FahrerFür Hartmann Grund genug, die Zahl der Fahrerschulungen nochmals zu erhöhen. Obwohl sein Unternehmen alljährlich sechs bis acht Schulungen durchführt, sattelte er nochmals fünf Winter-Trainings drauf. Noch weiß er allerdings nicht, ob sich dieser Mehraufwand für sein Unternehmen wirklich gerechnet hat. Viel wichtiger ist ihm aber, sagt er, „dass wir mit diesen Mehrschulungen unseren Fahrern das klare Signal gegeben haben, wie wichtig uns das Thema Schadensvermeidung ist“. Denn für Nobilia stünde beim Thema Riskmanagement weniger die reine Kostenersparnis im Vordergrund, betont Hartmann, sondern vielmehr die Gesundheit und Sicherheit der Fahrer sowie der hohe Qualitätsanspruch den eigenen Kunden gegenüber. Daher investiert Nobilia laut Hartmann stets in die modernste Fahrzeugflotte – „nach fünf, sechs Jahren tauschen wir die LKW aus“ –, aber auch in Fahrerassistenz-Systeme wie den Notbremsassistenten, auch wenn sie noch nicht vom Gesetzgeber vorgeschrieben sind. Zusätzlich bildet die Firma nicht nur LKW-Fahrer selbst aus, sondern bietet ihnen kontinuierlich interne Schulungen im Bereich Riskmanagement – im Zusammenspiel mit der HDI-Gerling-Tochter Sicherheitstechnik Kraftfahrzeuge. Mit Erfolg: Die Schadenshäufigkeit der Nobilia-LKW-Flotte dürfte gerade einmal halb so hoch sein wie in anderen Firmen der Möbelbranche, hat Poppe ausgerechnet. Ausruhen auf diesen Lorbeeren werden sich Hartmann und sein Team nicht. Das steht fest. Denn als Nobilia in 2001 einmal alle Fahrertraings mit HDI Gerling gestoppt hat, erzählt Poppe, da sei die Schadenshöhe und -häufigkeit gleich um 20 Prozent gestiegen. Das Wichtigste sei daher, rät der HDI-Gerling-Mann, dass eine Firma beim Riskmanagement jedes Jahr ihre Fahrzeugschäden neu analysiere und die Maßnahmen wie Fahrertrainings entsprechend darauf ausrichte. „Gelebtes Riskmanagement darf nie zum Standardprozess werden“, betont er. „Außerdem muss Riskmanagement – wie bei Nobilia auch – stets von der Firmenleitung ausgehen, nur dann wird das Thema von allen Mitarbeitern richtig gelebt.“ Und an welchen Schrauben will Hartmann in 2012 drehen, um noch weniger Schäden zu produzieren? „In diesem Jahr denken wir darüber nach, Teile der variablen Prämie, die einem Fahrer zusteht, an seine Schadenshöhe zu koppeln“, sagt er. Klar, dass ihn dabei wieder Poppe unterstützt ... ❙❚■ Eva HassaEin eingespieltes Team (von links): Klaus Hartmann (Nobilia) und Michael Poppe (HDI Gerling)Nobilia: So kommt die Küche zum Kunden Der Küchenhersteller Nobilia-Werke J. Stickling wurde 1945 im ostwestfälischen Verl gegründet und zählt heute 2150 Mitarbeiter, die 2010 einen Jahresumsatz von insgesamt 783 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Täglich 2200 Küchen produzieren die beiden Werke in Verl-Sürenheide und -Kaunitz für insgesamt 66 Länder weltweit. Die wichtigsten Absatzmärkte sind Deutschland, Frankreich, Belgien und Österreich.Nobilia setzt bewusst auf einen hohen Eigenanteil beim Fuhrpark und Zwei-Mann-Besetzung. 480 Sattelauflieger, 135 LKW und 240 Fahrer sind dafür verantwortlich, dass die Küchen inklusive Elektrogeräten des Herstellers an den Einzelhandel, die Fachgeschäfte und Mitnahme-/SB-Märkte ausgeliefert werden. Nur für Auftragsspitzen und auf bestimmten Auslandsrelationen setzt Nobilia auf Fremdspeditionen.Das Besondere an der Nobilia-Logistik: Nicht die Produktion bestimmt die Planung des Versands, sondern umgekehrt. Bei dem Hersteller werden die Küchen direkt auf den Auflieger produziert. Sprich: Die Tourenplanung bestimmt die Produktion, der Starttermin der Tour legt also zugleich den Termin fest, an dem die Küche fertig produziert und verladen sein muss. Binnen drei bis vier Wochen nach Eingang ihrer Bestellung erhalten die Kunden in der Regel in Deutschland und in Europa ihre Küchen geliefert. ehRiskmanagement„Auch für kleinere Fuhrparks sinnvoll“Riskmanagement im Fuhrpark lohnt sich, sagt Michael Poppe, bei HDI Gerling im Bereich Sicherheitstechnik Kraftfahrzeuge tätig. Etliche Versicherer monieren, dass die Schadensquote im Transport- und Logistikgewerbe in 2010 und 2011 deutlich angestiegen sei. Auch bei HDI Gerling?Michael Poppe: Ja, durch die anziehende Konjunktur hat sich die Fahrleistung und damit auch die Schadenshäufigkeit erhöht. Da die Prämien nicht parallel mit angestiegen sind, hat HDI Gerling eine deutlich erhöhte Schadensquote zu verzeichnen. Daher war eine Anpassung zum Jahreswechsel unumgänglich.Welche Art von Schäden sind besonders zu beklagen?Die breite Öffentlichkeit nimmt vor allem die schweren Unfälle auf Autobahnen wahr, die insbesondere auf zu geringen Sicherheitsabstand oder nicht angepasste Geschwindigkeit zurückzuführen sind. Tatsächlich liegt der Schadensschwerpunkt bei Rangier- und Streifschäden innerhalb von Ortschaften – sowohl was die Schadenanzahl als auch den Gesamtschadenaufwand angeht. Hier gilt es, mit Riskmanagement gezielt anzusetzen.Viele Betriebe setzen aber doch Riskmanagement schon erfolgreich um! Riskmanagement funktioniert aber nur, wenn es im Unternehmen über alle Bereiche gelebt wird. Sprich: von der Unternehmensleitung über die Disposition bis hin zu den Fahrern. Das ist natürlich mit Zeit und Kosten verbunden. Andererseits sinkt tatsächlich die Schadenshäufigkeit in den Speditionen, die in Riskmanagement investiert und die dafür notwendigen Maßnahmen auf ihren Betrieb zugeschnitten haben. Abgesehen davon kann ein Spediteur seine Fahrer auch im Rahmen der Berufskraftfahrer-Weiterbildung im Bereich Riskmanagement schulen. Wichtig ist aber, dass die Schulungen praxisnah auf die Unternehmenssituation abgestellt sind. Und als „Belohnung“ winken dann Prämiensenkungen von HDI Gerling?Wenn sich die Schadensituation dauerhaft verbessert, wird dies natürlich auch bei der Prämienkalkulation positiv berücksichtigt.Ab welcher Betriebsgröße lohnt sich erfahrungsgemäß Riskmanagement im Fuhrpark?Die Betriebsgröße ist nicht entscheidend. Riskmanagement lohnt sich auch für kleinere Fuhrparks. Dort lassen sich die Maßnahmen oft sogar gezielter und schneller umsetzen. Bei größeren Flotten ist es aufgrund der höheren Schadenanzahl natürlich leichter, Schadenschwerpunkte zu identifizieren, die Umsetzung ist allerdings meist aufwendiger. ehInterviewMichael Poppe

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