Verkehrspolitik im 100-Tage-Check: Erste Reformen angeschoben

100 Tage sind eine gern gesetzte Frist, die einer neuen Regierung zugestanden wird, um erste Erfolge vorzuweisen. Auch der neue Verkehrsminister Patrick Schnieder musste sich in diesem Sommer eben diesem Prozedere stellen. Wenngleich er mit der maroden Straßen- und Schieneninfrastruktur eine Mammutaufgabe vor sich hat, die sich kaum in einer Legislaturperiode, geschweige denn in 100 Tagen lösen lässt. "Moderne Verkehrspolitik ist kein Sprint, sondern ein Marathon", heißt es denn auch in der 100-Tage-Bilanz, die sich das Bundesministerium für Verkehr (BMV) selbst ausgestellt hat. Die Logistik- und Transportbranche wartet aber nicht nur auf sanierte Brücken und eine verlässlichere Bahn, sondern auch auf wichtige Gesetzesreformen. Und diese können mitunter auch Marathon-artige Züge bekommen. So wurden die Reformen des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) und des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes (BKrFQG) von der Vorgänger-Regierung zwar noch behandelt - durch das Ampel-Aus lagen sie aber lange auf Eis. Immerhin hat die neue Regierung die ersten 100 Tage auch dazu genutzt, die Vorhaben wieder anzuschieben. GüKG bis Jahresende in Kraft Den Referentenentwurf zur Änderung des GüKG hat das Kabinett in seiner Sitzung am 6. August beschlossen. Das BMV geht auf Nachfrage der VerkehrsRundschau von einem Inkrafttreten bis Jahresende aus. Damit wird nationales Recht an das EU-Recht (Mobilitätspaket I) angepasst. Ein wichtiges Element sei die Ablösung der bislang dezentral von den Ländern betriebenen Verfahren zur Risikoeinstufung von Güterkraftverkehrsunternehmen und Straßenpersonenverkehrsunternehmen durch ein zentrales System, erläutert das BMV. "Dies ist geboten, um eine Vernetzung mit den Systemen der übrigen Mitgliedstaaten der EU herzustellen. Damit werden unredliche Teilnehmer im Wettbewerb zukünftig besser erkannt und entsprechend engmaschiger überwacht", so eine Sprecherin. Darüber hinaus werde die nationale Erlaubnis zu Gunsten der bereits bestehenden EU-weit geltenden Gemeinschaftslizenz abgelöst. Zudem würden die Verordnungsermächtigungen überarbeitet, so dass insbesondere die Verkehrsunternehmensdatei-Durchführungsverordnung (VUDat-DV) ebenfalls an das aktuelle Unionsrecht angepasst werden kann. Sorge vor mehr Bürokratie Vor allem die VUDat-DV bereitet Branchenverbänden Sorgen. So warnt der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) davor, dass damit zusätzliche bürokratische Lasten für die Transportunternehmen verbunden werden. "Faire Wettbewerbsbedingungen können nicht durch zusätzliche Meldepflichten geschaffen werden, sondern durch mehr und effizientere Kontrollen", so der Verband auf Anfrage. Für Frank Huster vom DSLV Bundesverband Spedition und Logistik macht die Erfassung von Daten in der VU-Dat die Überprüfung rechtskonformen Verhaltens der Marktteilnehmer zwar einfacher. "Problematisch ist allerdings der Digitalisierungsgrad öffentlicher Stellen. Das BALM bietet Schnittstellen, doch die fehlende Anbindung mancher Kommunalverwaltungen bremst das Gesamtsystem", gibt er zu bedenken. Ziel müssten daher einheitliche Standards, verpflichtende elektronische Schnittstellen und ein durchgängig digitalisierter Workflow - von der Antragsstellung bis zur Überwachung - sein. Kritisch sieht Huster das Thema Kabotage: "Die Neufassung des GüKG festigt zwar die europäische Kabotage-Definition, trägt aber auch nicht zur Glättung des Flickenteppichs in Europa bei, der durch unterschiedliche Auslegungen der Mitgliedstaaten entsteht", so Huster. Reform des BKrFQG überfällig Die Regelungen des aktuellen Referentenentwurfs zur Änderung des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes (1. ÄndG BKrFQG) entsprechen überwiegend den Regelungen des Gesetzesentwurfs aus der 20. Legislaturperiode. Eine zentrale Neuerung ist, unter bestimmten Voraussetzungen digitalen Unterricht (E-Learning) in der Berufskraftfahrerausbildung einzusetzen. "Die Reform der Berufskraftfahrerqualifikation ist angesichts des akuten Fahrermangels mehr als überfällig", begrüßt der BGL den Vorschlag. Der Gesetzesentwurf geht aus dessen Sicht aber nicht weit genug. "Der Zugang zum Arbeitsmarkt für Berufskraftfahrer muss grundlegend vereinfacht und beschleunigt werden", so der Verband. Die Möglichkeit des E-Learnings sei "ein erster, aber nur kleiner Schritt", bemängelt auch Huster vom DSLV. Insbesondere sei der Gesetzgebungsprozess an sich "nicht optimal", weil er in Teilschritten erfolge. So werden im BKrFQG zunächst die erforderlichen Rechtsgrundlagen zur Speicherung der Daten über digitalen Unterricht im Berufskraftfahrerqualifikationsregister geschaffen. Der Gesetzesentwurf steht im Zusammenhang mit einer Mantelverordnung, die konkrete Regelungsinhalte zur Prüfung der beschleunigten Grundqualifikation in Fremdsprachen, zur Verkürzung der Grundqualifikation und zur Aufnahme der Ukraine in Anlage 11 Fahrerlaubnis-Verordnung umfasst. Die Mantelverordnung werde derzeit neu aufgesetzt, so das BMV. "Dadurch wird eine vorausschauende Planung für Unternehmen schwieriger", meint Huster. "Der Gesetzentwurf enthält keine Regelung zum langersehnten Einsatz ukrainischer Kraftfahrer", bemängelt auch der BGL. Zudem finde die in der Kommission Straßengüterverkehr vereinbarte Prüfung von Erleichterungen für die regelmäßige Weiterbildung in dem Gesetzentwurf keine Grundlage. Der Referentenentwurf befand sich laut Ministerium zuletzt in der Ressortabstimmung sowie der Länder- und Verbändeanhörung. Gelegenheit zur Stellungnahme gab es bis zum 15. August. Eine Kabinettbehandlung ist laut BMV für September geplant.