Offensiver Neustart

Die Brüder Georg und Joachim Kierdorf mischen wieder im Nachtexpresssegment mit. Neben dem Investmentfonds SSVP III haben sich die beiden Unternehmer im Juli mit insgesamt zehn Prozent an der Innight Express GmbH beteiligt, die im Mai den Geschäftsbetrieb von TNT Innight übernommen hat (siehe Kasten Seite 42). Georg Kierdorf ist nun CEO des Unternehmens, das ab sofort unter der neuen Marke "Nox Nachtexpress" auftritt, während Bruder Joachim als COO den Bereich Operations verantwortet. Damit kehren die beiden Brüder in das Unternehmen zurück, das sie mit ihrer Familie Mitte der 1980er unter dem Namen "NVS Kierdorf" gegründet und 1998 an die Jet Services SA, Lyon verkauft haben, die wiederum selbst ein Jahr später von der holländischen Post übernommen wurde. Ab dem Jahr 2000 firmierte diese ihre gesamten Nachtexpressaktivitäten unter der Dachmarke "TNT Innight". Ziel sind wieder schwarze Zahlen Eigentlich ist Georg Kierdorf studierter Jurist, war lange Jahre nach dem NVS-Kierdorf-Verkauf Top-Manager bei Deutsche Post DHL und zuletzt selbstständiger Sanierungsberater. Was ihn zurück ins Familienunternehmen trieb? "Einmal Logistik, immer Logistik", sagt Georg Kierdorf im Gespräch mit der VerkehrsRundschau und verrät dabei, er habe in den Jahren 2003 und 2004 TNT Innight schon einmal saniert - auf Bitte der holländischen Post. "Dieses Mal wird aber kein kurzes Gastspiel sein", betont er. Sieben Jahre seien realistisch. "Dann ist das Unternehmen wieder flott." Zur Ruhe kommt das Unternehmen wohl vorerst nicht. "Der Sanierungskurs wird hart werden", kündigt Georg Kierdorf an. Denn das Netzwerk erwirtschaftete zwar zuletzt mit über 1000 Mitarbeitern rund 200 Millionen Euro Umsatz und galt damit im Nachtexpresssegment als Marktführer. Gleichwohl schrieb die vormalige TNT-Tochter laut Bundesanzeiger rote Zahlen. 20 Millionen Euro Verlust sollen es im Jahr 2014 gewesen sein. Erste Maßnahme auf dem Weg nach vorne: Die Marke "TNT Innight" fällt: Neue Marke ist ab sofort "Nox Nachtexpress" - ein Rebranding, das sukzessive auch auf den Fahrzeugen der Subunternehmer in den kommenden Jahren erfolgen soll, führt Kierdof aus. Die weitaus größere Baustelle sieht der Geschäftsführer aber an anderer Stelle: "TNT Innight hatte in den vergangenen Jahren ein großes Qualitätsproblem - gepaart mit vielen strategischen Fehlentscheidungen", analysiert er: "Es war ein großer Fehler, alle Lagermitarbeiter zu kündigen und auf Mitarbeiter aus Zeitarbeitsfirmen zu setzen". Rein optisch habe dies zwar die Personalkosten reduziert. Auf der Dienstleister-Seite seien diese aber wieder aufgetaucht und gleichzeitig sei die Qualität gesunken, weil die Fluktuationsquote von Zeitarbeitern in der Regel höher sei als bei fest angestellten Mitarbeitern. Statt Leiharbeiter, eigenes Personal Georg Kierdorf: "Wir drehen deshalb jetzt das Thema Zeitarbeit zurück und stellen wieder feste Mitarbeiter ein. "Die Dienstleistung Nachtexpress lebt vom Vertrauen der Kunden und der Branchenkenntnis der Mitarbeiter", betont er. Sein Anspruch ist: "Nachtexpress bedeutet pünktlich, vor Arbeitsbeginn, unbeschädigt, vollständig und am vereinbarten Platz zugestellt." Im Umschlagbereich will er deshalb wieder auf eigenes Personal setzen, das im Umgang mit empfindlichen Waren geschult wird. Denn gerade im Nachtexpresssegment werde aufgrund der zu befördernden Teile, etwa Karosserie- und Ersatzteile, nach wie vor sehr stark händisch gearbeitet. "Eine automatische Sortierung wie im Paketgeschäft ist in unserem Segment aufgrund der unterschiedlichen Sendungsgrößen nicht machbar". führt er aus. "Unsere Qualität im Umschlag steht und fällt mit den Mitarbeitern", sagt er. "Und da werden wir jetzt investieren." Kosten sparen will der neue Geschäftsführer hingegen durch weniger Hub-Verkehre. "Wir müssen wieder mehr über Direktverkehr abwickeln", gibt er die Zielrichtung vor. "Jeder zusätzliche Umschlag über ein Hub kostet Geld, das wir einsparen können", betont er. Die beiden Hubs in Fulda und Würzburg will er aber nicht abschalten. Diese seien gerade in Zeiten des Sendungs-Überhangs unerlässlich. Ziel müssten aber mehr Direktverkehre sein. Kundenservice wieder vor Ort Das zentrale Call Center, das TNT Innight vor Jahren aus Kosten-Gründen eingeführt hat, will der umtriebige Unternehmer hingegen abschaffen, kündigt er im Gespräch an. "Besonders die bisherige Trennung im Kundenservice zwischen dem sogenannten Frontoffice- und Backoffice soll fallen", führt er aus. "Wir wollen damit aber nicht Mitarbeiter abbauen", sagt er. Ziel sei es vielmehr, Mitarbeiter im Kundenservice wieder dezentral in den regionalen Niederlassungen vor Ort zu haben, die dann für alle Servicebelange, also auch für Reklamationen, zuständig sein sollen. "Wir müssen für unsere Kunden wieder erreichbar sein", betont Kierdorf. "Nur so können wir Kunden binden - auch ohne massive Rabatte, wie dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist." Apropos Preise: Da packt der Geschäftsführer ein besonders heißes Eisen an: das "Tarifwerk", in dem die mit Kunden ausgehandelten Konditionen hinterlegt sind. Viele Tausend unterschiedliche Tarife umfasste das Werk bisher. Zu komplex, zu aufwendig sei dies, sagt Kierdorf. Künftig soll es daher nur noch wenige, verschiedene, sauber strukturierte Tarife geben. Die Preise nach dem Gießkannenprinzip anheben will er aber nicht - "nur gezielt und kundenspezifisch". Frachtführer-Preise nicht mehr drücken Selbst die Bezahlung der Subunternehmer, die für Nox Nachtexpress fahren, hat Kierdorf im Blick. Auch hier wolle er Fehler aus der Vergangenheit korrigieren, kündigt er an. Fehler sei es zum Beispiel gewesen, durch immer neue Ausschreibungen der Touren die Kosten im Frachtführer-Einkauf zu senken, sagt er. Er könne diese Entscheidung zwar nachvollziehen, da die Subunternehmer der größte Kostenblock des Unternehmens seien. Andererseits weiß Kierdorf auch: Niedrigpreise gehen nicht nur zulasten der Profitabilität des Subunternehmer, sondern schadeten letztlich auch der Qualität von Nox. "Was bringt es mir, wenn Unternehmer ausscheiden und ich dann 400 neue Kundenschlüssel einfordern muss?" Kierdorfs Ziel ist es deshalb: "Wir wollen gute Bedingungen und eine faire Bezahlung für leistungsfähige und leistungswillige Frachtführer schaffen." Denn auf eigene Fahrer und eigene Fahrzeuge will der Nachtexpressdienstleister auch künftig nicht setzen. "Das Subunternehmer-Modell hat sich für uns bewährt", betont er. "Daran halten wir fest, denn Subunternehmer lassen sich viel präziser steuern und das ist letztendlich für die Qualität entscheidend." Bleibt schlussendlich eine Baustelle offen: der Ausbau des Europa-Netzes. Aber auch hier ist Kierdorf kräftig dran: So wurde die österreichische Innight-Gesellschaft bereits in den Nox-Verbund integriert und die Niederlande und Belgien sollen bis Anfang Oktober folgen. Viel zu tun also. Doch der Geschäftsführer gibt sich zuversichtlich: "Das Marktvolumen für Nachtexpress in Europa liegt bei über einer Milliarde Euro. Und dieser Markt ist längst nicht zu Ende entwickelt", sagt er. In Deutschland sei man zwar schon weit, in anderen Ländern - vor allem in Ost-, Südost- und Südeuropa sieht er aber noch sehr viel Nachholbedarf. Ausbau des internationalen Netzes Denn eines ist für den Unternehmer klar: Die große Stärke von Nox war und ist das internationale Netzwerk. "Wir haben schon vor vielen Jahren in 26 Ländern Nachtexpressservice angeboten. Nur haben wir das in den vergangenen Jahren etwas verlernt. Das bauen wir jetzt wieder auf - von Deutschland aus." Gut möglich also, dass der 52-Jährige in nächster Zeit viel unterwegs sein wird - auf der Suche nach zuverlässigen Partnern. "Denn es gibt leider nicht viele internationale Dienstleister, die in ihrem Land flächendeckend Nachtexpress anbieten und in die wir einspeisen können." Gerade in der Ersatzteil-Logistik, in der Nox tätig ist, in der Sendungen weitestgehend ohne Gewichts- und Volumenbeschränkung fallweise binnen 18 Stunden international zugestellt werden müssen, ist dies laut Kierdorf dies ein großes Problem. Zumal der Nachtexpress-Spezialist diese noch ausschließlich auf der Straße abwickelt. Aber auch das, verrät Kierdorf, könnte sich in den nächsten Jahren ändern. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier KEP www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten & Fakten Aus TNT Innight wird Nox Nachtexpress Die Innight Express Germany GmbH übernahm im Juni 2016 den Geschäftsbetrieb des Logistikdienstleisters TNT Innight GmbH & Co. KG im Rahmen eines Asset Deals. Gleichzeitig wurde die TNT Innight Austria in den Firmenverbund integriert. Im Zuge dessen wurde die Geschäftsführung neu besetzt: Die beiden Kölner Unternehmer Georg Kierdorf und Joachim Kierdorf, die auch Mitinvestoren sind, führen als CEO und COO nun den Nachtexpress-Spezialisten. Mehrheitseigner sind die von der Orlando Management beratenen SSVP III Fonds.Nach dem Inhaberwechsel tritt TNT Innight nun unter der neuen Marke"Nox Nachtexpress" auf. Damit verschwindet die Marke TNT aus dem Nachtexpressgeschäft. Die Unternehmen mit Sitz in Mannheim und Wien haben nach eigenen Angaben über 1000 Mitarbeiter und machten zuletzt einen Umsatz von über 200 Millionen Euro. In Deutschland hat Nox 23 Standorte. Die zwei Hubs sitzen in Fulda und Würzburg. Zudem gibt es Länderorganisationen in den Niederlanden und Belgien, die im Laufe des dritten Quartals in die Gruppe aufgenommen werden sollen. Zusammen mit Netzwerk-Kooperationen in 15 Ländern hat der Nachtexpress-Dienstleister zuletzt jährlich über zehn Millionen Sendungen europaweit zugestellt. eh