Nur Mut!

Die Botschaft von Robert Blackburn bei der Eröffnung des 36. Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin war eindeutig: "Erfolg ist von Mut abhängig", rief der Vorstandsvorsitzende der Bundesvereinigung Logistik (BVL) den über 3200 Kongressteilnehmern zu. "Courage ist eine Mischung aus Selbstvertrauen und Entschlossenheit und ein gutes Mittel gegen selbsterfüllende Prophezeiungen, gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten." "Mutig machen", das Motto des diesjährigen Kongresses, liege ihm deshalb sehr am Herzen, betonte Blackburn. Denn die Lage in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sei aktuell unsicher. "Es fühlt sich an wie in den Jahren 2008/2009, nur dass die Kurvenverläufe nicht so steil sind." So zeigen derzeit wichtige Frühindikatoren nach unten. Die weltweite Aircargo-Transportleistung sei schon zehn Monate in Folge gesunken. Auch die Indizes im Produktionseinkauf in der Industrie seien abwärts gerichtet und erste Konsequenzen in der Personalpolitik würden gezogen. In konjunkturschwachen Zeiten wie diesen, so der BVL-Mann, hätten die Notenbanken früher die Zinsen gesenkt, um die Konjunktur anzukurbeln. "Das geht angesichts der Nullzinsphase jedoch derzeit nicht und das macht Sorge.""Aber Logistiker sind Macher, Wirtschaftsmacher. Sie wissen, wie man sich strategischen und operativen Herausforderungen stellt", machte Blackburn den Teilnehmern Mut. Er fordere die Unternehmen zum Tun auf, den Herausforderungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft unverzagt zu begegnen und mutige Ideen umzusetzen. "Gerade die Digitalisierung", ist er überzeugt, "birgt für unseren Wirtschaftsbereich große Chancen. Die Logistik ist Treiber der digitalen Veränderung und die Schlüsselfunktion der Zukunft. Darin stecken sehr, sehr große Chancen." Daten sind das neue Gold "Durch die Digitalisierung von allem und durch die künstliche Intelligenz in allem wird sich alles für alle ändern", betonte auch Professor Michael ten Hompel, Leiter des Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik (IML). An den dafür notwendigen technologischen Voraussetzungen wird es den Logistikern aber nicht fehlen, und viele davon sind auch bezahlbar, sagte er. Beispiele sind für ihn die Live-Paletten-Tracking-Lösung "Low-Cost-Tracker" von Deutsche Telekom, Fraunhofer IML und EPAL. Weitere Helfer sind etwa künstliche Intelligenz (KI) in Verbindung mit autonomen Fahrzeugen, Drohnen, Augmented Reality, vor allem der 5G-Mobilfunkstandard, mit dem sich fördertechnische Netze künftig fast in Echtzeit steuern lassen. Was ten Hompel aber derzeit besonders umtreibt, ist das Thema der Plattformökonomie. So werde jetzt auch in der B2B-Welt der Logistik die Plattformökonomie verstärkt Einzug halten. "Logistik ist vollständig algorithmierbar. Wir haben hier klare Regeln, klare Algorithmen, die sich relativ einfach digitalisieren lassen - in der Disposition, aber auch in der Steuerung von logistischen Systemen", erklärte der Logistikexperte. Zudem bewege die Logistik die Warenflüsse und damit im Wesentlichen die Wirtschaft. Mit der Folge, dass verstärkt Internetplattformen und milliardenschwere Start-ups aus China und den USA in die Logistik drängen. Und deren Interesse ist klar: "Daten sind das neue Gold", sagte ten Hompel. Denn mit ihnen lassen sich ganz neue Geschäftsmodelle schaffen, auch auf Basis künstlicher Intelligenz. Eines der herausragenden Themen der Zukunft für Unternehmen sei es daher, ihre Datensouveränität sicherzustellen. Sprich: Derjenige, der die Daten erzeugt, muss auch künftig die Kontrolle darüber behalten können, was mit seinen Daten geschieht, die er den anderen bereitstellt. Und genau an einem solchen sicheren Datenraum arbeite aktuell die Initiative "International Data Spaces IDS", an der schon rund 100 Unternehmen teilnehmen. Fraunhofer SCS: Logistik wächst Positiv auch: Die aktuelle und mittelfristige Wirtschaftslage des europäischen und deutschen Logistikmarktes ist (noch) in Ordnung. Zu diesem Schluss gelangt die Studie "Top 100 in European Transport and Logistics Services 2019/2020", die die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) zum Deutschen Logistik-Kongress präsentierte. Demnach ist die europäische Logistik trotz steigender wirtschaftlicher Unsicherheit in 2018 um 3,7 Prozent gewachsen. Und die deutsche Logistik ist mit rund 278 Milliarden Euro Umsatzvolumen nach wie vor der größte Logistikmarkt in Europa. Auch in diesem Jahr rechnet Studienautor Martin Schwemmer hier wieder mit einem Umsatzwachstum um 2,5 Prozent, in 2020 mit 2,7 Prozent Umsatzplus und 2021 könnte vielleicht gar die 300-Milliarden-Euro-Marke geknackt werden. Und für den europäischen Logistikmarkt prognostiziert er sowohl für 2019 als auch für 2020 ein Umsatzwachstum von drei Prozent. Der Lkw bleibt, weil er flexibel ist Die Logistik ist Leistungsträger. Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), bezeichnete die Logistik gar als "die innovativste Branche in Deutschland". Doch seien die Logistiker schlechte Eigenvermarkter. "Wir müssen mehr Marketing betreiben, um die Branche besser zu positionieren", forderte er. Dezidierte Aussagen machte er auch zum Transport der Zukunft, den er sich wie folgt vorstellt: mit einem LNG-Schiff, mit autonomen Lkw, mit Gütern, die in Röhren befördert werden. Noch ist das Zukunftsmusik. Sein Haus tue aber alles, damit ein solches Szenario Wirklichkeit werde, sagte er und nannte die Maßnahmen aus dem Innovationsprogramm Logistik 2030 sowie die hauseigene Blockchain-Strategie. Neben der Digitalisierung bezeichnete Scheuer den Klimawandel als zweite große Herausforderung. Von dem Klimaprogramm werde auch die Bahn profitieren, was seiner Ansicht nach auch notwendig ist: "Ich bin überhaupt nicht zufrieden mit der Leistung der Güterbahn. Die muss schneller und flexibler werden." Auch, um die zusätzlichen Mengen transportieren zu können. Denn bis 2030 seien alleine im Kombinierten Verkehr 3,5 Millionen zusätzliche Ladeeinheiten zu erwarten. Doch auch der Lkw kam nicht zu kurz: "Der Lkw bleibt, weil er flexibel ist", sagte Scheuer. Aber die Hardware werde sich ändern. "Wir bleiben technologieoffen, weil wir nicht sagen können, was in 15 Jahren der Antrieb sein wird, der sich durchsetzt." Bis 2020 hoffe er aber, dass die ersten 100 wasserstoffbetrieben Lkw im Markt sein werden. Mehr zum Thema im Dossier Trends & Innovationen www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Der Deutsche Logistik-Kongress in Berlin wird alljährlich von der Bundesvereinigung Logistik (BVL) organisiert. In diesem Jahr stand er unter dem Motto "Mutig machen" - auch vor dem Hintergrund der sich abschwächenden Konjunktur. Der Kongress zeigte aber auch: Es gibt nach wie vor viele Chancen - gerade durch die Digitalisierung. BVL-Studie: Das Tempo in Großstädten sinkt Der Verkehr in deutschen Großstädten bewegt sich immer langsamer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und Here Technologies, die jetzt auf dem Deutschen Logistik-Kongress vorgestellt wurde. Basis der Untersuchung sind 58 Milliarden Verkehrsdatenpunkte und die Einschätzungen von rund 400 Logistikern.Düsseldorf ist am langsamstenZentrale Ergebnisse sind: Mit 35,6 Stundenkilometern (km/h) im Tagesdurchschnitt auf den Hauptverkehrsadern fließt der Verkehr in Düsseldorf in ganz Deutschland am langsamsten. Aber auch in Köln, Stuttgart, Frankfurt oder Hamburg zeigt die Tachonadel nicht höher als 38 km/h. Im Gegensatz dazu zählen Bremen und Dresden mit jeweils 42 und 41 km/h zu den Spitzenreitern. Blickt man auf die nachmittägliche Rushhour, scheint sich in ganz Deutschland ein Tempo von 30 km/h etabliert zu haben. In Berlin und Frankfurt bewegt sich der Verkehr dann teilweise sogar nur mit 17 km/h. Mehr als die Hälfte der Befragten will nun, wie die Studie der BVL zeigte, stärker auf Nachtlieferungen setzen, um der steigenden Verkehrsproblematik aktiv zu begegnen. Außerdem planen viele den verstärkten Einsatz dynamischer Software zur Tourenplanung und zum Zeitfenstermanagement. Verbesserungspotenzial sehen Logistiker zudem bei den Kommunen. Als Stellschrauben werden hier Baustellenplanung, Verkehrsleitung, Ampelschaltungen und Tempolimits genannt. eh

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