Oldenburg. Erst knapp 60 Jahre nach seiner Gründung hat das Land Niedersachsen seine Küste entdeckt. „Wir haben gerade noch die Kurve gekriegt“, sagt der Chef der Marketinggesellschaft „Seaports of Niedersachsen“, Andreas Bullwinkel, zu der erst 2004 gestarteten Vermarktungsstrategie für die acht Häfen. Bis dahin seien Brake, Cuxhaven, Emden, Leer, Nordenham, Oldenburg, Papenburg und Wilhelmshaven kaum wahrgenommen worden. „Jetzt sind wir mit einem Jahresumschlag von 66 Millionen Tonnen die zweitgrößte deutsche Hafengruppe.“ Dass die Standorte der Hafengruppe Dutzende Kilometer Luftlinie auseinander liegen, stört Bullwinkel nicht: „In Rotterdam sind die Distanzen zwischen den Hafenteilen genauso groß.“ Wichtiger sei es, dass die hafenwirtschaftlichen Aktivitäten an Ems, Jade, Hunte, Weser und Elbe als einheitlich wahrgenommen werden. „Jeder einzelne Hafen ist allein zu klein“, sagt Bullwinkel, „deswegen wurden sie aus dem Ausland kaum beachtet.“ Nicht nur aus dem Ausland fehlte viele Jahre die Aufmerksamkeit. „Hannover steht mit dem Rücken zur Küste“, lautete bis in die 90er Jahre die Meinung im Norden, erinnert sich der Verkehrs- und Hafenexperte der Industrie- und Handelskammer Oldenburg, Michael Ahrens. Der späte Bau von Autobahnen, nicht elektrifizierte Schienenverbindungen und mangelnde Infrastruktur-Investitionen in den Häfen waren die Folgen. Dass sich das Land nicht für die Küste interessierte, habe nachvollziehbare Gründe, meint Ahrens: „Zunächst ist das ganze Geld in den Aufbau der frisch gebackenen Landeshauptstadt Hannover geflossen.“ Dann zog der strukturschwache Zonenrand die Aufmerksamkeit auf sich. Schließlich geriet der Nordwesten aus dem Blickfeld, weil er sich nicht so laut wie andere Regionen ins Gespräch brachte. Angestoßen vom damaligen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel (SPD) und seiner parteilosen Wirtschaftsministerin Susanne Knorre startete das Land ab 2000 zur großen Aufholjagd auf die Häfen Bremens. „Wir sind gut aufgestellt“, verweist Bullwinkel auf die interne Arbeitsteilung. Automobil- und RoRo-Umschlag in Emden, Massengut wie Erz, Kohle und Getreide an der Weser, Öl in Wilhelmshaven - das sind die Hoffnungsgüter der Hafenwirtschaft. „Wir setzen auf flächenintensiven Umschlag, den Hamburg und Bremerhaven wegen der Konzentration auf das Containergeschäft nicht so intensiv abdecken können“, sagt Bullwinkel. Mit dem Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven baut Niedersachsen künftig auch auf das Geschäft mit den genormten Blechboxen. Wenn dessen Zuwachsraten anhalten, könnte für Bullwinkel ein Traum wahr werden: „Vielleicht sind wir 2020 die Nummer eins unter den deutschen Hafengruppen.“ Allerdings könnte ihm der Bund einen Strich durch die Rechnung machen, meint Bullwinkel. „Berlin steht mit dem Rücken zur Küste“, argwöhnen viele Hafenunternehmer. Als Bremser sehen sie dabei ausgerechnet jenen Politiker, den sie vor wenigen Jahren noch als Beschleuniger feierten: Gabriel. Als Bundesumweltminister werde er unter Umständen den von der Hafenwirtschaft als unverzichtbar betrachteten Ausbau von Ems, Außen-, Unter- und Mittelweser sowie der Elbe behindern, fürchten die Unternehmen an der Küste. (dpa/tz)
Niedersachsens Küste spürt Rückenwind aus Hannover
Vermarktungsstrategie für die acht Häfen zeigt Wirkung – mit Jahresumschlag von 66 Millionen Tonnen zur zweitgrößten deutschen Hafengruppe entwickelt