Neue Logistikstrukturen im Hinterland

Von Peking bis Zhongshan: In mittlerweile 16 chinesischen Städten ist der familiengeführte Kemptener Logistikkonzern Dachser heute mit Büros vertreten. Dabei ist Dachser erst 2003 in der Volksrepublik gestartet. Der Ausbau dürfte noch längst nicht zu Ende sein. "China wächst weiter und das bietet auch ausländischen Unternehmen jede Menge Möglichkeiten", sagt Thomas Reuter, Chief Operating Officer Air & Sea Logistics bei Dachser. Die Volksrepublik hat in den vergangenen 35 Jahren einen beeindruckenden Aufstieg zum weltgrößten Produktionsstandort hingelegt. Noch 1980 kam das Riesenreich gerade auf Platz sieben unter den größten Herstellern von Konsum- und Industriegütern weltweit. Bis 2011 hat China nicht nur die bis dahin erstplatzierten USA überholt, sondern dank des Aufschwungs binnen einer Dekade das Pro-Kopf-Einkommen verdoppelt. Die Logistikmärkte verschieben sich Begonnen hat die Entwicklung an den Küsten. Noch um die Jahrtausendwende war das Perlflussdelta im Süden der mit Abstand wichtigste Produktionsstandort. Entsprechend konzentrierte sich die - seinerzeit vorrangig exportlastige - Logistik auf den benachbarten Hafen von Hong Kong. Schnell entstanden neue Produktionszentren, fast ausschließlich entlang der östlichen Küstenregionen. Zwar hatte die Regierung 2001 eine "Go-West-Strategie" ausgerufen, um Wohlstand auch den westlichen Provinzen zugute kommen zu lassen. Es dauerte aber fast eine Dekade, bevor im Westen zwischen Yunnan und Gansu Unternehmensansiedlungen in größerem Stil begannen. "Die östliche Küstenregion einschließlich des Perlflussdeltas, der Jangtse-Mündung und der Region Bohai waren traditionell die Hotspots der wirtschaftlichen Aktivität und damit auch der Logistikangebote", erläutert Reuter. Auch heute noch sei ein Großteil des Geschäfts hier konzentriert. "Aber wir haben auch viel Geschäft nach Westen ziehen sehen und daher auch dort unsere Präsenz ausgebaut." Ein Blick auf globale Hafen-Rankings verdeutlicht die Bedeutung von Chinas Küsten. Unter den Top 10 weltweit finden sich sieben chinesische Häfen, die 2013 zusammen 140 Millionen TEU (20-Fuß-Container) umgeschlagen haben. Erstaunliche Erfolgsgeschichten gehören dazu, wie etwa Ningbo: Vor einem Jahrzehnt waren die Häfen in Rotterdam oder Hamburg noch fast doppelt so groß. In der Zwischenzeit wuchs in Ningbo trotz der Nähe zum weltgrößten Verladepunkt Shanghai der Umschlag um das Viereinhalbfache. "Mit 235,6 Containern in der Stunde haben wir hier die schnellste Ladegeschwindigkeit der Welt dank unserer gut ausgebildeten Arbeiter und zehn Kaikräne", sagt Wei Jiang, Geschäftsführer der Ningbo Port Group. Auch die Flughafeninfrastruktur wurde - und wird weiter - massiv ausgebaut. Zwischen 2011 und 2016 sollen 45 neue Airports die Gesamtzahl im Land auf 220 anheben. Ältere Flughäfen werden modernisiert oder komplett ersetzt. Beispiel Kunming: In der Hauptstadt der südwestlichen Provinz Yunnan wurde 2012 das zweitgrößte Terminal-Gebäude des Landes mit zwei Runways und 66 Gates eröffnet. Zu den wichtigsten Cargo-Flughäfen des Landes zählen Hong Kong, Shanghai, Peking, Guangzhou und Shenzhen. Für die Produktion haben sich in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche neue Schwerpunkte, auch abseits der Küsten, gebildet. Im Nordosten ist rund um die Metropolen Harbin, Changchun und Shenyang ein wichtiger Knoten für die Automobilindustrie entstanden. Autobauer sind auch stark rings um die Bohai-Bucht, im Jangtsedelta sowie zwischen den zentralen Städten Zhengzhou und Wuhan vertreten. Immer mehr Produzenten verteilen ihre Herstellung über das Land. So hat Foxconn aus Taiwan über Jahre ausschließlich in Shenzhen Teile für Mobiltelefon- und Computerhersteller gefertigt. Inzwischen ist ein weiteres riesiges Produktionsgelände in Zhengzhou entstanden, ferner produziert Foxconn unter anderem in Huizhou, Chengdu und Wuhan. Durch diese größere regionale Verbreitung versuchen die Konzerne zusätzliche Arbeitskräfte anzuziehen. Die Vernetzung der Standorte in der Fläche, aber auch die rasch wachsende Bedeutung des Binnenmarktes, machen die Distribution innerhalb des Landes immer wichtiger. Das Netzwerk von Schnellstraßen legt davon Zeugnis ab: Seit 2011 ist es länger als jenes der Vereinigten Staaten. Inzwischen umfasst es 111.950 Kilometer, allein 7450 Kilometer wurden 2014 neu gebaut. Bahn steht im Abseits - noch Die Eisenbahn spielt dagegen bisher noch eine Nebenrolle. Während 2008 noch 22,8 Prozent der Frachttransporte auf die Schiene entfielen, waren es fünf Jahre später nur noch 17,4 Prozent. Beim Hinterlandverkehr der Häfen spielt die Bahn mit einem Anteil von 1,3 Prozent im Containerverkehr praktisch gar keine Rolle. Aber auch auf der Schiene ist ein Ausbau geplant. Bei den Logistikanbietern regiert vielerorts nach wie vor das Prinzip "Klein-Klein". "Wegen einer ganzen Reihe von Gründen herrscht im chinesischen Logistikmarkt nach wie vor eine extreme Fragmentierung, das Qualitätsniveau unterscheidet sich teilweise von Stadt zu Stadt", sagt Reuter. Zu den Gründen gehören etwa administrative Hürden wie die regionale Zuständigkeit von Zollbehörden. "Gewisse Dienstleistungen, die in Deutschland selbstverständlich sind, sind in China noch längst nicht überall vorhanden." Nach Aussagen von Experten gehören dazu unter anderem moderne Lagerhäuser und Warenverteilzentren. In vielen Regionen seien Angebote wie Temperaturkontrolle nur schwer oder gar nicht zu finden.Doch auch hier gilt: China bewegt sich rasch. Ein Beispiel ist die Sparte der Expressdienste. Das Wachstum des Online-Shoppings - den Bruttoumsatz im E-Commerce schätzen Marktforscher von I-Research für 2014 auf 1800 Milliarden Euro, ein Plus von 21,3 Prozent - hat zu einer schnellen Professionalisierung der Paket- und Zustelldienste geführt. Bis 2009 noch weitgehend ein Monopol der staatlichen Post, hat inzwischen der private Anbieter SF Express einen Marktanteil von einem Fünftel erreicht. In seinem Fahrtwind buhlen weitere Anbieter wie STO Express, YTO Express oder Best Express um weitere Aufträge. Ansprechpartner Zai nali? Wohin? - Wichtige Anlaufstellen vor Ort - Die deutsche Handelskammerorganisation unterhält ein großes Netzwerk von Büros und Beratungsstellen in China. Neben fünf Hauptbüros (Peking, Shanghai, Guangzhou, Hong Kong und Taipei) bestehen weitere Büros an Standorten, in denen es einiges deutsches Engagement gibt. http://china.ahk.de/de/- Die deutschen Landesbanken BayernLB und LBBW unterhalten in Peking und Shanghai sogenannte German Centres. In den Centres bieten Ansprechpartner Beratung, außerdem besteht die Möglichkeit, in den Räumlichkeiten ein Büro zu eröffnen: http://www.germancentre.com/- Auch eine Vielzahl spezialisierter Beratungsunternehmen bietet Hilfe beim Markteintritt. Diese Auswahl zeigt einige der Anbieter mit guten Verbindungen nach Deutschland:http://www.koehlerservices.com/en/koehler-group-de: spezialisiert auf Markteintritt, Unternehmensgründung, Steuerberatung und Personalverwaltung. http://www.fiducia-china.com/de: spezialisiert auf Firmengründung und -kauf, Personalauswahl, Sourcing, Auslagerung von Geschäftsbereichen etc. http://www.mahncke.biz/de/index.php?: spezialisiert auf logistische Dienstleistungen. cw