Mehr Chemiegüter auf die Bahn

Mehr Chemiegüter auf die BahnSchon heute fahren viele chemische Güter Bahn. Nun hat die Deutsche Bahn einen Masterplan Schiene aufgelegt, um in Südost-bayern noch mehr Verkehre zu gewinnen.Ein Städtchen in Bayern – ruhig, beschaulich. Der Bahnhof von Burghausen ist klein. Auch die Züge, die einfahren, erscheinen mit ihren zwei Waggons eher wie Miniaturformate – zumindest die Personenzüge. Von Güterzügen weit und breit keine Spur. Aber das soll sich ändern. Schon jetzt transportieren die hier ansässigen Unternehmen – in erster Linie die chemische Industrie – drei Millionen Güter jährlich auf der Schiene von und nach Burghausen. Tendenz steigend. Bis 2015 rechnen die Deutsche Bahn (DB) und ansässige Unternehmen mit einer Verdoppelung des Transportvolumens auf knapp sechs Millionen Tonnen jährlich (s. Grafik Seite 24).Um diesem Aufkommen Herr zu werden, haben sich Vertreter der DB, aus Wirtschaft und Politik an einen Tisch gesetzt und einen Masterplan ins Leben gerufen. Herausgekommen ist der „Masterplan Schiene Chemiedreieck Bayern“. Dieser beinhaltet aus Sicht der Beteiligten notwendige Maßnahmen sowie Zeitfenster, bis wann diese umgesetzt werden sollen. Geld fließt auch in Rollmaterial und in die Elektrifizierung der StreckeDazu zählt jedoch nicht nur der Ausbau der Infrastruktur, sondern auch der Einsatz von leiserem und umweltfreundlicherem Rollmaterial und die Elektrifizierung der Strecken. Ziel des Masterplans ist es, Wege zu beschreiben, wie die steigende Transportnachfrage in der Region bewältigt werden kann. „Wir wollen mehr Verkehr auf die Schiene bringen, wo die Schiene ein ideales Verkehrsmittel ist“, sagte Norbert Bensel, Vorstandsvorsitzender von DB Logistics, anlässlich der Vorstellung des Masterplanes.Viele Gefahrgüter fahren Bahn Gegenüber der Konkurrenz auf der Straße gilt die Bahn als umweltfreundlicher und sicherer. Hinzu kommt, dass die Bahn im Gegensatz zum LKW in der Lage ist, die Mehrmengen mit einer unterproportional wachsenden Zahl von Fahrten aufzunehmen. „Es ist wichtig, die Züge so lang und so schwer zu machen wie möglich“, sagte Bensel.Die chemische Industrie ist eine Branche, die für volle Züge sorgen könnte. „Schon heute sind 14 Prozent aller Güter, die Railion transportiert, Gefahrgut“, erläuterte Bensel. Dafür gibt es auch einen guten Grund. Denn die Bahn hat gegenüber anderen Verkehrsträgern den Vorteil eines spurgeführten Verkehrsweges, einer zentralen Betriebssteuerung und -überwachung sowie das Fahren nach Fahrplan. Daher werden besonders gefährliche Güter vom Gesetzgeber von bestimmten Mengen an wegen des größeren Unfallrisikos von der Straßen grundsätzlich auf die Bahn oder das Binnenschiff verwiesen. Es wundert also nicht, dass die chemische Industrie und die Güterverkehrssparte der DB, Railion, eng zusammenarbeiten. „Traditionell herrscht eine gute Beziehung zwischen den Chemiekunden und der Bahn“, erklärte Bensel. Jedes große Chemieunternehmen in Deutschland sei Kunde der DB AG. „Denn Chemiegüter sind bahnaffine Transportgüter“, so der Chef von DB Logistics.Der Name „Masterplan“ ist kein ZufallDass das neue Konzept für den Schienengüterverkehr in Südostbayern Masterplan genannt wird, ist im Übrigen kein Zufall. Denn es soll Eingang finden in den vom Bundesverkehrsministerium initiierten Masterplan Güterverkehr und Logistik. Bei der DB hofft man, dass der Masterplan Schiene beim Ausbau der Schieneninfrastruktur und der Forderung, vermehrt Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern, bundesweit als Vorbild dienen könnte.Im Mittelpunkt des Masterplans für Südostbayern steht der Ausbau der Strecke München-Mühldorf-Freilassing, der auch im Bundesverkehrswegeplan enthalten ist. Bis 2015 soll die Streckenerweiterung zu weiten Teilen realisiert sein. „Die Infrastruktur darf nicht zum Flaschenhals der Wirtschaft werden.“ Mit diesen Worten unterstrich Otto Wiesheu, Vorstand Politik und Wirtschaft DB AG, die Wichtigkeit der Maßnahmen. Für den Masterplan sei die Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen von großer Bedeutung, da der Verkehrszuwachs auf der Schiene eine Anpassung der Streckenkapazitäten erfordere. „Der jüngst erfolgte symbolische Spatenstich bei Mühldorf steht am Anfang einer Reihe von Verbesserungen“, sagte Wiesheu. Er gibt aber auch zu bedenken, dass die Bahn in Bezug auf die Finanzierung des Infrastrukturausbaus vom Bund abhänge.Kurzfristig soll der Anstieg des Schienengüterverkehrs in der Region durch neue Betriebskonzepte aufgefangen werden. Dazu gehören Maßnahmen wie weniger Zugbewegungen und Lokleerfahrten, neue Rangierkonzepte sowie der Einsatz von leistungsstärkerem und umweltfreundlicherem Rollmaterial. So genannte Flüsterbremsen an Güterwagen sollen zudem einen Beitrag zum Lärmschutz leisten und ergänzen den Maßnahmenkatalog. Insgesamt will Railion in den kommenden fünf Jahren 1,8 Milliarden Euro in neues Rollmaterial investieren. Das sei notwendig, um das erwartete Wachstum abfahren zu können. Die Vertreter der chemischen Industrie begrüßen den Masterplan. In den kommenden Jahren seien Investitionen in Millionenhöhe in den Standort ebenso wie in Infrastrukturprojekte geplant. Derzeit produzieren die 80 bis 100 Kilometer östlich von München angesiedelten Chemie-unternehmen unter anderem Erdölprodukte, Reinstsilicium, Kunststoffe, Spezialchemikalien und metallurgische Produkte. Mangelhafte RahmenbedingungenSiegfried Kiese, Leiter Materialwirtschaft Wacker Chemie, erklärte, dass mit dem Masterplan eine wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen werde, die mangelhaften logistischen Rahmenbedingungen für das Chemiedreieck nachhaltig zu verbessern. Dies wiederum sei die Basis für anhaltenden Erfolg und Wachstum unserer Region. „Die Industrie im bayerischen Chemiedreieck geht mit ihren Investitionen gewaltig in Vorleistung. Nun ist es an Politik und Bahn, durch Investitionen in den Ausbau der Schieneninfrastruktur ebenfalls zu handeln“, mahnte Alois Virag, Geschäftsführer OMV Deutschland, den Masterplan nun auch zügig in die Tat umzusetzen. ❙❚■ Tanja ZapfGefragte Transportmittel der Chemieindustrie: Kesselwaggons der Güterbahnen Stellten den Masterplan Schiene vor: Otto Wiesheu (links) und Norbert BenselAufkommensentwicklung Chemiedreieck Bayern*Eine deutliche Steigerung des Schienengüterverkehrs erwartet die DB im so genannten Chemiedreieck Bayern. Zwischen 2005 und 2015 soll das Gesamtaufkommen an den Standorten Burghausen, Kastl und Trostberg von 2,5 Millionen Tonnen auf 5,4 Millionen Tonnen klettern. Sowohl im Wareneingang wie auch im Warenausgang verdoppeln sich die Mengen. 20052010201530002000100002005201020153000200010000Bahn und LKW: Beide Verkehrsmittel unverzichtbar für die ChemieindustrieDie Bedeutung der Bahn für die Chemieindustrie Bahn und LKW wichtig21,3 Milliarden Tonnenkilometer betrug 2005 die Verkehrsleistung der Eisenbahnen mit chemischen Erzeugnissen, Düngemittel und Mineralölerzeugnissen. Das entspricht einem Anteil von 22 Prozent des Schienengüterverkehrs insgesamt. „Die Zahlen zeigen bereits, dass der Schienengüterverkehr für die chemische Industrie eine große Bedeutung hat“, so Andrea Heid, Bereichsleiterin Verkehr im Verband der chemischen Industrie (VCI). Besonders für größere Ladungseinheiten, die über längere Distanzen transportiert werden müssen, eigne sich der Transport per Schiene. Denn werden chemische Güter per Bahn transportiert, handelt es sich oft um Direktverkehre zwischen Gleisanschlüssen, bei denen keine Umladungen notwendig sind, sowie um den Versand in privaten Bahn-Kesselwagen, die speziell auf die Chemieprodukte abgestimmt sind. „Um der zu erwartenden Steigerung des Verkehrsaufkommens in den nächsten Jahren gerecht zu werden, muss gerade der Schienenverkehr verstärkt partizipieren“, sagt Heid. Die chemische Industrie habe großes Interesse an einer leistungsfähigen Bahn. Denn nur dann könnte die Branche die Vorteile des Schienengüterverkehrs voll nutzen. Hierzu zählen neben zuverlässigen Transporten die Berechenbarkeit, feste Abfahrts- und Ankunftszeiten und darüber hinaus die langfristige Gewährleistung von Schienentransportmöglichkeiten. Aber auch der LKW habe für die Branche eine große Bedeutung – vor allem dann, wenn nicht oder nur bedingt auf die Bahn zurückgegriffen werden kann. Kleinere Ladungseinheiten, kürzere Distanzen und das Fehlen von Gleisanschlüssen würden den LKW ins Spiel bringen. (tz)

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