Lang-LKW

Lang-LKWEine Gefahr für die SchieneEine vom Bahnverband CER in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Schienengüterverkehr hohe Verluste erleidet, wenn der Lang-LKW kommt. Der Einzelwagenverkehr wäre besonders betroffen.Die Entscheidung des Bundeskabinetts Anfang November, grünes Licht für den Feldversuch mit dem Lang-LKW zu geben, dürfte für Unruhe bei den Bahnen gesorgt haben – befürchten sie doch, dass die LKW Frachtraum günstiger anbieten können und damit ihnen Sendungen abspenstig machen könnten. Ein Gutachten, das die Gemeinschaft Europäischer Bahnen und Infrastrukturgesellschaften (CER) in Auftrag gegeben hat, bestätigt diese Befürchtung. Es ist nur einen Tag nach der Entscheidung des Bundeskabinetts erschienen. Zufall?38 Prozent Verlust im EWVDas Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe und K + P Transport Consultants, Freiburg, haben beispielhaft für fünf Korridore in Europa untersucht, welche Folgen die Zulassung eines Lang-LKW mit 44 Tonnen und 60 Tonnen Gesamtgewicht auf den Einzelwagenverkehr (EWV) und den Kombinierten Verkehr (KV) haben. Diese beiden Sparten im Schienengüterverkehr stehen laut Claus Doll, Studienleiter am Fraunhofer-ISI, im besonderen Maße in Konkurrenz zum LKW. Ein womöglich überraschendes Ergebnis der Studie: Nicht der KV würde besonders unter der Einführung des Lang-LKW leiden, wie auch aus der Bahn-Lobby immer wieder zu hören ist. Sondern dem EWV drohen die größten Verluste. Hier haben die Autoren der Studie ein Verlagerungspotenzial bei einem Fahrzeug mit 25,25 Meter Länge und einem Gewicht von 44 Tonnen je nach Korridor zwischen 22 und 38 Prozent ermittelt (im Vergleich zum Jahr 2008). Der KV hingegen müsste sich auf deutlich geringere, aber immer noch spürbare Einbußen zwischen 10 und 14 Prozent gefasst machen.Es gibt dabei zwei wesentliche Gründe, die nach Ansicht der Gutachter zu den Verlusten führen. Zum einen sind die Lang-LKW deutlich effizienter. Zwar sind damit auch Zusatzkosten für eine Dolly-Lenkung, für Sicherheitseinrichtungen oder für eine besondere Fahrerschulung notwendig, gesteht Doll. „Aber: Die bisherigen Tests in Deutschland haben gezeigt: Ein Lang-LKW verbraucht auf die transportierte Tonne gerechnet 20 Prozent weniger Kraftstoff und verursacht in Summe 30 Prozent weniger Kosten“, sagt der Autor der Studie gegenüber der VerkehrsRundschau. Für den KV wie auch für den EWV, die beide wenn überhaupt nur sehr geringe Margen erwirtschafteten, blieben solche Kostenvorteile nicht ohne Folgen.Doch gibt es noch einen zweiten, indirekten Effekt, weshalb es zu diesen hohen Verlustabschätzungen kommt. Eine sinkende Nachfrage nach Bahngüterverkehren würde eine Ausdünnung des Angebots oder steigende Preise nach sich ziehen und damit eine Verlagerung von der Schiene auf die Straße bewirken. EU verfehlt ihr VerlagerungszielDie Lang-LKW-Befürworter wenden als Gegenargument jedoch ein, dass angesichts der Wachstumsprognosen (+71 Prozent bei der Güterverkehrsleistung in Deutschland zwischen 2004 und 2025) genügend Mengen für alle Verkehrsträger bleiben. Die Bahn hätte sowieso schon genügend Probleme, ihr zugedachtes Wachstum auf der Schiene zu verarbeiten. Dem hält Doll entgegen: „Die 71 Prozent halten wir für überzogen. Außerdem wird das von der EU verkündete Ziel verfehlt, bis 2030 30 Prozent des Straßengüterverkehrs über eine Länge von mehr als 300 Kilometern per Bahn oder Binnenschiff zu befördern.“Ein weiteres Argument der Lang-LKW-Befürworter: Auf den Straßengüterverkehr rollen zukünftig gleich mehrere Kostenlawinen zu, die die Wettbewerbssituation des LKW verschlechtern. Als Stichworte seien hier Dieselpreise, Mauterhöhungen und der Fahrermangel genannt. „Steigende Energiekosten und Mautgebühren haben wir berücksichtigt, höhere Personalkosten nicht“, sagt Doll. Sollte es zu einer Verlagerung in dem prognostizierten Ausmaß kommen, hätte das enorme finanzielle Folgen. Die Einkommensverluste nur entlang der fünf Korridore beziffert die Studie auf jährlich 484 Millionen Euro im KV und 504 Millionen Euro im EWV. Hinzu kämen weitere Investitionen zur Erweiterung von KV-Terminals, damit die Lang-LKW dort einfahren können. „Gerade für den EWV, der ohnehin schon auf wirtschaftlich schwachen Beinen steht, wäre ein solcher Rückgang eine existenzielle Bedrohung“, sagt Doll. ❙❚■ Michael CordesLeere Gleise, volle LKW: Ein solches Szenario droht laut CER-Studie, wenn der Lang-LKW kommtLang-LKWEine hilfreiche StudieSollte die Studie recht behalten, ist seitens der EU, aber auch seitens des Bundesverkehrsministeriums kräftiger Gegenwind für Lang-LKW garantiert, den dieser selbst bei einem erfolgreich verlaufenen Feldversuch kaum standhalten wird. Denn das Letzte, was sich die Politik nachsagen lassen will, ist eine Abwanderung von Gütern von der Schiene zur Straße. Schon deshalb sollten die Befürworter des Lang-LKW diese Studie zum Anlass nehmen, sich intensiv und seriös mit dem Thema Verlagerung auseinanderzusetzen. Denn es ist ja nicht so, dass an den Ergebnissen der Studie nicht zu rütteln ist. So kann man durchaus bezweifeln, ob die Auftraggeber tatsächlich so extrem auf Preisveränderungen reagieren wie die Studie es für ihre Berechnung zugrunde legt. Die Lang-LKW-Befürworter sollten sich die Studie aber auch deshalb genau ansehen, weil diese – man höre und staune – die Umweltfreundlichkeit des Lang-LKW belegt. Dass bei dessen Zulassung die externen Kosten nur um 2,5 Prozent steigen, obwohl es zu Rückverlagerungen von bis zu 35 Prozent kommt, überrascht. Sollten die Verluste bei der Schiene doch nicht so hoch ausfallen, dürften sich die zusätzlichen externen Kosten schnell in einen Nutzen verwandeln. Was beweist: Die Einführung des Lang-LKW wirkt sich positiv aus. Die Bezeichnung „Öko-LKW“ würde er zu Recht tragen. Kontakt: michael.cordes@springer.comMichael Cordes RedakteurKommentar

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