AGB-Reform: Keine AGB für KMU?

In der Umgebung von Berlin will ein Bauträger rund 120 moderne Townhäuser erbauen. Der Bauträger beauftragt einen Generalunternehmer damit, diese für rund 120 Millionen Euro zu erbauen. Sie vereinbaren die Zahlung in Raten nach Baufortschritt. Zur Zahlung der letzten Rate soll eine Gewährleistungsgarantie des Unternehmers gestellt werden, um sicherzustellen, dass Restleistungen, unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Generalunternehmers erfüllt werden. Rechtsprechung hebt Vertrag auf Da dies eine typische Vertragskonstellation bei Bauverträgen ist, haben die Parteien in ihrem Vertrag aufgenommen, dass die Parteien den Vertrag verhandelt hatten, um zu vermeiden, dass das Vertragswerk als AGB-Vertrag von der Rechtsprechung aufgehoben wird. Es kam aber, wie es kommen musste, der Generalunternehmer meldete Insolvenz an, der Bauträger wollte die Bankgarantie ziehen. Die Bank machte jedoch erfolgreich geltend, dass der Bauträgervertrag gegen AGB-Recht verstoßen würde, weil er dem gesetzlichen Leitbild des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht entspräche. Dem ist der Bundesgerichtshof (BGH) gefolgt. Denn er sah den gesamten Text des Vertrages inklusive der Klausel über die Gewährleistungsgarantie als typisch für einen Standardtext an, womit er unter die Regeln für AGB-Texte fällt. Und zwar unabhängig von der Behauptung der Parteien, dass sie über diesen verhandelt hätten (BGH-Urteil vom 20.3.2014, Aktenzeichen VII ZR 248/13). AGB in der Logistik Ähnlich stellt sich die Situation bei Ausschreibungen in der Logistikbranche dar. Eine solche wird vielfach mithilfe von Beratern erstellt. Darin werden die Bedingungen für eine längerfristige, meistens komplexe Beauftragung definiert, zum Beispiel der Betrieb eines Lagers mit IT-, Verpackungs-, Montage- und Transportleistungen. Das Ganze wird verbunden mit Garantien und Vertragsstrafen für den "Dienstleister". Ein Nachverhandeln der Bedingungen ist dagegen nicht vorgesehen. Denn dann wäre die Vergleichbarkeit der Offerten nicht mehr gegeben. Kommt es bei diesem Projekt zu Problemen und der ausschreibende Auftraggeber will von der "zackigen" Vertragsstrafe Gebrauch machen, könnte der "Dienstleister" hier tatsächlich überlegen, ob er die AGB-Karte ziehen und darauf verweisen will, dass zum Beispiel die geforderten Garantien und die Vertragsstrafe nicht den gesetzlichen Regelungen entsprechen und damit gemäß § 307 BGB unwirksam sind. Eingeschränkt durch AGB-Recht Moderne Unternehmen arbeiten vielfach mit gleichen Vertragstexten, sei es in Form von Modulen, Musterverträgen oder allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), um zum einen die Vertragserrichtungskosten möglichst niedrig zu halten; zum anderen, um zwischen den Partnern in einer Liefer- oder Logistikkette die gleichen Bedingungen für die Leistungserbringung zu definieren, zum Beispiel Schnittstellen, Termine, Haftung und Versicherung. Wenn aber die so verwendeten Vertragstexte mehr als zweimal angewendet werden sollen, handelt es sich nach deutschem Recht um AGB, egal wie diese bezeichnet werden. Allerdings gelten für AGB besondere Anforderungen, die es verbieten, Verträge nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Stattdessen müssen sich diese an den gesetzlichen Regelungen messen lassen. Diese Bestimmungen des AGB-Rechts (§§ 307 ff. BGB) verhindern unternehmerische Kreativität, sie blockieren kaufmännisches Verhandlungsgeschick und internationalen Austausch. Diese Kritik an der Anwendung des AGB-Rechts, auch im kaufmännischen Verkehr, hat nun Widerhall im Koalitionsvertrag der Bundesregierung von CDU/CSU und SPD (Zeilen 2783 ff.) gefunden. Dort heißt es zur Reform des AGB-Rechts: "Wir werden das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) reformieren, um sicherzustellen, dass sich große Kapitalgesellschaften nach § 267 Absatz 3 HGB, wenn sie untereinander Verträge unter Verwendung der AGB schließen, darauf verlassen können, dass das im Rahmen der Privatautonomie Vereinbarte auch von den Gerichten anerkannt wird." AGB-Reform - auch für KMU Soweit so gut. Wenn diese Reform aber lediglich für die großen Kapitalgesellschaften gelten soll, wird diese Reform weniger als ein Prozent der Unternehmen betreffen und schafft neue, nicht zu unterschätzende Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen. Das zu verhindern, ist das Ziel der Initiative der beiden Juristen und Autoren des vorliegenden Artikels, Professor Axel Salzmann und Professor Thomas Wieske. Ihr Bestreben ist es, die geplante AGB-Reform auf alle Unternehmen im Sinne von § 14 BGB auszuweiten, um Rechtssicherheit zu schaffen, wenn Unternehmen miteinander Verträge abschließen wollen, damit sich diese darauf verlassen können, dass das B2B-Vereinbarte von den Gerichten anerkannt wird. Risiko Wettbewerbsverzerrung Eine Reform des AGB-Rechts ausschließlich für große Kapitalgesellschaften würde also eine wettbewerbsrechtliche Verschlechterung für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bedeuten, weil diese von standardisierten Vertragserrichtungen ausgeschlossen wären. Das sind solche Unternehmen mit nicht mehr als 250 Arbeitnehmern und einem Umsatz von nicht mehr als 40 Millionen Euro im Jahr. Mit der Folge, dass KMU für den Vertragsabschluss mehr Zeit und höhere Kosten aufwenden müssten. Außerdem würde dies kleinen und mittelständischen Unternehmen den Einsatz von digitalen Möglichkeiten bei der Vertragserrichtung erheblich beschränken, da digitale Systeme auf wiederholenden Texten basieren. Die Folge wäre, dass zum Beispiel ein Frachtführer mit 120 Mitarbeitern künftig jeden Auftrag mit seinen B2B-Kunden ausgiebig verhandeln müsste. Der Speditionskonzern mit Rechtsabteilung dürfte dagegen künftig mit Formularverträgen arbeiten, wenn er Verträge mit großen Kapitalgesellschaften abschließt, also Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und über 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Eine solche Differenzierung in der Art der Vertragserrichtung B2B zwischen den Unternehmen könnte also dazu führen, dass die gewachsene Zusammenarbeit in der deutschen Wirtschaft zwischen Großunternehmen und Mittelständlern infrage gestellt würde. So wäre ein unter mehreren Beteiligten abgestimmtes Vertragswerk (AGB) zur Schaffung einer Lieferkette unter Hinzuziehung deutscher KMU immer mit dem Manko AGB-Konformität behaftet. Die Folge wäre, dass Großunternehmen in Zukunft nur noch mit Großunternehmen Verträge abschließen, weil nur diese Verträge AGB-fest sind. Darüber hinaus können Großunternehmen leichter ins Ausland gehen. Dort würden sie sicherlich auch kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Ausland beauftragen, weil sie dadurch dem deutschen AGB-Recht entfliehen sowie die Preis-, Lohn- und Abgabendifferenzen erfolgreich nutzen können. Langfristig hätte dies also ein Abwandern von Unternehmen in europäische Nachbarländer zur Folge. Schon heute sehen sich Unternehmen ja veranlasst, für ihre Verträge eine fremde Rechtsordnung zu wählen, um dem strengen deutschen AGB-Recht zu entkommen. Versicherungsschutz gefährdet Vor allem Haftungsfragen stellen Unternehmer im B2B-Verkehr immer vor hohe Herausforderungen, selbst wenn Regelungen über Haftungsbegrenzungen von den Parteien in der Lieferkette als sachgerecht und einheitlich vereinbart wurden, weil ihnen aufgrund der AGB-Nähe der Makel der Unwirksamkeit anhaftet. Für rechtlich unwirksame Haftungsvereinbarungen kann aber auch der Versicherungsschutz entfallen. Brancheneinheitliche Versicherungsmodelle würden dadurch also erodieren und zukünftig zu Differenzierungen zwischen KMU und Großunternehmen führen. Eben durch diese möglichen Folgen und Behinderungen kleiner und mittelständischer Unternehmen in Deutschland können europäische Wettbewerber flexibler und risikobewusster agieren. Für den deutschen Mittelstand bedeutet dies einen klaren Standortnachteil. Zudem würde dies die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, etwa durch Start-ups im B2B-Bereich, in Deutschland erheblich erschweren. Verbände unterstützen Initiative Verbände nehmen die Interessen ihrer Mitglieder wahr, genießen dabei verfassungsrechtlichen Schutz durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz und wirken an der Vereinheitlichung von Standards und Vertragsmodellen mit, um dadurch für ihre Mitgliedsfirmen die Transaktionskosten möglichst gering zu halten. Deshalb haben zum Beispiel der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), der Bundesverband der Schwertransporte und Kranarbeiten (BSK) Musterverträge beziehungsweise Musterbedingungen für ihre Mitglieder im B2B-Verkehr entwickelt. Diese sind aus heutiger Sicht vielfach anerkannt, aber rechtlich nicht immer "wasserdicht". Deshalb ist die Initiative der Bundesregierung zu begrüßen, wenn sie für alle Unternehmen gilt. Ein möglicher Gesetzestext unter Einbeziehung der kleinen und mittelständischen Unternehmen könnte lauten: "Wir werden das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) reformieren, um sicherzustellen, dass sich Unternehmen nach § 14 BGB, wenn sie untereinander Verträge unter Verwendung der AGB schließen, darauf verlassen können, dass das im Rahmen der Privatautonomie Vereinbarte auch von den Gerichten anerkannt wird." Damit würden Rechtsunsicherheit und die daraus resultierenden Bürokratie- und Transaktionskosten reduziert, ohne dass dafür finanzielle Mittel aus dem Haushalt notwendig würden. Deutschland käme einfach einmal ins Machen! Hintergründe zum Thema AGB-Reform Die allgemeinen Geschäftsbedingungen (ABG) bedeuten für viele Unternehmen heute eine deutliche Vereinfachung. Denn sie regeln für Verträge die rechtlichen Rahmenbedingungen, indem sie standardisierte Vertragsklauseln festlegen, etwa Zahlungsbedingungen, Haftung und Versicherung. Die Rechtsprechung in Deutschland bezeichnet indes jede mehr als zweifache Verwendung eines Vertragstextes als AGB. Mit der Folge, dass die kaufmännische Vertragsfreiheit der Firmen eingeschränkt wird und dass das rigide AGB-Recht zur Anwendung kommt. Schreiben an Bundesministerien Deshalb will die Bundesregierung das AGB-Recht für große Kapitalgesellschaften nun reformieren. Die AGB-Rechtsreform klammere aber kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) aus, kritisieren die Wirtschaftsrechts-Professoren Axel Salzmann und Thomas Wieske, die Autoren des Beitrags. Sie haben daher eine Initiative gestartet. Im Oktober 2025 haben sie in einem Schreiben an Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche und Bundesjustizministerin Stefanie Hubig appelliert, diese AGB-Reform auf KMU auszuweiten, also Firmen mit nicht mehr als 250 Arbeitnehmern und einem Umsatz von nicht mehr als 40 Millionen Euro im Jahr. Rechtsanwalt Professor Axel Salzmann war langjähriger Leiter des Kompetenzzentrums für das Straßenverkehrsgewerbe und die Logistik bei der Kravag-Logistic Versicherungs-AG in Hamburg. Er ist als Wirtschaftsrechts-Professor an der FH Westküste in Heide tätig. Salzmann hat an rechtlichen Entwicklungen unter anderem der ADSp 2017 und der Logistik-AGB 2019 mitgewirkt. Seit Jahren ist er auch mit dem Schwergutgewerbe, der Möbelspedition und dem Handwerk verbunden. Für alle Bereiche hat Salzmann die aktuellen Branchen-AGB wesentlich mitgestaltet. Als Rechtsanwalt unterstützt er Logistiker bei komplexen Vertrags- und Schadensangelegenheiten. Professor Thomas Wieske lehrt Wirtschafts-, Transport- und Logistikrecht an der Hochschule Bremerhaven und seit 2008 auch an der Universität Bremen. Seit seiner Emeritierung 2022 an der Hochschule Bremerhaven leitet er das Institut für Logistikrecht und Riskmanagement in Hamburg und ist Schiedsrichter beim Deutschen Schiedsgericht für Logistik in Koblenz sowie bei der Handelskammer in Hamburg. Zudem ist er Delegierter der Kravag-Sachversicherung in Hamburg. Wieske studierte ursprünglich Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften und promovierte in Hamburg. Als Rechtsanwalt war er über zehn Jahre Leiter des Rechtsbereichs von Kühne+Nagel in Hamburg und der Schweiz und berichtete dort direkt an den Vorstand.

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