Interview: Der neue Dachser-Kurs

++++ Aktualisierung 7. April 2023 ++++ Aktualisierung 7. April 2023 ++++ Aktualisierung 7. April 2023 ++++Aktualisierung 7. April 2023 ++++ Das Speditions- und Logistikunternehmen Dachser hat soeben glänzende Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 vorgelegt. Doch nach dem Höhenflug in Logistik herrscht bei vielen Branchenbetrieben nun Katerstimmung. Wie hat sich bei Dachser das erste Quartal 2023 entwickelt? Gerade zu Anfang des Jahres stellten wir seitens unserer Kunden eine gewisse Zurückhaltung aufgrund der multiplen Krisen fest, die die Welt im Moment erlebt. Über unsere beiden Geschäftsfelder Road Logistics und Air & Sea Logistics hinweg hatten wir – um konkrete Zahlen zu nennen – in den ersten zwei Monaten ca. drei Prozent weniger Sendungsmengen als im Vorjahreszeitraum. Das ist stark abhängig von einzelnen Regionen und Kunden.. Die Rückgänge sind aber nicht so gravierend wie erwartet. Etliche Speditionen geben deshalb schon bei Ihren Preisen nach, um ihre Kapazitäten auszulasten. Macht das Dachser auch? Nein, das machen wir nicht.. Wir konnten unsere steigenden Kosten in der Preisrunde bei unseren Kunden anbringen. Unsere Kunden verlangen von uns hohe Leistung zu einem fairen Preis. Und das leisten wir auch. Das heißt, Dachser will kein Billigheimer werden? Wir waren nie ein Billigheimer und werden es auch nie werden. Dachser steht für Qualität, und Qualität hat ihren Preis. An welchen Stellen setzen Sie dann um, um die Mengenrückgänge zu kompensieren, etwa bei den Preisen Ihrer Frachtführer? Nein, so kurzfristig agieren wir nicht. Wenn wir leistungsfähig sein wollen, dann müssen wir sehr eng und fair mit unseren Transportpartnern umgehen. Das haben wir immer so getan. Das werden wir auch in Zukunft immer so tun. Wer jetzt fahrlässig die Preise drückt, macht einen Fehler. Wir sehen die gute Beziehung zu unseren Fuhrunternehmern als Differenzierungsfaktor. Wir arbeiten deshalb daran, deren Zusammenarbeit mit uns so einfach wie möglich zu gestalten. So entwickeln wir zum Beispiel eine digitale Plattform, um noch besser mit unseren Servicepartnern zusammen arbeiten zu können. Dachser hat sich beim Thema Klimaschutz sehr ambitionierte Ziele gesetzt. Zunächst einmal gefragt: Wie lange wird es aus Ihrer Sicht dauern, dass in Europa keine Diesel-Lkw mehr fahren? Bis wir in Europa bei einer kompletten Null-Emissions-Lösung sind, wird es aus unserer Sicht noch zwei Jahrzehnte dauern. Warum dauert das so lange? Entscheidend ist, dass das Ganze technisch, aber auch wirtschaftlich machbar ist. Wir brauchen dafür ja nicht nur die entsprechenden Lkw-Lösungen – die auch verfügbar sind – sondern auch die dafür erforderliche Ladeinfrastruktur. Dass das nicht trivial ist, erleben wir bei unseren Pilotprojekten, die wir an unseren drei E-Mobility-Standorten in Hamburg, Freiburg und Malsch bei Karlsruhe realisieren. Für das Thema CO2-neutrale Transporte müssen Sie ja letztlich auch Ihre Transportpartner mitnehmen. Was planen Sie da konkret? Das Thema emissionsfreie Transporte erfordert große Investitionen. Wir arbeiten konkret an Lösungen, damit diese auch von unseren Transportpartnern mit kleinen und mittleren Betriebsgrößen finanziell gestemmt werden können. Wie Sie wissen, bietet Dachser seinen Transportpartnern heute schon bestimmte Leasing-Rahmenbedingungen, die wir mit Nutzfahrzeugherstellern ausgehandelt haben. Das müssen wir nun auch mit den deutlich teureren E-Lkws tun. Am Ende wird es auch darauf hinauslaufen, dass wir unsere Transportpartner durch angepasste Transportraten finanziell unterstützen Sie haben ja schon diverse Pilotprojekte in Sachen E- und Wasserstoff-Lkw laufen. Wie rentabel sind diese Lösungen in der Praxis? Ein Elektro-Lkw ist im Moment in der Anschaffung drei Mal so teuer wie ein Diesel-Lkw. Im Nahverkehr setzen wir solche E-Lösungen vor allem im Rahmen unseres City-Logistik-Konzepts „DACHSER Emission-Free Delivery“ in Innenstädten ein. Aufgrund der hohen Anschaffungskosten für Elektro-Lkw und die aufwändige Ladeinfrastruktur an den Niederlassungen ist die emissionsfreie Innenstadtbelieferung zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht in dem Maße wirtschaftlich darstellbar wie eine herkömmliche Belieferung. Wir sehen aber auch, dass die Kunden in der Zukunft bereit sein müssen, für eine emissionsfreie Belieferung entsprechende Aufschläge zu bezahlen. Ansonsten sind wir gerade dabei, unsere emissionsfreie Flotte sukzessive aufzubauen, und diverse Tests mit Lkw mit Wasserstoff-Antrieb durchzuführen. Unsere Erfahrungen zeigen , dass es aufgrund der erforderlichen Reichweiten schwierig ist, den Fernverkehr rein batterie-elektrisch abzubilden. Deshalb werden wir im Fernverkehr auch auf den Wasserstoff-Antrieb setzen. Im Nahverkehr eignen sich dagegen Elektro-Fahrzeuge sehr gut – auch für 7,5 und 12-Tonnen-Lkw. Dachser arbeitet bei dieser Thematik eng mit der Hochschule Kempten zusammen. Was sind da die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse? Wir haben von der Hochschule Kempten wissenschaftlich untersuchen lassen, wie gut wir unser Geschäft mit der Wasserstoff-Technologie abbilden können. Dazu haben wir uns ganz Europa angesehen. Für unseren Use Case (Einsatzbereich – die Red.) wäre Wasserstoff sehr passend. Wann wir aber solche Lösungen flächendeckend in Europa einsetzen werden können, wissen wir noch nicht. In einer zweiten Studie haben wir die „Betankungs“-Infrastruktur für unsere europäischen Niederlassungen untersucht. Hier zeigte sich, dass es noch ein sehr langer Weg ist. Die Einschätzung, dass die Transformation hin zu Null-Emissions-Lkw etwa zwei Jahrzehnte dauern wird, ist deshalb nicht pessimistisch, sondern aus unserer Sicht realistisch. In welchem alternativen Antrieb sieht Dachser die Zukunft? Im Nahverkehr ist es der E-Antrieb. Im Fernverkehr setzen wir auf Wasserstoff oder E-Antrieb. Bei letzteren werden ja auch immer größere Reichweiten möglich. Darin sehen wir die beste Realisierungschance. Was muss nun konkret und von welcher Seite her passieren, damit das Thema Null-Emissions-Lkw tatsächlich vorankommt? Letztlich geht es darum, den entsprechenden Rahmen für eine solche Umstellung zu schaffen - auch mit finanzieller Unterstützung, beziehungsweise über bestimmte Anreize, die es fallweise schon gibt. Last but not least ist die Infrastruktur das große Thema – Stichwort Investitionen. Das muss auch staatlich gefördert oder vom Staat ausgeschrieben werden. Denn am Ende geht es darum, dass wir nicht nur an unseren eigenen Dachser-Standorten laden können, sondern auch auf unserem Weg dorthin. Dachser arbeitet ja nicht nur mit Partnern aus Deutschland, sondern auch anderen Ländern. Dort ist der Umstiegs-Wille vielleicht kleiner als hierzulande. Vor welche Herausforderungen stellt Sie das? Wir fokussieren uns mit unseren Aktivitäten zunächst auf Deutschland. Das liegt daran, dass dieses Land unser größter Markt ist und es Förderprogramme gibt, die den Einsatz der neuen Technologien fördern und es uns leichter machen, Erfahrungen zu sammeln. Unser Ziel ist es aber, das Thema emissionsfreie Lkw europaweit voranzutreiben. Dass in anderen Ländern der Umstiegs-Wille kleiner ist, das sehe ich nicht. Nochmal zurück zur Entwicklung in diesem Jahr. Sie sprachen eingangs von einer gewissen Zurückhaltung der Kunden im ersten Quartal. Hat sich das mittlerweile gedreht? Das entwickelt sich sehr unterschiedlich und hängt auch sehr vom Kunden ab. In Osteuropa und Iberia (Spanien und Portugal) zeigt sich eine Verbesserung, da liegen wir mengenmäßig inzwischen wieder auf unserem Vorjahresniveau. . Ob das aber anhält, lässt sich nicht voraussagen, Prognosen sind im Moment sehr schwierig. Immerhin: die große Rezessions-Angst, die in vielen Betrieben im Herbst 2022 vorherrschte, ist heute nicht mehr gegeben. Das heißt aber nicht, dass sich nun alle entspannt zurücklehnen. Wie wird sich der Dachser-Umsatz also in diesem Jahr entwickeln? Alles in allem dürften wir in 2023 ein Umsatzwachstum im niedrigen einstelligen Prozentbereich erreichen – trotz rückläufiger Mengen. Das Wachstum wird vor allem aus unserem Road-Bereich (Stückgutgeschäft und Lebensmittelgeschäft) kommen, der ja traditionell bei Dachser immer den höchsten Umsatzanteil hat. In unserem Air & Sea-Geschäft rechnen wir dagegen mit einem Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr. In 2021 und 2022 verzeichneten die Logistikunternehmen, auch Sie als Dachser, einen enormen Höhenflug, in diesem Jahr herrscht eher Flaute. Was tun Sie dafür, um Ihr Netz stabil zu halten - trotz solcher extremen Mengen-Veränderungen? Das ist in der Tat die große Kunst. Wir setzen dafür an mehreren Hebeln an: Auf der einen Seite gilt es, das Leistungsversprechen, die Qualität und damit auch die Regelmäßigkeit von Transporten für unsere Kunden sicher zu stellen, während wir auf der anderen Seite besonders in der Luft & Seefracht eine hohe Volatilität haben. Diese Volatilität bildet sich vor allem über die Einkaufsraten ab, die wir entsprechend an unsere Kunden weitergeben. Am Ende aber zählt die Produktivität, die wir als Unternehmen konstant erhöhen müssen. Nur dann hat man, ob mit viel oder mit wenig Menge, die entsprechende Atmungsfähigkeit, weil wir ja unsere Kapazitäten und unser Personal nicht schnell auf- oder auch abbauen können und auch wollen. Letztlich ist die Produktivität also entscheidend und natürlich auch die stetige Investition in das Netz, um weiterhin ein qualitativ hochwertiges Produkt anbieten zu können. Und im See- und Luftfrachtgeschäft ist das aufgrund der hohen Volatilität sicher noch etwas schwieriger zu gestalten als im Road-Bereich, wo wir ein sehr viel konstanteres Geschäft haben. Wie hilft Ihnen da last but not least die Digitalisierung? Enorm. Die Digitalisierung hilft uns letztlich, die Prozesse bestmöglich zu gestalten, sie produktiver und anwenderfreundlicher zu machen. Das ist gerade angesichts des Arbeitskräftemangels wichtig. Neue Mitarbeiter müssen sich noch schneller und einfacher in unsere Prozesse einarbeiten können, damit sie hohe Produktivitäten erzielen und einen guten Service anbieten können. Da ist die Digitalisierung sehr hilfreich. Das zeigt unser Digitalisierungsprojekt @ILO, das wir mit dem Fraunhofer IML umgesetzt haben. Wir haben da, wie Sie wissen, in unseren Niederlassungen Öhringen und Unterschleißheim zwei Pilotanlagen errichtet, die es ermöglichen, dass dort alle Packstücke vollautomatisch im Eingang von optischen Scan-Einheiten erfasst und in einem digitalen Zwilling des Umschlags abgebildet werden. Das sorgt bei uns für einen erheblichen Produktivitäts-Gewinn und unterstützt unsere Mitarbeiter massiv. Dachser will in diesem Jahr 300 Millionen Euro investieren. Welche weiteren Investitionen und Projekte stehen da bei Ihnen ganz oben auf der Agenda? Wir werden in die Digitalisierung, den Klimaschutz, den Ausbau unseres Netzes sowie in unsere Mitarbeitenden investieren. Bleiben auch Zukäufe ein Thema? Und wenn ja in welchen Ländern und Geschäftsfeldern halten Sie da aktiv Ausschau? Wir planen, 2023 wie jedes Jahr vorrangig organisch zu wachsen, schließen aber auch passende Zukäufe nicht aus. Das Interview führte Verkehrsrundschau-Redakteurin Eva Hassa

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