In gut sechs Monaten soll es so weit sein: Dann ...

In gut sechs Monaten soll es so weit sein: Dann werden die ersten Umweltzonen-Schilder aufgestelltDie Feinstaub-FalleUmweltzonen sollen die Feinstaubbelastung in deutschen Städten reduzieren. Anfang 2008 wollen die ersten Kommunen so weit sein. Auch LKW mit zu geringen Schadstoffklassen dürfen dann nicht mehr in die Umweltzonen einfahren. Über Ausnahmeregelungen herrscht noch keine Klarheit. Kummer ist Gabriele Dreikauss gewöhnt: Seit über 30 Jahren führt sie gemeinsam mit ihrem Mann die Geschäfte der Adolf Fuest KG, die in der Getränkelogistik tätig ist. Sieben Fahrzeuge sind täglich im Raum Dortmund, Bochum, Herne unterwegs, drei davon im Verteilerverkehr. Alle Wetter der letzten Jahrzehnte hat das kleine Unternehmen überstanden – eigentlich steht es gut da. Und doch muss Frau Dreikauss Ende des Jahres womöglich zwei Fahrzeuge abstoßen und vier von 14 Mitarbeitern entlassen. Der Grund: Die Umweltzone Ruhr soll ab Anfang 2008 Fahrzeuge nach Schadstoff-klasse Euro 2 und schlechter ausschließen. Und die beiden ältesten Fuest-18-Tonner haben Euro 2. Neuanschaffungen kommen derzeit nicht in Frage: „Wir fah-ren ja Verteilerverkehre, da werden nicht jedes Jahr die Autos gewechselt“, erläutert Gabriele Dreikauss. Alternativen zu den Routen gibt es nicht: „Wir liefern an Gaststätten aus, da können Sie ja ihre Ware nicht einfach im GVZ abliefern.“ Fazit: „Wenn die Umweltzone Anfang nächsten Jahres kommt, müssten wir die Dienstleistung einstellen.“Ähnliche Sorgen treiben derzeit viele Transportunternehmer in ganz Deutschland um. In zahlreichen Städten werden derzeit Umweltzonen diskutiert, um die Feinstaubbelastung zu reduzieren (siehe Kasten Seite 22). Wenn die neue Plakettenverordnung wie angekündigt „bis zum Herbst 2007 verabschiedet wird, ist mit den ersten Umweltzonen Anfang 2008 zu rechnen“, erläutert Oliver Mietzsch, Verkehrsreferent des Deutschen Städtetags.Ins Rollen gekommen ist diese Entwicklung durch eine EU-Verordnung. Daraufhin wurde in Deutschland zum 1. Januar 2005 die so genannte Feinstaubrichtlinie erlassen. Danach durfte in keinem Ballungszentrum der Feinstaubwert (PM10) mehr als 35-mal pro Jahr über dem Grenzwert von 50 Mikrogramm liegen. Die Feinstaublatte haben zahlreiche Kommunen gleich im ersten Jahr gerissen, im letzten Jahr waren es über 60. Viele der daraufhin ergriffenen Maßnahmen gingen ins Leere. Damit kamen die Umweltzonen ins Spiel, die ganze Stadtgebiete für Fahrzeuge mit einer schlechten Schadstoffklasse ausschließen.Diese Entwicklung entfachte eine heftige Diskussion um Sinn und Unsinn von Um-weltzonen zur Lösung der Feinstaubprob-lematik (s. Kasten Seite 23). Bund, Länder und Kommunen sehen in den Umweltzonen ein geeignetes Instrumentarium, die Feinstaubbelastung durch Verkehr in den Griff zu bekommen. Dagegen kommen aus der Wirtschaft eher skeptische Töne: „Die Einrichtung von Umweltzonen birgt grundsätzlich die Gefahr, dass die Kunden aus den Städten verbannt werden“, sagt Albrecht von Truchseß, Pressesprecher der Metro AG in DüsseldorfFahrverbote nur bei akuter GefährdungNach Ansicht von Ocke Hamann, Leiter der Abteilung Verkehr bei der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer, sind Umweltzonen nichts anderes als Fahrverbotszonen. Aber „Verbote sollten nur dann ausgesprochen werden, wenn es eine akute Gefährdung gibt“. Vorher seien andere Maßnahmen anzuwenden – und vor allem „eine umfassende Problemanalyse voranzustellen“. Auch Transport- und Logistikwirtschaft zeigen sich wenig begeistert: „Der Verkehr insgesamt kann recht wenig dazu tun, die Belastung einzudämmen“, meint Sebastian Lechner, Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Transport- und Logistik-unternehmen (LBT). Ein einheitliches Vorgehen mahnt Frank Huster, Leiter des Referats Umweltmanagement beim Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV), an: „Mit welcher Ausdehnung die Kommunen ihre Umweltzonen einrichten, scheint teilweise willkürlich zu sein.“ Auch Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), befürchtet überzogenen Aktionismus. „Es kommt nun darauf an, wer in die Umweltzone einfahren darf“, erläutert er. „Wenn die Stadtväter ihre Städte lahmlegen wollen, kann ich nur sagen: Nur zu.“ Betroffen von den Umweltzonen wären in der Transportwirtschaft vor allem kleinere Unternehmen, die im Verteilerverkehr und für andere regionale Fahrten oft ältere LKW einsetzen (s. Interview Seite 21). So liegt nach Aussage des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) die durchschnittliche betriebliche Nutzungsdauer für regionale Verteiler bei acht Jahren, bei Containerdiensten bei über zehn Jahren. Auch Thorsten Krekiehn, Geschäftsführer der mit fünf Absetzkippern im Raum Dortmund/Hagen tätigen Krekiehn GmbH & Co., müsste bei einer Einführung der Umweltzonen zwei LKW abstellen – und weiß nicht, wo er Ersatz herbekäme. Er rechnet mit Lieferzeiten von bis zu einem Jahr - und „mieten kann man so ein Fahrzeug auch nicht mal eben“. Ob für die Unternehmen, die durch die Einführung der Umweltzonen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnten, Ausnahmeregelungen geschaffen werden sollen, ist offen. „Befristete Ausnahmeregelungen – etwa bei besonders großen Härten im Hinblick auf Kosten einer Nachrüstung oder Neuanschaffung – sind durchaus vorstellbar“, meint Oliver Mietzsch, Verkehrsreferent des Deutschen Städtetages. Christoph Kösters, Hauptgeschäftsführer des VVWL, fordert Übergangsregelungen ein, damit betroffene Firmen ,,nicht über die Wupper gehen“. Andererseits warnt Volker Peterson von der „all ways Transporte GmbH“, „den billigen Jakobs, die seriös arbeitenden Betrieben immer Preiskonkurrenz machen“, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. „Damit bestraft man wieder diejenigen, die vorausschauend geplant haben.“ Die Diskussion zeigt, dass das Instrumentarium Umweltzone umstritten ist. So drohen ihre möglichen Effekte zur Reduzierung des Feinstaubs von der Zunahme des Verkehrs aufgefressen zu werden. Außerdem zeichnt sich eine weitere Zwickmühle ab: Im Jahr 2010 werden Grenzwerte für die Stickoxid-Belastung eingeführt. Schon jetzt erwarten Experten, dass auch hier die Grenzwerte überschritten werden. Ein Teil der Nachrüstsätze zur Reduzierung von Feinstaubemissionen treiben aber den Anteil der für die Messung der Stickoxid-Belastung relevanten chemischen Verbindungen weiter nach oben.Besonders aufmerksam wird bundesweit die Entwicklung der Umweltzone Ruhr verfolgt. Sie soll sich auf einer Fläche von 1600 Quadratkilometern von Moers bis Dortmund erstrecken (mit Ausnahme der Autobahnen) – und vor allem für Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 2 und schlechter gelten. Eine Machbarkeitsstudie, die im Auftrag des Regionalverbands Ruhr (RVR) erstellt wurde, empfiehlt zur Eindämmung von Feinstaub auch die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, den Aufbau von LKW-Routenkonzepten und die Einrichtung von Güterverteilzentren (siehe Interview-Kasten). Doch die „Umweltzone ist eine Maßnahme, von der man sich am meisten und schnellsten Erfolg verspricht“, erläutert Barbara Klask vom Regionalverband Ruhr (RVR). Zwar handelt es sich bei der Umweltzone Ruhr vorerst nur um einen Vorschlag. Doch die Bemerkung des NRW-Umweltministers Eckhard Uhlenberg (CDU), man könne „die Gesundheit der Bürger nicht mit Insellösungen schützen“, steht im Raum. Diese Position wird vom Deutschen Städtetag geteilt: „Mittelfristig sind regionale Luftreinhaltepläne über kommunale Grenzen hinaus anzustreben“, erläutert Mietzsch.Die Wirtschaft ist nicht begeistert von den Resultaten der Machbarkeitsstudie: „Wir halten eine solch große Zone für problematisch“, meint Ocke Hamann. Für Gabriele Fuest hat die Diskussion um die Umweltzone Ruhr einen faden Beigeschmack. Denn selbst wenn sie nicht kommt, würden eine Reihe von Kommunen im Ruhrgebiet eigene Zonen ausweisen – und die Fuest-LKW aussperren. Und solche Zonen zu ignorieren, ist auch keine Lösung. Denn bei Zuwiderhandlung ist ein Bußgeld von 40 Euro und 1 Punkt in Flensburg fällig. ❙❚■ Florian Beck60 Prozent der LKW betroffen Christoph Kösters vom Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) zu den Folgen einer Umweltzone für die Transportunternehmen. Anfang 2008 soll im Ruhrgebiet die größte Umweltzone Deutschlands entstehen. Was halten Sie davon?Kösters: Es mag sicher Aspekte geben, die auf den ersten Blick für eine solche Umweltzonen-Regelung sprechen. Aber in der bisherigen Ausgestaltung können wir uns das nicht vorstellen.Warum nicht?Wir haben Analysen des KFZ-Bestandes im Güterverkehr durchgeführt – und festgestellt, dass von der jetzt angedachten Umweltzone mehr als 60 Prozent des Bestandes betroffen sind, wenn man wie vorgesehen Euro 2 ausschließt. Das könnte teilweise die Nutzungsdauer von LKW halbieren. Betroffen wären vor allem der leichte und schwere Regionalverkehr oder die Betreiber kleinerer Fahrzeuge im Nahverkehrseinsatz. Denn dort sind die betrieblichen Nutzungsdauern wegen der geringen Jahres-km-Leistungen länger als im Fernverkehr.Im Zuge der Einführung der Umweltzone sind Entlastungsmaßnahmen vorgesehen wie Citylogistik, Routenkonzepte und Güterverkehrszentren. Was erwarten Sie sich davon?Das waren schon vor zehn Jahren interessante Ansätze, die trotz gemeinsamer Anstrengungen nicht funktioniert haben. Wir sind gesprächsbereit, ich würde aber allenfalls mit sehr begrenzten Effekten rechnen. Man darf hier nicht an der Branche vorbei Hoffnungen schüren. „Alternative LKW-Routenkonzepte“ ohne zu große Um-wege dürften im Ballungsraum Ruhr zudem vielfach auf infrastrukturelle Grenzen stoßen. Deshalb wünschen wir uns, dass diese Vorschläge vorher mit uns diskutiert werden.Noch sind zur Umweltzone keine Entscheidungen gefallen. Was wünschen Sie sich von den Veranwortlichen?Denkt auch an die Wettbewerbsfähigkeit des Logistikstandorts Ruhrgebiet. Sollte man an der Umweltzone Ruhr festhalten, sind verträgliche Übergangsfristen, Ausnahmeregelungen und einen Blick aufs Machbare unverzichtbar. fbInterviewDer Feinstaub und seine VerursacherSie sind kleiner als ein Hundertstel Millimeter, Fachleute nennen sie „Feinstaub“ – und sie können wenig feine Folgen haben: Die kleinen Partikel, international als „PM10“ bezeichnet, können die Gesundheit schädigen. Das Programm „Saubere Luft für Europa“ (CAFE) schätzt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Europa durch Feinstaub um neun Monate sinkt. Verursacht wird der Feinstaub von Industrieemissionen, Verkehr, Haushalte, zum Beispiel die Emissionen von Ölheizungen, – und von der Natur. So kann auch ein Sandsturm die Feinstaubbelastung regional nach oben treiben.Die „klassische“ Verteilung der Feinstaubquellen liegt in Baden-Württemberg laut Angaben des dortigen Umweltministeriums bei 32 Prozent für Pro-duktions- und sonstige Prozesse, 18 Prozent für Feuerungsanlagen, 13 Prozent für Offroad-Verkehr, Bahn-, Schiffs- und Flugverkehr sowie bei 25 Prozent für Reifenabrieb und Aufwirbelung. Die Ab-gasemissionen machen lediglich 12 Prozent der Feinstaubbelastung aus. Allerdings spielt der motorisierte Verkehr im straßennahen Bereich eine größere Rolle. So wurde für Stuttgart festgestellt, dass der Anteil des Straßenverkehrs je nach Messpunkt zwischen 45 und 66 Prozent beträgt. Dabei entfallen auf Abrieb und Abwirbelungen zwischen 60 und 70 Prozent. Der Rest wird von Abgasemissionen verursacht.Die Umweltzonen sollen vor allem auf der Reduzierung der Feinstaubbelastung aus dem Auspuff dienen. „Wir stellen uns der Feinstaubreduzierung. Aber der LKW ist nicht der Hauptverursacher“, meint Christoph Kösters, Hauptgeschäftsführer des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik Nord-rhein-Westfalen (VVWL). Zahlen aus Heilbronn scheinen diese Haltung zu belegen: Dort wären von einem Fahrverbot von den im Stadtkreis zugelassenen 4737 LKW insgesamt 1224 Fahrzeuge betroffen. Gleichzeitig zitiert die Heilbronner IHK ein Gutachten des Stuttgarter Anwalts Armin Wirsing, nach dem die Fahrverbote die Immissionen von Feinstaub um lediglich 0,81 Prozent senken können. fb„Der LKW ist nicht der Hauptver-ursacher für die Feinstaubprobleme“Mit der Einrichtung von Umweltzonen wollen die Kommunen die Feinstaubprobleme lösen. Dabei ist der Verkehr nur ein Verursacher von vielen.OrtAugsburgBerlinBraunschweigDarmstadtDresdenDüsseldorfFrankfurt a.M.HannoverHeidelbergIlsfeldKarlsruheKasselKölnLeipzigLeonbergLudwigsburgMagdeburgMannheimMühlackerMünchenNürnbergPleidersheimPforzheimPotsdamRegensburgReutlingenSchwäbisch GmündStuttgartTübingenUlmUmweltzonen in Deutschland In mehr als 30 deutschen Städten werden derzeit Umweltzonen geplant. Eine Auswahl, wo und wann die Zonen eingerichtet werden sollten, zeigen die Tabelle und die Landkarte. ausstehende Bundesgesetzgebung Einführung geplantAnfang 2008Anfang 2008Nov 07Anfang 2008Anfang 2008offenAnfang 2008Anfang 2008Mitte 2008frühestens Anfang 2008Mai 08offenAnfang 2008frühestens 2008frühestens Anfang 2008frühestens Anfang 20082008frühestens Anfang 20082008Anfang 2008Anfang 2009Jul 08Sommer 2008Anfang 2008Okt 07Anfang 2008frühestens Anfang 2008frühestens Anfang 2008frühestens Anfang 2008frühestens 2008DüsseldorfBerlinPotsdamMagdeburgBraunschweigHannoverKölnKasselLeipzigDresdenFrankfurt am MainMannheimHeidelbergNürnbergRegensburgMünchenAugsburgKarlsruheMühlackerPforzheimSchwäb. GmündIlsfeldUlmPleidersheimLudwigsburgStuttgartReutlingenLeonbergTübingenDarmstadtUmweltzone Ruhr

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