Gute Zeiten,

Führen seit zehn Jahren die BTK: (v. l.) Bernhard Reichert, Horst Gaida und Franz WeißGute Zeiten,schlechte ZeitenVor zehn Jahren übernahmen Horst Gaida, Bernhard Reichert und Franz Weiß die Werk-spedition BTK ihres Ex-Mutterkonzerns. Nun wurden sie bayernweit zu den „Best 50“ gekürt. Wie das Unternehmen zu dem wurde, was es heute ist. Doppelspitzen in der Transport- und Logistikbranche sind selten. Meist scheitern sie recht schnell, wie sich unlängst in der Wincanton-Deutschland-Geschäftsführung zeigte (s. VR 31/09). Noch seltener, wenn nicht gar exotisch, ist es, wenn sogar drei Geschäftsführer die Geschicke eines mittelständischen Transport- und Speditionsunternehmens lenken.Dass dies funktionieren kann, beweist die BTK Befrachtungs- und Transportkontor GmbH mit Hauptsitz im oberbayerischen Rosenheim. Seit zehn Jahren stehen Horst Gaida, Bernhard Reichert und Franz Weiß als geschäftsführende Gesellschafter an der Spitze des Unternehmens – und haben damit Erfolg. Allein in den letzten fünf Jahren wuchs BTK als Teil- und Komplettladungsspezialist in der Papier-, Glas- und Holzindustrie so rasant, dass böse Zungen in der Branche munkelten, ein Großinvestor sei eingestiegen und habe mit viel Finanzkraft das Unternehmen nach oben gepusht. 2006 standen nur 20 eigene Fahrzeuge im Hof der Rosenheimer. 2009 umfasst der Eigenfuhrpark der Spedition stolze 200 Sattelzüge und ebenso viele Auflieger. Im gleichen Zeitraum stieg die Mitarbeiterzahl von 84 (2006) auf 340 Mitarbeiter, davon 230 Fahrer und 18 Auszubildende.Vorläufiger Höhepunkt der Entwicklung: im Juli 2009 zeichnete Bayerns Wirtschafts- und Verkehrsminister Martin Zeil die drei Geschäftsführer Gaida, Reichert und Weiß für ihre unternehmerische Leistung mit dem Preis „Bayerns Best 50“ aus. Seit August prangt dieses Emblem nun auf jedem der grün-weiß-lackierten BTK-Auflieger – passgenau vom Fahrer nach exakten Vorgaben der Chefs angebracht. „Acht Zentimeter Abstand von oben, drei Zentimeter Abstand von rechts“. Kein Millimeter mehr, kein Millimeter weniger. Da zeigt sich Geschäftsführer Reichert pedantisch: „Das muss akkurat sein. Da schauen potenzielle Kunden drauf. Der Wiedererkennungseffekt muss sofort da sein“, sagt er und ist noch immer sichtlich stolz auf die Auszeichnung.Kein Wunder, denn der Erfolg war nicht selbstverständlich. Im Gegenteil. Die Geschichte hätte auch schiefgehen können. Vor über zehn Jahren strukturierte der Papierproduzent SCA nach der Übernahme der PWA, damals Arbeitgeber von Gaida, Reichert und Weiß, den Konzern radikal um. Mit dem Ergebnis, dass die Arbeitsplätze der werkseigenen Spedition, in der die drei heutigen BTK-Chefs als Abteilungsleiter beschäftigt waren, ernsthaft gefährdet waren. „Wir wissen bis heute nicht, was SCA wirklich plante“, sagt Reichert. „Schließung oder Verkauf – keine Ahnung.“ Die Ausgangslage für die 50 Mitarbeiter der Werkspedition war also ungünstig. Einerseits hatten sie genügend speditionelles Know-how. Immerhin hatten sie jahrzehntelang deutschland- und europaweit die Belieferung und Entsorgung der einzelnen PWA-SCA-Werke gesteuert. Andererseits besaß die Werkspedition keinen einzigen LKW – jeder einzelne Transport wurde damals von weit über 1000 Fremdunternehmen abgewickelt. Mit der Folge, dass BTK nur schwer zu verkaufen war. Die Schließung rückte damit näher.Zum Freundschaftspreis gekauft„Wir hatten ja auch nichts vorzuweisen“, sagt Reichert. „Wir wussten nur, wir beherrschen das Geschäft.“ Jeder einzelne auf seinem Gebiet. Gaida als vormaliger Prokurist war der Mann fürs speditionelle Geschäft, Weiß als Leiter Rechnungswesen der Zahlen-Mann, und er selbst, erzählt Reichert, sei der Experte für Zoll und Bahnverkehre gewesen. Zusätzliches Know-how brachten Hans Lorenz als langjähriger Geschäftsführer der Werkspedition und SCA-Tochter ein und Marketing-Fachfrau Ursula Goldhammer. Fünf Köpfe, fünf Know-how-Träger, die sich viel zutrauten – schließlich mit dem Management-Buy-Out (MBO) der Werkspedition den Sprung in die Selbstständigkeit. „Aufgrund der doch recht negativen Ergebnisse der Vergangenheit erhielten wir den Bereich fast zum Freundschaftspreis“, erzählt Reichert. Die erste Charge im Herbst 1998, die zweite Charge im August 1999. Binnen weniger Monate waren damit die einstigen Angestellten Gaida, Goldhammer, Reichert und Weiß geschäftsführende Gesellschafter der BTK Befrachtungs- und Transportkontor GmbH, während Lorenz aus dem MBO für die deutsche Hauptgesellschaft ausschied.„Im Rückblick hätte es auch schiefgehen können“, gibt Reichert zu. „Chance und Risiko hielten sich die Waage – zumal wir keinen einzigen Auftrag sicher in der Tasche hatten.“ Selbst ihr vormaliger Arbeitgeber garantierte den fünf Partnern vertraglich keinen Cent Mindestumsatz. Ob sie Existenzängste gehabt hätten? „Nie“, behauptet Gaida. „Wir wussten ja, dass wir es schaffen.“ Für die Mitarbeiter sei es sicher schwieriger gewesen. „Denen mussten wir erst das Vertrauen geben.“ Und Vertrauen in die Zukunft hatten die vier Chefs. Die Abhängigkeit habe ja beiderseits bestanden, betont Reichert. „Natürlich waren wir von den SCA-Aufträgen abhängig“, sagt er. „Andererseits waren einige Werke auch von uns abhängig. Ohne uns hätte man gar nicht die Logistik so schnell auf andere Dienstleister umstellen können“, glaubt Reichert.Harmonie und strikte AufgabentrennungDieses Selbstbewusstsein und -vertrauen hat sich ausgezahlt. Heute, zehn Jahre später, arbeitet BTK noch immer mit SCA zusammen. Inzwischen macht das Geschäft noch 20 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Hinzu kamen weitere namhafte Kunden wie Wepa (Papierfabrik), Bad Reichenhaller Salz, Saint-Gobain und die Rheinischen Kunststoffwerke (RKW), vorwiegend aus der Hygiene- und Verpackungspapier- sowie Kunststoffbranche. „Zwischen 400 bis 450 Ladungen täglich“ wickelt BTK ab und übernimmt für manche Kunden auch die gesamte Beschaffungs-, Versand- und Transportlogistik. Sowohl dank der eigenen Fahrzeugflotte von 200 Sattelzügen als auch durch die täglich für die übrige Menge gecharterten Transportpartner. Tag für Tag müssen diese Kapazitäten kostendeckend ausgelastet werden. Nicht umsonst kennen Reichert und sein Team inzwischen jede erdenkliche Internetplattform, um an das nötige Sendungsvolumen zu gelangen. Aber darüber machte sich der Geschäftsführer sowieso nie Gedanken: „Wir haben so viele Kontakte im Markt, dass wir die LKW immer voll bekommen“, sagt er.Trotzdem: die Selbstständigkeit hinterließ Blessuren: Erst verabschiedete sich Lorenz aus dem Gesellschafter-Kreis und übernahm die einstigen BTK-Niederlassungen in Belgien, Frankreich und in Spanien. Vor drei Jahren schied Ursula Goldhammer aus dem Unternehmen aus – „der Stress wurde ihr zu groß“ (Reichert). Heute herrscht Harmonie unter dem Geschäftsführer-Trio, die Aufgabenteilung bleibt aber strikt getrennt. Als Sprecher der Geschäftsführung verantwortet etwa Horst Gaida die Bereiche Fuhrpark, Spedition, Lagerlogistik, IT, Haftung und Versicherung, Organisation und strategische Planung, Reichert den Verkauf, das Marketing und Qualitätsmanagement. Franz Weiß ist Herr über die Finanzen und das Personal. Etwaige Reibereien? „Klar, ich bin für den TSV 1860, Reichert für den FC Bayern München“, sagt Gaida und lacht. Viel wichtiger aber sei, betont er, dass sich jeder zu 100 Prozent auf den anderen verlassen könne. „Wir vertrauen uns blind.“Seit Juli wird kurzgearbeitet Also alles paletti in Rosenheim? Nicht ganz. Die Wirtschaftskrise trifft auch das Unternehmen BTK Befrachtungs- und Transportkontor GmbH. Wie schwer, sagen die Geschäftsführer nicht. Einzige konkrete Angabe: Die Zahl der Aufträge sank im Vergleich zum letzten Jahr um 20 Prozent, besonders stark in der Glasindustrie. 2008 bewegten sie täglich noch rund 500 Ladungen. Heute spricht Reichert von „400 Ladungen“. In den Abteilungen Disposition Fremdfuhrpark national und Osteuropa, Organisation und Versicherung sowie Lademittelverwaltung wird seit Juli kurzgearbeitet. 30 Prozent der kaufmännischen Mitarbeiter sind davon betroffen. Ob am Ende, wenn die Flaute länger anhält, Mitarbeiter gehen müssen, ist offen. Davon gehen Gaida, Reichert und Weiß aber vorerst nicht aus, auch wenn das Frachtaufkommen, schätzen sie, erst in 2011 wieder ansteigen wird. „Zusätzlichen Umsatz gewinnt man derzeit nur über Verdrängung“, glaubt Reichert. Diese treffe aber vor allem Transportbetriebe mit drei bis fünf LKW, schätzt er. „Sie scheiden als erste aus.“ BTK habe hingegen „die richtige Betriebsgröße“ (Reichert). „In der Papierlogistik zählen wir sogar zu den größten Dienstleistern. Und Hygieneartikel benötigen die Menschen auch in Zeiten der Krise“, zeigt sich der Geschäftsführer zuversichtlich.Bleibt das Problem der Fahrzeugflotte. Immerhin stockte das Unternehmen innerhalb der letzten drei Jahre seinen Eigenfuhrpark von 20 auf 200 Sattelzüge auf. Sie belasten das Betriebsergebnis. Doch auch hier verbreitet Reichert Zuversicht. „Alle LKW wurden von uns ab Dezember 2006 auf drei Jahre geleast – mit Rückkaufswertgarantie. Die Verträge laufen alle in 2010 und 2011 aus“, beruhigt er. Sukzessive, nach einem exakt ausgeklügelten Auswechsel-Rhythmus, bestellt BTK nun die Ersatzfahrzeuge künftig auf drei Jahre verteilt, um flexibler auf Wirtschaftsschwankungen reagieren zu können. Was allerdings bis dahin mit den über 230 fest angestellten Fahrern passieren soll und wie viele Disponenten damit um ihren Arbeitsplatz bangen müssen, sagt Reichert nicht. Nur so viel verrät Gaida: „Wir legen demnächst die Disposition Eigen- und Fremdfuhrpark zusammen. Davon versprechen wir uns deutliche Einsparungen und Synergien.“ Zwischenzeitlich dreht das Rosenheimer Unternehmen an jeder Kostenschraube, die sich bietet. Insbesondere im ausgeweiteten Telematikeinsatz sehen die Geschäftsführer Potenzial: etwa in puncto Auftragsübermittlung, Lademittel-Erfassung sowie Leerkilometer-Optimierung. Nur in einem Bereich will die Spedition unter gar keinen Umständen sparen: „Unsere Disponenten werden wir auch künftig permanent schulen. Je besser sie informiert sind, desto effizienter können sie auch planen“, bringt es Reichert auf den Punkt.Und einen letzten Trumpf der BTK spielt Gaida aus. „Wir haben uns unlängst ein 25.000 Quadratmeter großes Betriebsgelände im Raum Rosenheim gekauft. Dort ziehen wir voraussichtlich nächstes Jahr unser neues Logistikzentrum auf – topmodern auf 5000 Quadratmetern Hallenfläche und 2500 Quadratmetern Bürofläche. Dann können wir unseren Kunden nicht nur Transportdienstleistungen bieten“, schwärmt er, „sondern auch die Ein- und Auslagerung von Waren sowie Kommissionier- und Konfektionier-Services.“ ❙❚■ Eva HassaPapierlogistik: nach wie vor einer der wichtigsten Umsatzbringer der BTK in RosenheimAnhand von Zuckerstücken erklärt BTK-Chef Reichert die Auswechslung seiner Leasing-LKWBTK Befrachtungs- und Transport-kontor GmbHDas Transport- und Logistikunternehmen BTK Befrachtungs- und Transportkontor (BTK), Rosenheim, wurde 1939 als Tochtergesellschaft der Aschaffenburger Zellstoffwerke (heute SCA Konzern) gegründet. 1999 übernahmen die heutigen Geschäftsführer Horst Gaida, Bernhard Reichert und Franz Weiß das Unternehmen BTK im Management-Buy-out. 2008 erwirtschaftete das Unternehmen mit 340 Mitarbeitern (davon 230 Fahrer, 18 Auszubildende) einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro. BTK sieht sich als Teil- und Komplettladungs- sowie Stückgutspezialist und verfügt über einen Fuhrpark mit 200 Einheiten. In 2009 zeichnete Martin Zeil, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, das Unternehmen mit dem Preis „Bayerns Best 50“ aus. Grund für die Auszeichnung war das rasante Wachstum des Transportdienstleisters in den letzten fünf Jahren. In dieser Zeit verdoppelte BTK seinen Umsatz von 24,8 auf 50 Millionen, die Mitarbeiterzahl vervierfachte sich von 84 auf 334.

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