Chemnitz. Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) darf nun auch den Güter- und Fernverkehr der Deutschen Bahn bestreiken. Das Sächsische Landesarbeitsgericht hob heute in einem Berufungsverfahren eine Einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Chemnitz auf, das nur Streiks im Regionalverkehr erlaubt hatte. Der Vorsitzende Richter Werner Leschnig begründete die Entscheidung damit, dass Streiks im Güter- und Fernverkehr nicht als unverhältnismäßig anzusehen seien. Eine Streikmaßnahme könne nur untersagt werden, wenn sie „eindeutig rechtswidrig“ sei. Die Gewerkschaft bekommt damit im laufenden Tarifkonflikt eine deutlich stärkere Position. Bis einschließlich Sonntag sind zunächst aber keine Aktionen geplant. Die Deutsche Bahn solle Gelegenheit haben, über ein neues Tarifangebot nachzudenken, hieß es bei der GDL. „Wir lassen dem Bahnvorstand Zeit zur Besinnung", sagte der stellvertretende GDL-Vorsitzende Claus Weselsky in der „ARD“. Die Lokführergewerkschaft will mit Streiks ihre Forderung nach einem eigenständigen Tarifvertrag und kräftige Einkommenserhöhungen durchsetzen. Nachdem sie mit Arbeitsniederlegungen im Regional- und S-Bahn-Verkehr bislang vor allem Pendler getroffen hat, will sie sich nun zunächst auf den Güterverkehr konzentrieren. Die deutsche Wirtschaft befürchtet im Falle von Streiks im Güterverkehr „drastische Schäden“. Das Gericht urteilte, der Gewerkschaft sei es unbenommen, sich des Mittel eines Streiks zu bedienen, um einen Tarifvertrag durchzusetzen. Die Höhe der Tarifforderung spiele dabei keine Rolle. Könnte ein Arbeitgeber bereits vorab einen Streik unterbinden, wäre das nicht verhältnismäßig, sagte Leschnig. In einer ersten Reaktion begrüßte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer das Urteil. Das Gericht habe „sich verfassungskonform entschieden und das gewerkschaftliche Streikrecht nicht einschränkt“. Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wird Streik im Güterverkehr ab einer Dauer von drei Tagen volkswirtschaftlich bedenklich. DIW-Abteilungsleiterin Claudia Kemfert sagte der „Frankfurter Rundschau“, man rechne dann mit einem Schaden in Höhe von 50 Millionen Euro pro Tag. Betroffen seien vor allem der Fahrzeugbau, die Stahlindustrie und der Transport fossiler Brennstoffe. Ab einer Streikdauer von sieben bis zehn Tagen vervielfache sich der Schaden theoretisch auf bis zu 500 Millionen Euro täglich und sei „volkswirtschaftlich nicht mehr zu verkraften.“ „Wenn die sehr empfindlichen Stellen, wie zum Beispiel die Häfen in Hamburg oder Bremerhaven, bestreikt werden, kann es sehr schnell zu Chaos kommen“, fügte Kemfert hinzu. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) sieht dagegen nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Chemnitz keine flächendeckenden Versorgungsengpässe auf die Zivilbevölkerung zukommen. Der LKW-Anteil im Bereich der Handelslogistik sei so hoch, dass die Bundesbürger sich nicht wegen Lokführerstreiks leeren Regalen gegenübersehen werden, hieß es aus Frankfurt. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl hatte bereits am Mittwoch vor Produktionsverlusten bei einem längeren Streik im Güterverkehr gewarnt. Die Stahlindustrie in Deutschland sei der größte Kunde der Bahn, sagte eine Sprecherin des Branchenverbandes. Etwa die Hälfte der Kohle, Erz, Stahl oder Schrott Transporte - rund 80 Millionen Tonnen im Jahr - werde mit der Bahn befördert. Schiffe und LKW könnten Kohle und Erze nicht in den benötigten Mengen liefern. (dpa/sb)
Gericht erlaubt Streiks im Güterverkehr

Landesarbeitsgericht sieht keine Unverhältnismäßigkeit: GDL hat keinen Streik für dieses Wochenende geplant