Frachtenbörsen: Der perfekte Match

"Im Moment können es sich Transportunternehmer aussuchen, welche Fracht sie fahren. Wer am besten bezahlt, der bekommt den Laderaum", beschreibt Gunnar Gburek, Company Spokesman des Erkrather Freighttech-Unternehmens Timocom, die derzeitige Situation im innerdeutschen Transportmarkt. So habe das Transportbarometer von Timocom zuletzt ein Verhältnis von Fracht zu verfügbarem Laderaum von 86 zu 14 gezeigt, sagt er. Zum Vergleich: Im Vorkrisenjahr 2019 waren Angebot und Nachfrage um diese Jahreszeit noch ausgeglichen. Auf Timocom selbst habe dies wenig Auswirkungen, meint Gburek. Sprich: Die Unternehmen, die die Transportplattform bislang genutzt haben, blieben ihr auch weiterhin treu. Nur stellten sie im Moment eben deutlich weniger Laderaum als Frachten ein. "Mit diesem Problem kämpft im Moment aber der gesamte Markt", meint er. Sprich: Transportplattformen müssen trotz knappen Laderaums die Nachfrage der Verlader händeln. Um hier erfolgreich bei Frachtführern zu punkten, arbeiten derzeit die Transportplattformen-Anbieter und digitalen Speditionen mit Hochdruck an interessanten Service-Neuerungen, insbesondere was den Match, also das Zusammenspiel zwischen Frachtführern und Verladern, verbessern soll. CoyoteGO: Präfenzen proaktiv festlegen So bietet die digitale Plattform CoyoteGO der UPS-Tochter Coyote Logistics mit "Smart Matches" ab sofort eine neue Funktion. "Diese Funktion ermöglicht es Frachtführern, proaktiv ihre Präferenzen festzulegen wie etwa bevorzugte Routen, Lkw-Typ, Gewichtsbeschränkungen, Frequenz und sogar Datum und Uhrzeit", erläutert Christof Thesinga, Director Marketing Europe von Coyote Logistics (siehe S. 30). Diese Funktion finde dann automatisch alle verfügbaren Ladungen und benachrichtige die Frachtführer in der gewünschten Häufigkeit (sofort, täglich, wöchentlich). Und die Buchung sei dann nur ein paar Klicks entfernt. "Das hilft unserem Netz von Frachtführern", betont er, "einen besseren Überblick über die verfügbaren Ladungen zu haben und Leerfahrten zu reduzieren." Das höre sich zwar nach einer einfachen Funktion an, dahinter stecke aber umfassendes Know-how und viel Entwicklungsarbeit, unterstreicht der Marketing-Direktor. Passgenauere Ladung mit Timocom Auch Timocom will mittels selbstlernender Softwarelösung künftig Transportbetriebe bei ihrer Suche nach Ladung noch passgenauer unterstützen und hat dafür unlängst einen Prototyp hierzulande und in Polen mit diversen Transportfirmen erprobt - weitere Test-Partner sind im Übrigen jederzeit willkommen, so Timocom-Sprecher Gburek. "Wir wollen mit dieser intelligenten Lösung erreichen, dass Disponenten und Frachtführern auf unserer Transportplattform künftig nurmehr die Fracht angezeigt wird, die sie wirklich für ihr Geschäft brauchen", erläutert er. Suche ein Unternehmer etwa ausschließlich Sendungen im 50-Kilometer-Umkreis seines Firmenstandorts, werde dies - so der Plan - in der Suchfunktion von Timocom hinterlegt und dem Frachtführer dann auf Anfrage vom System vorgeschlagen. So könne sich ein Unternehmer auch die Sendungen mit dem besten Preis vorschlagen lassen oder die Frachten, die ihm bestmöglich helfen, seine Leerkilometer zu senken. "Das hängt ganz von seinen Sendungs-Wünschen ab", betont Gburek. "Die stehen bei uns im Fokus, weshalb wir Neuerungen nur umsetzen, wenn sie einen klaren Mehrwert für unsere Kunden haben. Wir wollen ja vor allem die Firmen, insbesondere Disponenten und Frachtführer, in ihrem Tagesgeschäft unterstützen." Transporeon landet Coup mit TNX Paukenschlag auch seitens Transporeon: Im Juni übernahm die Ausschreibungsplattform das neuseeländische Startup TNX Logistics, eine auf Data-Science gestützte Plattform für Straßentransport. "Was uns an TNX begeistert, ist die einzigartige Verbindung von Logistik-Erfahrung und Wissen im Bereich Data-Science und -Engineering", schwärmt Stephan Sieber, CEO von Transporeon, im Gespräch mit der VerkehrsRundschau. So habe das zwölf Mitarbeiter starke Team von TNX einen lernenden KI-Algorithmus für den Straßengüterverkehr entwickelt, der Frachtanbieter (etwa industrielle Verlader und Speditionen) sowie Frachtführer im Spotmarkt noch passgenauer zusammenbringt. Price-Prediction-Tool wird smarter Das Besondere: TNX wende dafür Data- und Behavioural Science (Verhaltenslehre) auf die Logistikbeschaffung im Spot-Markt an, erklärt Sieber. Mit jeder Fracht-Transaktion, die über die Plattform erfolgt, lernt die Software also sehr vereinfacht formuliert dazu, welche konkreten Präferenzen der einzelne Fracht-Anbieter und der jeweilige Frachten-Nutzer haben, sprich: auf welche Touren reagieren diese etwa schneller und wo zögerlich. Schritt für Schritt könnten so, beschreibt der CEO das Ziel, Touren in einem dynamischen Markt noch zielgenauer für beide Seiten geplant und durchgeführt werden. Außerdem werde man das "Price-Prediction-Tool" von Transporeon dadurch weiter optimieren, kündigt der CEO an. Ziel sei es, Transportpreise dank der intelligenten Software von TNX künftig autonom ermitteln zu lassen. "Das ist smarter als heute", schwärmt Sieber, "weil langwierige Verhandlungen zwischen Verladern und Frachtführern entfallen." Alles in allem könnten Verlader bis zu 90 Prozent ihres Spot-Volumens über Transporeon/TNX künftig autonom an Transportdienstleister vergeben. Referenzkunde, der über das Tool schon seine Frachten im Ad-hoc-Markt vergibt, ist laut Sieber zum Beispiel die belgische Großspedition H. Essers. Zudem habe Transporeon diverse Pilotprojekte mit namhaften Nahrungsmittelproduzenten laufen. Sennder: Smart Match ist Riesenthema "Das Thema ,Smart Match' - sprich die passgenaue Vermittlung von Fracht - ist auch für uns ein Riesenthema", betont Julius Köhler, Mitgründer und Geschäftsführer der digitalen Spedition Sennder (siehe Kasten Seite 29) Bei Sennder sei dies quasi Alltag, sagt er. "Sonst könnten wir mit nur 850 Mitarbeitern nicht jeden Monat über 50.000 Ladungen managen. Das geht nur mit der richtigen Software, über die sich das Ganze steuern lässt." So wolle Sennder also immer die passende Ladung zum passenden Fahrzeug matchen, erläutert Köhler. Im Idealfall funktioniere dies wie im Billard-Spiel, in dem man immer ein, zwei Stöße vorausplane, veranschaulicht er den Workflow. Sprich: Es könne sein, so der Geschäftsführer, dass ein Lkw für seine erste Tour eine längere Anfahrt zur Beladung habe, dafür sei dieser Lkw dann der passgenaue Lkw am jeweiligen Entladeort, um dort die Folgeladung aufnehmen zu können. "Wir nehmen in die Kalkulation also immer drei bis fünf Segmente rein, um die ideale Fahrzeugauslastung zu realisieren", erklärt Köhler. "Das läuft vollständig automatisiert ab, sobald uns der Kunde den Transportauftrag via EDI oder API übermittelt hat." Mehr zum Thema finden Sie unter #Frachtenbörsen www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag "Unser Vorteil ist, dass hinter uns kein Konzern steht" Julius Köhler, Geschäftsführer Sennder Die Plattform von Coyote Logistics will im deutschen und europäischen Transportmarkt stärker punkten. Wie kommentieren Sie das? Das sehen wir gelassen, der Markt ist groß genug. Coyote ist schon seit einigen Jahren in Europa präsent. Zudem wechselte Ex-Coyote-Gründer Tim Philipps vor drei Jahren zu Sennder und ist dort für unsere Expansionsstrategie verantwortlich. Wir glauben auch, dass es für uns von Vorteil ist, dass hinter uns kein Konzern steht. Wir sind agil, da wir quasi auf einem weißen Blatt Papier arbeiten. Wie werden Sie sich nun im Markt aufstellen?Wir sind als digitale Spedition im Markt der Komplettladungen positioniert und stehen da schon an der Marktspitze in Europa. Organisch wachsen wir sehr, sehr stark in unserem Kerngeschäft, dem Brokerage-Geschäft. Zudem setzen wir den M & A-Kurs fort und streben die Übernahme weiterer kleinerer und mittlerer Speditionen an. Unser zweites Standbein ist unsere Saas-Software-Plattform und unser drittes Standbein ist die Control-Tower-Technologie, über die wir komplette Flotten wie etwa von Poste Italiane managen. Warum wollen Sie gerade jetzt im deutschen und eruopäischen Transportmarkt durchstarten? Christof Thesinga, Director Marketing Europe von Coyote Logistics in Amsterdam UPS hat schon vor sechs Jahren Coyote Logistics gekauft. Aber erst jetzt wollen Sie mit Ihrer Plattform von Coyote im europäischen und deutschen Transportmarkt stärker durchstarten. Warum gerade jetzt? UPS hatte ja auch, wie Sie wissen, in 2017 das britische Unternehmen Freightex, einen Assetlight-Anbieter für Straßentransporte von Komplett- und Teilladungen sowie Spezial- und Kühltransporten, gekauft. Dieses Geschäft haben wir nun in Coyote integriert. Hinzu kommt, dass derzeit die Transport-Ressourcen im Straßengüterverkehr knapp sind. Sprich: Es braucht Plattformen wie uns, die für die nötige Markt-Transparenz sorgen, um die Logistik am Laufen zu halten. Kurz: Es ist jetzt ein guter Zeitpunkt, unsere Marke hierzulande stärker bekannt zu machen. Coyote Logistics konkurriert hier mit Unternehmen wie Timocom, Trans.eu, Sennder & Co. Wie grenzen Sie sich von diesen ab? Timocom und Trans.eu sind reine Vermittlungsplattformen, die Angebot und Nachfrage zusammenbringen, aber nicht für die Durchführung verantwortlich sind. Wir sind dagegen eine digitale Spedition und gehen in die speditionelle Haftung – wie Sennder auch. Sprich: Wenn wir einen Transport zusagen, führen wir ihn auch durch. Das ist nicht immer billig, fallweise zahlen wir auch drauf. Doch diese Zuverlässigkeit ist unser großer Pluspunkt. Zusätzlich verfügen unsere Mitarbeiter (insgesamt 3500, in Europa 250) dank unserer Nähe zu UPS über sehr viel fachliche Expertise, etwa in puncto Zollrecht. Und unsere große Stärke sind das UK-Geschäft sowie Verkehre aus der EU nach UK und umgekehrt. Welche Vorteile hat ein Frachtführer, der mit der Plattform von Coyote arbeitet? Er erhält über uns die Fracht und muss sich um viele Fragen der Digitalisierung keine Gedanken machen. Das lösen wir alles für ihn. Die Plattform ist da. Alles was er für sein Geschäft braucht, den Zugang zu den Verladern, die Auftragsübermittlung, das Rechnungswesen, das Tracking & Tracing, ist da, und er kann es über uns abwickeln. Das kostet den Frachtführer nichts. Drei Tage nach Zustellung der Ware erhält er von uns seine Gutschrift. In Kürze Kann eine Transportplattform oder digitale Spedition einem Transportunternehmer eine Ladung passgenau vermitteln, zahlt sich das für alle aus: für den Transporteur, der zum Beispiel keine langen Anfahrtswege hat, für den Verlader, aber auch für die Umwelt. Was sich hier die Plattformen einfallen lassen, zeigt der Artikel.

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