Fluch und Segen

Im Geschäft mit dem Ortswechsel steckt Musik. Die Branche setzt pro Jahr geschätzte sieben Milliarden Euro um. Die alle zwei Jahre erscheinende Umzugsstudie des Marktforschungsunternehmens Umzug AG geht aktuell von 14 Millionen Umzügen jährlich aus. Vor allem ältere Wohnungswechsler und Firmen setzen dabei auf professionelle Umzugsunternehmen. Diese werden mehr und mehr über das Internet gesucht. Rund die Hälfte der Interessenten kommt heute schon über das Web, schätzen Branchenkenner. Verstärkt wird dieser Trend durch die zunehmende Präsenz von Umzugsportalen im Internet. Qualität spielt doch eine Rolle Einer dieser Anbieter ist Mymovingpartner.com aus München. Angefangen hat das Unternehmen vor drei Jahren mit dem Verleih von Mehrwegboxen für den Umzug. Die Kunden, vor allem aus dem gewerblichen Bereich, hätten dann aber schnell nach weiteren Dienstleistungen gefragt, sagt Federico Drago, Gründer und Chef von Mymovingpartner.com. Das Besondere bei dem Start-up ist, dass es nicht nur Adressen von Umzugsinteressenten aufnimmt und an Speditionen weiterleitet, sondern exklusiv mit der Confern-Gruppe zusammenarbeitet. Die Mannheimer Gruppe gehört mit 60 Partnern zu den größten Umzugsunternehmen im Land. Während sich die meisten Umzugsportale bei der Auswahl der Speditionen flexibel zeigen, sieht Drago die Vorteile einer exklusiven Zusammenarbeit vor allem in der Qualitätssicherung. Viele Kunden hätten nach Kontakten zu seriösen Unternehmen gefragt. Schließlich genießt die Branche nicht den besten Ruf. Ende vergangenen Jahres warnte Edina Brenner, Geschäftsführerin des Landesverbands Bayerischer Spediteure (LBS), vor Gelegenheitsanbietern, die oft unterhalb der Genehmigungspflicht des Güterkraftverkehrsgesetzes und ohne ausreichenden Versicherungsschutz, dafür aber zu Dumpingpreisen operierten. Das Problem sind nicht selten die Kunden selbst. Sie wählen ihr Umzugsunternehmen häufig einzig und allein anhand des Preises aus. Die Umzugsportale im Internet haben diesen Trend noch verstärkt, sagen Kritiker. Bei den meisten Plattformen, die im Internet zu finden sind, können Umzugswillige ihre Daten, die Adressen des Weg- und Hinzugsortes und das Volumen des Umzugs eingeben. Die Plattformen leiten diese Informationen gegen eine Gebühr an angemeldete Speditionen weiter. In der Regel zahlen die Firmen für jeden sogenannten Lead einen einstelligen Eurobetrag. Doch das kann schnell teuer werden. Wer nicht mit Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet überschwemmt werden will, kann Filter setzen. Das kostet extra. Auch der Erfolg der Plattformen ist undurchsichtig. Wie viele Abschlüsse letztlich zustande kommen, darüber wird geschwiegen. Und eines nehmen diese Plattformen den Unternehmen nicht ab: den Kampf um den Kunden. Das führt letztlich dazu, dass der Preiskampf bestehen bleibt. Auch der Bundesverband Möbelspedition und Logistik (AMÖ) betreibt mit Umzug.org eine eigene Plattform. Der Unterschied: Es wird mit Qualität geworben und nicht mit dem Preis. Anfragen werden nur an die Mitgliedsunternehmen der AMÖ weitergeleitet, die im Besitz des AMÖ-Zertifikates sind. Das verpflichtet die Partner zu einem bestimmten Qualitätsniveau. Derzeit sind über 730 Umzugsunternehmen mit dem Siegel unterwegs. Auf der Internetseite können Kunden bis zu drei Unternehmen auswählen, die dann die Adresse des Interessenten bekommen und ein Angebot abgeben müssen. Die AMÖ tritt hierbei als reiner Vermittler auf. Bei Portalen wie Mymovingpartner, Move24 und Movinga können Kunden dagegen den kompletten Umzug buchen. Die Portale nehmen die Daten der Kunden online auf, vereinbaren die Preise und Termine und schreiben am Schluss die Rechnung. Den eigentlichen Umzug übernehmen Partnerunternehmen. Bei Mymovingpartner.de, nach eigenen Angaben mit 40.000 Umzügen pro Jahr bedacht, bekommen die Speditionspartner nicht nur die Daten des interessierten Kunden, sondern den fertigen Auftrag, erklärt Drago. Als Vermittler erhält Mymovingpartner eine Provision. "Die Kundenkontakte sind exklusiv und man hat nicht automatisch sieben Mitbewerber", hofft Confern-Geschäftsführer Andreas Kölling auf ein Ende des Unterbietungswettbewerbs. Noch ist die Zusammenarbeit zwischen dem Umzugsnetzwerk und dem Start-up relativ neu. Nach einer ersten Einschätzung von Confern wachse die Zahl der Kundenkontakte langsam, aber stetig. Movinga verärgerte die Speditionen Zu den bekannteren Anbietern gehört auch Movinga. Allerdings machte das Unternehmen 2016 eher durch Skandale Schlagzeilen. Geschönte Zahlen und verärgerte Speditionspartner bedeuteten fast das Aus für das ehemals hochgelobte Startup. Vor allem das Geschäftsmodell, Umzüge zu Dumpingpreisen zu vermitteln, sorgte in der Branche für Unmut. Nun soll alles besser werden. 200 Mitarbeiter und die Gründer mussten gehen. Das neue Management versprach einen besseren Umgang mit Partnerunternehmen. Leider ließ das Unternehmen eine Anfrage der VerkehrsRundschau unbeantwortet. Der Internetseite ist immerhin zu entnehmen, dass die Registrierung für Spediteure kostenlos ist. Auch beim Online-Umzugsdienstleister Move24 buchen die Kunden den Umzug beim Anbieter der Plattform. Dieser wiederum beauftragt eine Spedition. Für die sei das kostenfrei. Die Mindestvoraussetzungen bei Move24 sind ein Gewerbeschein, eine Haftpflichtversicherung und eine Transportversicherung. Außerdem gebe es regelmäßige Qualitätskontrollen, versichert Move24. In Europa hat das Unternehmen nach eigenen Angaben 2000 Partnerspeditionen. Seit April arbeitet Move24 mit der Immobilienplattform ImmobilienScout24 zusammen. Hier bekommen die Kunden nach wie vor mehrere Angebote von den jeweiligen Umzugsunternehmen. Dennoch setzt auch Move24 eher auf Qualität. "Uns genügt es nicht, einfach eine preiswerte Plattform zu sein", erklärte Geschäftsführer Ante Krsanac vergangenes Jahr. Vielmehr wolle man mit Zusatzdiensten punkten. Seit diesem Jahr werden die Speditionen mit einer App ausgestattet, die per GPS-Tracking genauere Abhol- und Ankunftszeiten anzeigt. Für die Speditionen übernehme man neben der Kundenakquise die Planung des Umzugs sowie zusätzliche Dienste wie die Bereitstellung von Boxen oder das Einrichten von Halteverbotszonen und außerdem die komplette Kommunikation mit dem Kunden. Ob das immer im Sinne der Unternehmen ist, bezweifeln manche Speditionen. Schließlich läuft in der Branche viel über Empfehlungen. Auch das lukrative Geschäft mit Unternehmenskunden, die oftmals längerfristige Verträge vereinbaren, wollen sich die Speditionen ungern wegnehmen lassen. Eigenständig oder Subunternehmer Für Jorg Mühlenberg, Chef der Unternehmensberatung Pronto, kann die Zusammenarbeit mit Profi-Vermarktern für Möbelspediteure sinnvoll sein. "Grundsätzlich stellt sich jedem Transporteur die Frage, ob er fortan als Subunternehmer oder weiterhin unabhängig arbeiten möchte", sagt Mühlenberg. Wer sein eigenes Unternehmen im Internet professionell präsentiere, benötige keinen Vermittler. Wer diesen Aufwand nicht betreiben wolle oder könne, für den sei der Anschluss an ein Netzwerk zweckmäßig. Die Umzugsunternehmen bewerten die Zusammenarbeit mit den Plattformen unterschiedlich. Vor allem bei Movinga gibt es nach wie vor skeptische Stimmen. Da das Unternehmen vor allem über den Preis Aufträge generiere und trotz der eigenen Kosten ein wettbewerbsfähiges Angebot abgeben müsse, sei die Zusammenarbeit für normal kalkulierende Unternehmen oft kein lohnendes Geschäft, erklärt ein Unternehmer. Dennoch: "Für Möbelspeditionen wird es immer wichtiger, den Internettrend nicht zu verpassen", ist Mymovingpartner-Chef Drago überzeugt. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Möbel-Logistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers