Flexibel in der Krise

In schwierigen Situationen ist Fingerspitzengefühl gefragtFlexibel in der KriseDie wirtschaftliche Notlage erfordert auch im Personal-bereich maßgeschneiderte Lösungen. Das Arbeits-recht bietet Möglichkeiten, Entlohnung und Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Die wichtigsten Instrumentarien des Krisenarbeitsrechts.Keine Frage: Das deutsche Transportgewerbe befindet sich in einer schwierigen Lage. Zahlreiche Firmenpleiten hatte die Branche im vergangenen Jahr zu verzeichnen. Die Zahlen sind alarmierend. Transport- und Logistikunternehmer wissen, dass es in diesen Zeiten um alles geht, vor allem aber um Arbeitsplätze. Wie sollen sie auf die Krise reagieren? Betriebsbedingte Kündigungen sind ein Mittel, müssen aber nicht das erste sein. Weiterhelfen können nämlich auch flexiblere Arbeitsbedingungen. Das heißt: Kürzung von Boni, Arbeitszeitverringerung, Outsourcing und vieles mehr. Nicht alles wird im Einzelfall möglich sein. Umso wichtiger ist es, das ganze Instrumentarium des Krisenarbeitsrechts zu kennen. Abbau von Sonderzahlungen„Können wir an der Lohnschraube drehen?“, fragen viele Firmeninhaber dabei als erstes. Das ist nicht einfach, in gewissem Umfang aber möglich. Etwa durch den Abbau von Sonderzahlungen. Das setzt allerdings voraus, dass vorab, also bereits vor der ersten Auszahlung, ein Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt oder eine Rückzahlungsklausel vereinbart wurde. Ansonsten ist der Arbeitgeber auf den Ausspruch von Änderungskündigungen angewiesen, zu denen die Rechtsprechung sehr hohe Hürden aufgebaut hat. Beim Freiwilligkeitsvorbehalt macht der Arbeitgeber deutlich, dass die in Aussicht gestellte Leistung ohne Rechtsanspruch des Arbeitnehmers erfolgt und auch aus einer Zahlung kein Vertrauen auf künftige Leistungen erwachsen soll. „Das ist etwa möglich bei Jahressonderleistungen wie Weihnachts- und Jubiläumsgeld. Nicht vereinbart werden kann der Freiwilligkeitsvorbehalt dagegen für Vergütungsbestandteile mit unmittelbarem Leistungsbezug wie etwa Provisionen oder Zielvereinbarungen“, so Manfred Schmid, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Münchner Kanzlei M Law Group. Einen Freiwilligkeitsvorbehalt rechtssicher zu formulieren, ist nicht einfach. So sollten Arbeitgeber tunlichst das Wort „Anspruch“ vermeiden. Wer etwa formuliert: „Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Weihnachtsgeld“ und dann anfügt „Die Zahlung erfolgt freiwillig“, verhält sich laut Bundesarbeitsgericht (BAG) widersprüchlich, der Freiwilligkeitsvorbehalt ist unwirksam. Schmid rät deshalb: „Am besten gar nichts in den Vertrag hineinschreiben.“ Wer dann in guten Jahren trotzdem Weihnachtsgeld zahlen möchte, kann das tun. Er sollte allerdings bei jeder Zahlung darauf hinweisen, dass die Leistung freiwillig erfolgt und keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet.Achtung beim Formulieren von KlauselnEin Widerrufsvorbehalt bietet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Zusage einer jährlichen Sonderleistung zu widerrufen. Er ist sowohl anwendbar für echte Gratifikationen wie das Weihnachtsgeld als auch für Vergütungsbestandteile mit unmittelbarem Leistungsbezug. „Damit die Regelung wirksam ist, muss sie zumindest schlagwortartig erkennen lassen, aus welchem Grund der Arbeitgeber die Zahlung widerrufen kann, also etwa wegen eines Gewinneinbruchs, oder einer wirtschaftlichen Notlage“, betont Fachanwalt Schmid. Ansonsten ist die Klausel unwirksam. Außerdem müsse der Arbeitgeber sicherstellen, dass der verbleibende Gesamtverdienst des Mitarbeiters um weniger als 25 Prozent sinkt. Auch der Tariflohn dürfe nicht unterschritten werden. Ist die oft verwendete Formulierung „Die Zahlung erfolgt freiwillig und unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs“ vor diesem Hintergrund überhaupt zulässig? „Diese Klausel ist laut BAG widersprüchlich“, warnt Arbeitsrechtsexperte Schmid. Eine solche Kombination aus Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt legt das BAG als Widerrufsvorbehalt aus. Fatale Folge: „In der Regel sind hier die Widerrufsgründe nicht genannt, die Klausel ist unwirksam“, so der Anwalt. Rechtliche Vorgaben seitens der Arbeitsgerichte gibt es auch zu den sogenannten Rückzahlungsklauseln. Diese sehen vor, dass der Mitarbeiter Weiterbildungskosten, Gratifikationen oder Umzugskosten zurückzahlen muss, wenn er das Unternehmen vor einem bestimmten Stichtag verlässt (siehe auch Kasten unten). Solche Klauseln dürfen de facto nicht dazu führen, dass der Mitarbeiter an seinem Kündigungsrecht gehindert wird.Reicht der Abbau von Sonderzahlungen nicht aus, möchten manche Arbeitgeber gerne den arbeitsvertraglich vereinbarten Lohn reduzieren. Einseitig ist dies nicht möglich. Sie können jedoch versuchen, eine Änderungsvereinbarung mit dem Mitarbeiter zu treffen. Die praktische Umsetzung eines solchen Lohnverzichts erfordert aber extrem hohe Überzeugungskraft. Sehen die Mitarbeiter nicht ein, dass diese Maßnahme wirklich notwendig ist, werden sie kaum einwilligen. Eine „Gegenleistung“ des Arbeitgebers könnte hier zum einen darin bestehen, die Maßnahme zeitlich zu befristen. Zum anderen können sie eine Beschäftigungssicherung vereinbaren, indem sie für die Zeit des Lohnverzichts – oder darüber hinaus – betriebsbedingte Kündigungen ausschließen. Möglich ist das Ganze in der Regel jedoch nur, wenn kein Tarifvertrag gilt. Änderungskündigungen zur Lohnreduzierung sind nur unter extrem engen Voraussetzungen möglich.Mit Betriebsferien Krise überbrückenNeben der Anpassung der Vergütung können Arbeitgeber auch die Arbeitszeit flexibler gestalten. So kann das Unternehmen etwa die Mitarbeiter statt in einer 40-Stunden-Woche künftig nur 35 Stunden arbeiten lassen. Auch hier gilt: Eine Änderungsvereinbarung mit den Mitarbeitern hängt ebenso wie beim Lohnverzicht von deren guten Willen ab. Änderungskündigungen sind, wenn auch in einem engen Rahmen, möglich, wenn der Unternehmer sich entscheidet, die betrieblichen Abläufe umzustrukturieren und die Änderungskündigung darauf stützt. Helfen kann auch die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle, die es dem Unternehmen ermöglichen, auf konjunkturelle Schwankungen zu reagieren. So können Arbeitnehmer in guten Zeiten mehr arbeiten und ein Arbeitszeitguthaben erwerben, das sich dann in Krisenzeiten abschmelzen lässt. Allerdings: Der Arbeitslohn ist jeden Monat in unveränderter Höhe zu bezahlen und bringt damit keine unmittelbare Entlastung für den Arbeitgeber. Bei der Einführung solcher Arbeitszeitmodelle hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Besteht kein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber mit jedem einzelnen Mitarbeiter eine entsprechende Vereinbarung treffen. Dabei muss er die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes sowie etwaige tarifliche Regelungen beachten. Eine weitere Möglichkeit, Krisenzeiten zu überbrücken, ist die Anordnung von Betriebsferien. Dabei wird der Betrieb ganz oder teilweise vorübergehend geschlossen und Erholungsurlaub angeordnet. Die Betriebsurlaubszeiten werden vom Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers abgezogen. Allerdings muss der Arbeitgeber die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigen. Und er muss den Mitarbeitern eine angemessene Zahl an Urlaubstagen zur freien Verfügung lassen. Das BAG sagt etwa 2/5. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, hat er im Hinblick auf die Einführung, Dauer und zeitliche Lage des Betriebsurlaubs ein Mitbestimmungsrecht. ❙❚■ Ina Reinsch, freie JournalistinDiese Regeln gelten für RückzahlungsklauselnRückzahlungsklauseln sehen vor, dass der Mitarbeiter Weiterbildungskosten, Gratifikationen oder Umzugskosten zurückzahlen soll, wenn er vor Ablauf bestimmter Fristen kündigt. Solche Klauseln müssen klar, verständlich und nicht an überraschender Stelle formuliert sein. Daneben hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor allem zur Frage der Bindungswirkung zeitliche Vorgaben gemacht. So ist etwa die Rückforderung von Fort- und Weiterbildungskosten von der Dauer der Weiterbildung abhängig. Wird der Mitarbeiter etwa für einen Lehrgang bis zu zwei Monate freigestellt, ist eine Rückforderung für den Zeitraum von maximal einem Jahr zulässig. Umzugskosten dürfen allerhöchstens drei Jahre lang zurückgefordert werden und auch nur in Höhe eines Monatsgehalts. Bei Gratifikationen kommt es auf die Höhe der Zahlung an: Für Beträge unter 100 Euro sind Rückzahlungsklauseln unwirksam. Beträgt die Gratifikation weniger als ein Monatsgehalt, ist eine Bindungswirkung von drei Monaten zulässig. Bei höheren Zahlungen sogar bis zu sechs Monaten. Grundsätzlich muss aber jede Rückzahlungsklausel im Einzelfall auf ihre Zulässigkeit geprüft werden. ir

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