Fahrermangel: Eine bedenkliche Zahl

In Kürze Die Zahl steigt unaufhörlich: Aktuell fehlen in Deutschland rund 70.000 Lkw-Fahrer auf dem Markt. Das ist das Ergebnis einer Konsortialstudie, die als Ziel hatte, den tatsächlichen Bedarf in Deutschland zu ermitteln. Zeitgleich geben die Autoren auch Anreize, wie der angespannten Situation begegnet werden kann. Aschaffenburg hat etwa 70.000 Einwohner. Stellen Sie sich vor, alle Menschen, die dort leben, wären Lkw-Fahrer. Wäre dem so, dann gäbe es in Deutschlands Lastwagen keinen Personalmangel. Vor einem Jahr hatten führende Wissenschaftler mehrerer Universitäten und Hochschulen eine Studie zum tatsächlichen Fahrermangel in Deutschland initiiert - jetzt liegen die Ergebnisse vor. Die Autoren befassten sich mit der komplizierten Frage, wie viele Lkw-Fahrer tatsächlich auf dem deutschen Markt fehlen. Das ist gar nicht so einfach zu beantworten, denn die Bundesagentur für Arbeit ist laut den Autoren die einzige Institution in Deutschland, die feingliedrige Statistiken über offene Stellen führt - die Zahlen können aber zum Beispiel durch Mehrfach-meldungen von Zeitarbeitsfirmen verzerrt sein. Zeitgleich bietet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) eigenen Angaben zufolge valide Daten für den gesamtwirtschaftlichen Arbeitskräftebedarf an, aber nicht für einzelne Berufe. Für die Studie haben die Autoren beide Quellen, also die Bundesagentur für Arbeit und das IAB, einfließen lassen und durch ein eigenes Korrekturmodell konkretisiert. Fachkräftelücke nicht -mangel Heraus kam die Zahl von 70.000 Lkw-Fahrern, die Deutschland zum Ende des Jahres 2023 fehlen - oder wie eingangs im Vergleich dargestellt: eine Stadt so groß wie Aschaffenburg. Dies stellt den Wissenschaftlern zufolge den tatsächlichen Bedarf auf dem deutschen Markt dar. Wichtig ist die Unterscheidung: Das Wort Fachkräftemangel sagt den Autoren zufolge aus, dass es zwar Lkw-Fahrer gibt, sich diese aber aus diversen Gründen nicht mit potenziellen Arbeitgebern einig werden. Die Zahl 70.000 dagegen stellt die Fachkräftelücke dar, was bedeutet: Auf dem Arbeitsmarkt fehlen 70.000 Menschen, die die Qualifikation zum Berufskraftfahrer haben. Welche Ursachen gibt es? Die gut 80-seitige Konsortialstudie geht auch auf die Hintergründe der Fachkräftelücke ein. Wenig überraschend finden sich darin Gründe wie die fehlende Wertschätzung und Work-Life-Balance oder auch die generellen Arbeitsbedingungen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine Umfrage des Portals Jobmatch, welches als Konsortialpartner in der Studie aufgetreten ist. Befragt wurden mehrere Hundert Lkw-Fahrer unterschiedlichen Alters und mit verschiedenen Aufgabenschwerpunkten. Insgesamt zeigt sich in den Ergebnissen, dass Fahrer monetäre Gründe nicht prinzipiell als wichtigste Wünsche an ihr Berufsfeld aufführen. Dagegen finden sich auf den oberen Plätzen Erwartungen wie "wertschätzendes Feedback durch den Chef", "tolles Team und super Arbeits-atmosphäre" oder "Individualisierung am Fahrzeug". Eine weitere wichtige Erkenntnis: Sobald sich Lkw-Fahrer für ihren Beruf entschieden haben, ist der überwiegende Anteil zufrieden mit dem Job. Wenn Geld nicht wirkt Was bedeutet das in der Konsequenz? Der Studie zufolge lassen sich aus den gewonnenen Informationen mehrere wesentliche Empfehlungen ableiten - etwa, dass Arbeitgeber darauf abzielen sollten, dem Fahrpersonal Wertschätzung, Unterstützung und Perspektive zu vermitteln. Für Transportunternehmen und Logistikdienstleister wird eine ganze Reihe an Maßnahmen vorgeschlagen, die sich natürlich nicht überall einfach umsetzen lassen. So sei beispielsweise die Bereitstellung bereits beladener Trailer (Vorladeequipment) eine Maßnahme, die dazu führen kann, dass Lkw-Fahrer mehr Arbeitszeit hinter dem Lenkrad und nicht an der Rampe leisten können. Auch der Austausch zwischen Transporteur und Auftraggeber mit Prognosetools könne eine Effizienzsteigerung zur Folge haben. In einem konkreten Beispiel, das in der Studie genannt wird, stellt ein Industrieunternehmen seinem Dienstleister regelmäßig Prognosen über die zu erwartende Transportmenge zur Verfügung. Neue Modelle? Zudem schlagen die Studienautoren auch vor, neue Arbeitszeitmodelle für Lkw-Fahrer zu testen; so könne man beispielsweise jüngere Generationen für sich gewinnen. Auch der Einsatz von Fahrerbetreuern wird besonders für größere Unternehmen empfohlen. Dagegen stelle sich eine Fahrer-sucht-Fahrer-Prämie eher als ungeeignet dar, da dadurch keine neuen Fachkräfte für den Markt gewonnen würden. Schlussendlich kann der Studie zufolge auch die Politik zur Verbesserung der Situation beitragen: zusätzliche Park- und Rastanlagen, der Führerschein mit 17, Ausweitung des Einsatzes von Lang-Lkw oder staatlich geförderte Image- und Ausbildungskampagnen: Es gebe etliche Maßnahmen, die Wirkung zeigen könnten. Seitens der Branchenverbände ließen die Reaktionen nicht lange auf sich warten. So bewertet beispielsweise der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) vor allem die Maßnahme des Vorladeequipments als vielversprechend und fordert zeitgleich rechts-verbindliche Regelungen zur Be- und Entladung durch das Fahrpersonal. Der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik bezeichnet die in der Studie ermittelte Fachkräftelücke als besorgniserregend und fordert sowohl die Politik als auch die Wirtschaftsakteure auf, die vorgegebenen Pfade zu beschreiten. Wie der Bundesverband Wirtschaft Verkehr und Logistik (BWVL) die Ergebnisse interpretiert, lesen Sie auf den folgenden beiden Seiten. Mehr zum Thema finden Sie unter #Fahrermangel www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag

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