EU-Verkehrspolitik: Mehr Klimaschutz im Güterverkehr

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine fordert uns alle auf dramatische Weise heraus. Russland greift nicht nur unschuldige Menschen in der Ukraine an, sondern auch unsere Werte. Daher müssen wir alles tun, damit die russische Aggression nicht zum Erfolg führt. Dazu gehört auch, dass wir so schnell wie möglich komplett unabhängig von fossilen Brennstoffen aus Russland werden. Das gilt in erster Linie für Gas. Hier müssen wir alle Alternativen nutzen, kurzfristig inklusive Kohle und Kernenergie. Aber es gilt auch für Erdöl und die Produkte, die daraus hergestellt werden. Kampf der Klimakrise Durch die Verflechtung im Weltmarkt heißt leider Diesel zu verbrauchen, immer noch indirekt Geld nach Russland zu schicken. Viele Unternehmen im Güterverkehrsgewerbe ächzen unter den hohen Energiekosten. Die Politik auf allen Ebenen muss kurzfristig helfen, damit nicht ganze Supply-Chains zusammenbrechen. Die Entlastung muss aber gezielter sein als bisher. Gleichzeitig bleibt die Bekämpfung der Klimakrise die größte langfristige Aufgabe unserer politischen Generation. Wir müssen jetzt mehr für den Klimaschutz tun, bevor wir einen Punkt erreichen, an dem es kein Zurück mehr gibt und künftige Generationen mit den schrecklichen Folgen einer unkontrollierbaren globalen Erwärmung konfrontiert werden. Mindestens 55 Prozent weniger Emissionen in der EU bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050 - diese Ziele können wir nur erreichen, wenn alle Bereiche ihren Beitrag leisten. Auch die Energiekrise, die aus dem Angriff Russlands auf die Ukraine folgt, verdeutlicht noch einmal, welche Anstrengungen wir schon jetzt unternehmen müssen, um unsere Art zu wirtschaften und zu leben langfristig zu ändern. Diese drei Herausforderungen müssen gemeinsam angegangen werden und im Prinzip haben sie alle die gleiche Ursache: unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Auf alternative Antriebe zu setzen, erneuerbare Energien stärker zu nutzen und in der Gesamtgesellschaft energieeffizienter zu werden, ist das Gebot der Stunde. Daher ist das "Fit for 55"-Paket der Europäischen Kommission jetzt notwendiger denn je. Wir müssen kurzfristige Anpassungen durchführen, aber die 2030-Ziele dürfen nicht infrage gestellt werden, um denjenigen, die in Alternativen zu fossilen Brennstoffen investieren, Rückenwind und keinesfalls Gegenwind zu geben. Wir brauchen sie in den nächsten Jahren noch dringender. EU-ETS setzt klare Leitplanken Das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) ist dabei das wichtigste Instrument der EU zur Bekämpfung des Klimawandels. Es gibt CO2 einen Preis - denn es verpflichtet Unternehmen, sich die Erlaubnis zum Ausstoßen von CO2 in Form von Zertifikaten zu erkaufen. Indem die Anzahl der ausgegebenen Zertifikate und damit auch die erlaubte Menge der in der EU erlaubten Emissionen kontinuierlich reduziert wird, setzt der Emissionshandel klare Leitplanken für die Erreichung unserer Klimaziele in diesen Bereichen. Der Europäische Emissionshandel besteht bereits seit 2005 und gilt bisher nur für die Bereiche Stromerzeugung, energieintensive Industrie und Flugverkehr. Im letzten Fall allerdings mit einer relativ großzügigen Regelung für kostenlose Zertifikate. Über die Jahre wurde das System immer wieder angepasst. Der Verkehrssektor wurde dabei bisher weitestgehend außer Acht gelassen, obwohl hier erhebliche Einsparungen nötig sind. Die Kommission hat in der neuesten Reform des Emissionshandels vom 14. Juli 2021 auf diese Entwicklung reagiert und den gesamten Verkehrssektor im ETS verankert. Insbesondere die Einbeziehung des Seeverkehrs in den ETS war eine lang bestehende Forderung des Parlaments, die nun endlich erfüllt wurde. Dass der ETS funktioniert, zeigt sich schon beim Vergleich der Emissionen aus dem Energie- und Transportsektor: In den letzten 20 Jahren hat die Energiewirtschaft, die dem ETS unterliegt, deutlich Emissionen eingespart, während die Emissionen im Transportsektor sogar noch gestiegen sind und heute über ein Viertel der EU-weiten Emissionen ausmachen. Über die Einbeziehung der Stromproduktion in den ETS unterliegt paradoxerweise der Zugverkehr, also ausgerechnet eines der klimafreundlichsten Transportmittel, bereits dem europäischen CO2-Preis, die restlichen Verkehrsmittel jedoch nicht. Dies ist aus klimapolitischer Sicht völlig unverständlich. Klimafreundliche Lösungen belohnen Insbesondere der Straßenverkehr macht im Vergleich mit 72 Prozent den größten Anteil an den gesamten Verkehrsemissionen aus (2019) aus. Lkw, Busse und Reisebusse sind sogar für etwa sechs Prozent der Gesamtemissionen in der EU verantwortlich. Zwar gibt es hier auf EU-Ebene seit 2019 erste Emissionsgrenzwerte für neue Fahrzeuge, doch schon bei den Grenzwerten für Pkw zeigt sich, dass selbst bei sehr drastischen CO2-Vorgaben die ambitionierten Ziele dadurch allein nicht erreicht werden können. Insbesondere bei Fahrzeugen, die schon von Speditionen genutzt werden, wird keinerlei Anreiz gegeben, die Flotte emissionsärmer umzubauen. Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass die gesteigerten Ambitionen sich nur erreichen lassen, wenn jeder, der in klimafreundliche Technologien investiert, belohnt wird und es ein klares Marktsignal gibt, dass sich jede Investition in dieser Hinsicht für den Einzelnen und die Firmen auszahlt. Mit Ordnungsrecht und Verboten allein wird der "Green Deal" daher nicht umsetzbar sein. Klar ist, wir brauchen beides - ambitionierte CO2-Standards und einen EU-Emissionshandel. Wir müssen allerdings sehr viel stärker als bisher darauf achten, dass das Geld nicht im allgemeinen Haushalt versickert, sondern zielgerichtet für Innovationen im jeweils betroffenen Wirtschaftsbereich, also zum Beispiel im Güterverkehr, eingesetzt wird. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Mit der aktuellen Reform wird auch ein neuer ETS für Wärme und Straßenverkehr geschaffen. Anders als beim ETS für Seeund Flugverkehr muss hier jedoch nicht der Besitzer des Fahrzeugs die Zertifikate ersteigern, sondern die Brennstoff-Inverkehrbringer. Der CO2-Preis wird also einfach unkompliziert über das Benzin gezahlt, ähnlich dem deutschen Brennstoff-Emissionshandel. Die derzeitige Situation ist eine dramatische Wettbewerbsverzerrung für das deutsche Güterverkehrsgewerbe. In Deutschland gilt ein CO2-Preis für den Straßenverkehr, in Europa nicht. Mein Ziel ist es, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu schaffen. Es darf nicht sein, dass es in Zukunft für polnische oder tschechische Güterverkehrsunternehmen noch attraktiver wird, Logistikleistungen innerhalb Deutschlands durchzuführen, weil sie einfach nur auf der anderen Seite der Grenze tanken müssen, um den CO2-Preis zu umgehen. Durch die Einführung des neuen Systems auf europäischer Ebene entfällt dieser Vorteil. Klar ist, dass das System so reguliert werden muss, dass Logistikunternehmen in der EU auch gegenüber Drittstaaten nicht ernsthaft benachteiligt werden. Dies gilt insbesondere für Frachtfluggesellschaften, Flughäfen, Reedereien und Häfen, deren Wettbewerbsfähigkeit wir dringend absichern müssen. Dieses wichtige Problem haben Rat und Parlament erkannt und konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, die nun ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen sind. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Verhandlungen zum Emissionshandel und aller anderen Vorschläge aus dem "Fit for 55"-Klimapaket auf den Prüfstand gestellt. Von langer Hand geplant, haben sich die Energiepreise schon im vergangenen Jahr kontinuierlich verteuert. Auf der Suche nach Entlastung von Verbrauchern und Unternehmen hat die deutsche Regierung die für Anfang 2023 geplante Erhöhung des deutschen CO2-Preises schon um ein Jahr verschoben. Das ist jetzt aber das absolut falsche Zeichen. Mit unseren Energieimporten finanzieren wir Putins Krieg. Einnahmen durch EU-Emissionshandel Die nachhaltige Umstellung unserer Industrie-, Energie- und Verkehrssektoren lässt uns nicht nur langfristig unsere Klimaziele erreichen, sondern senkt auch unseren Energiebedarf aus fossilen russischen Quellen. Zudem startet der ETS nicht in der derzeitigen Situation, sondern der CO2-Preis für Schiffe, Flugzeuge und Lkw soll erst in einigen Jahren eingeführt werden, wenn der Ukrainekrieg und die Energiekrise hoffentlich beendet sind. Der Anteil des ETS am Energiepreis ist zudem relativ gering. Ein Vorteil des Emissionshandels ist zudem, dass er auch Einnahmen generiert, die gezielt zur Entlastung der Betroffenen und zur Förderung von Innovation von Verkehrsmitteln und Kraftstoffen eingesetzt werden können. Durch spezielle Fonds wird dabei auch insbesondere der Verkehrsbereich gefördert. Insbesondere die Einführung von Differenzverträgen (Carbon Contracts for Difference), die durch die Einnahmen des ETS finanziert werden sollen, werden dabei weitere Anreize für Investitionen in die Dekarbonisierung des Verkehrssektors, der Logistikbranche und der dahinterstehenden Industrie schaffen. Es kann indes nicht oft genug betont werden, dass die Einnahmen anders als bisher in Deutschland und auch in Europa zielgerichtet ausgegeben werden müssen und für Entlastungen an der richtigen Stelle gesorgt werden muss. Genau das hat die CDU auch bei ihrem Bundesparteitag in Hannover beschlossen. Wir wollen die Anhebung des CO2-Preises nicht aussetzen, das Geld aber zielgerichtet zurückgeben. Die Hitze des Sommers und die Naturkatastrophen im zur Neige gehenden Jahr 2022 haben gezeigt, dass der Klimawandel ganz konkret Schäden in Mitteleuropa verursacht. Aus diesem Grund dürfen wir unsere Klimaziele auch in diesen Krisenzeiten nicht aufgeben. Der Emissionshandel wird uns auf dem Weg zur Klimaneutralität die richtigen Anreize geben. Indem wir also alle Sektoren des Verkehrssektors in das ETS einbeziehen, schaffen wir für den Güterverkehr auf verschiedene Weisen gleiche Wettbewerbsbedingungen in der EU. Dadurch wird sichergestellt, dass das umweltfreundlichste Verkehrsmittel zum billigsten Verkehrsmittel wird. Durch marktorientierte Maßnahmen können wir also den Übergang der EU zu einer umweltfreundlichen Mobilität beschleunigen, die sich rechnet. Autor: Peter Liese, Europaabgeordneter und umweltpolitischer Sprecher der EVP Seit 1994 ist Peter Liese Abgeordneter im Europäischen Parlament für die CDU. Er ist Koordinator der Europäischen Volkspartei (EVP), der größten Fraktion im Parlament, im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Im Rahmen des Klimareformpakets "Fit for 55" verhandelt er als Berichterstatter des Europäischen Parlaments momentan die Reform des EU-Emissionshandels mit den Mitgliedstaaten. Peter Liese wurde 1965 in Olsberg geboren und studierte Medizin in Marburg, Aachen und Bonn. Er promovierte am Humangenetischen Institut der Universität Bonn. eh

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