Energiesteuern

EnergiesteuernHöhere Steuern für den Klimaschutz?Vor dreizehn Jahren forderten die Grünen einen Benzinpreis von fünf Mark. Heute scheint die Erhöhung der Energiesteuern kein Thema mehr. Doch wird der Staat in den nächsten Jahren nicht doch an der Verbrauchssteuerschraube drehen? Nein, verspricht die Politik. Ja, glauben Verbände und Wissenschaftler.Das Ziel ist klar: Bis zum Jahr 2020 muss der Verkehr seine CO2-Emissionen deutlich reduzieren. Die Maßnahmen, mit denen dieses Ziel erreicht werden kann, sind hingegen weniger klar. Eine Möglichkeit aus Sicht zahlreicher Umweltverbände: die Erhöhung der Mineralölsteuer. Seit acht Jahren ist der Steuersatz mit rund 65 Cent auf Benzin und 47 Cent auf Diesel konstant – zuvor hatte es von 1999 bis 2003 durch die rot-grüne Bundesregierung jeweils zum Jahresbeginn Steuerzuschläge von rund 3 Cent pro Liter gegeben. Schaut man über den deutschen Tellerrand, befindet sich Deutschland bei der Steuerbelastung (inklusive Mehrwertsteuer, siehe Grafik unten) im europäischen Vergleich im oberen Drittel. Noch wird die Diskussion um eine Erhöhung mehr in der Wissenschaft als in der Tagespolitik geführt – im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten. So hat Italien gerade im Rahmen eines Sparpaketes die Erhöhung der Mineralölsteuer um satte vier Cent beschlossen, erst im April hatte die Regierung die Steuer um drei Cent angehoben. In Griechenland wurde im Zuge der Sparmaßnahmen 2010 die Mineralölsteuer um 26 Cent pro Liter angehoben. Deutsche Politik: Erhöhung kein ThemaWäre ein solches Szenario auch in Deutschland denkbar? Deutsche Politiker wiegeln ab. So lehnt Patrick Döring, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, preissteigernde Maßnahmen grundsätzlich ab. „Die staatliche Belastung von Energie durch Steuern darf in den nächsten Jahren auf keinen Fall steigen“, sagt der Liberale. Es gebe weitaus intelligentere Systeme, das Verkehrsverhalten zu beeinflussen. Der Bundestagsabgeordnete verweist jedoch auf die politische Konkurrenz: „Wir als Liberale glauben nicht, dass der Staat durch die Energiebesteuerung lenkend eingreifen muss – im Gegensatz etwa zu den Kollegen von den Grünen“. Döring glaubt, dass in anderen Regierungskonstellationen mit grüner Beteiligung das Thema Mineralölsteuererhöhung „sicher wieder auf den Tisch kommt“. Doch fragt man einen der führenden Grünen in der Verkehrspolitik, den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, zeigt dieser wenig Interesse an einer Diskussion über höhere Kraftstoffsteuern: „Ohne passendes Gesamtkonzept darf man die Mineralölsteuer nicht erhöhen“, meint er und ergänzt: „Oft gibt es zielführendere Mittel als die direkte Besteuerung“. Auf die grüne Fünf-Mark-pro-Liter-Benzin-Forderung aus dem Wahlkampf 1998 angesprochen, stellt Hofreiter fest: „Die Ökosteuer hat nicht unbedingt die Effekte erzielt, die wir uns erhofft haben. Insofern ist die Fortführung dieser auch bei uns Grünen noch umstritten und steht zurzeit nicht auf der Agenda.“ Genau diese Ökosteuer nimmt Dieter-Lebrecht Koch (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Europaparlament, ins Visier. „Es kann nicht sein, dass in Deutschland der Dieselpreis selbst verschuldet viel höher ist als in den Nachbarländern. Zumindest der Ökosteueranteil am Dieselpreis sollte entfallen“, fordert er im Gespräch mit der VR. BWVL rechnet mit SteuererhöhungenDass es soweit kommt, daran glaubt Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) nicht. Aus seiner Sicht werden alleine die Energieeinsparziele für den Verkehrssektor zu Steuererhöhungen führen. Und er wirft noch ein weiteres Argument in die Waagschale: „Der Staat wird den Steuerausfall, den er durch immer effizientere Fahrzeuge bekommen wird, sicher durch eine Erhöhung zum Beispiel der Mineralölsteuer kompensieren wollen.“ Der Staat hat auf jeden Fall viel zu verlieren, immerhin nimmt er durch die Energiesteuer, wie die Steuer mittlerweile heißt, rund 40 Milliarden Euro jedes Jahr ein. Zum Vergleich: Die Tabaksteuer als zweitertragsreichste Verbrauchssteuer bringt dem Fiskus nur rund 13,5 Milliarden Euro ein. Und so glauben zahlreiche Wissenschaftler, dass das Thema Mineralölsteuer auf lange Sicht wieder aufs Tableau kommen wird. „Ich halte die Ökosteuer als politische Option für attraktiv, da sie in ihrer Grundlogik politisch klar vermittelbar ist“, sagt etwa der Wirtschaftswissenschaftler Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie (siehe Interview unten). Und auch Professor Franz Josef Radermacher vom Club of Rome setzt auf eine Erhöhung der Mineralölsteuer (siehe Interview Seite 24).Einen weiteren Anstoß in Sachen Energiebesteuerung gab vor einigen Wochen Algirdas Semeta, der in der EU für Steuern zuständige Kommissar. Der Litauer schlug vor, Kraftstoffe in Zukunft nach ihrem Energiegehalt zu besteuern. Die Pläne sehen vor, den Mindeststeuersatz auf Diesel von derzeit 33 Cent bis 2018 auf 41,2 Cent anzuheben. Diesen Teil des Vorschlages begrüßt CDU-Mann Koch, da er dazu führe, dass andere Länder ihre Preise anheben müssen. „Die EU behebt den Wettbewerbsnachteil für uns“, sagt der EU-Politiker. Doch die neue Kraftstoff-Besteuerung nach Energiegehalt hat aus deutscher Sicht auch eine Kehrseite: Nach Willen der EU soll Diesel entsprechend seinem Energiegehalt 17 Prozent teurer werden als Benzin. Bisher ist in Deutschland das Gegenteil der Fall. So könnten die EU-Pläne auf lange Sicht die deutsche Regierung dazu zwingen, entweder den Dieselpreis zu erhöhen oder den Benzinpreis zu senken. Im ersten Fall wäre „das Geschrei bei der Automobilindustrie groß“, prognostiziert Ismail Ertug, für die Sozialdemokraten Mitglied im Verkehrsausschuss des Europaparlaments. Er glaubt deshalb nicht an eine Umsetzung der Initiative. Deutschland werde vermutlich sein Veto einlegen und die Pläne zu Fall bringen. Für die Logistikbranche wären die Folgen einer Dieselbesteuerung nach Energiegehalt „katastrophal“, kritisiert BWVL-Chef Labrot die Ideen des Kommissars. Der Grüne Hofreiter hingegen findet, dass der Anstoß aus Brüssel „in die richtige Richtung geht“, allerdings müsse man extreme Brüche vermeiden. Flugzeugtreibstoff im FokusImmer ein heiß diskutiertes Thema in Sachen Energiebesteuerung ist die Nicht-Besteuerung von Flugzeugtreibstoff. Hier sind die Fronten klar verteilt. Anton Hofreiter prognostiziert: „Hier wird sich inner-deutsch etwas tun, wir als Grüne wollen diese Subventionierung abschaffen.“ Der CDU-EU-Politiker Koch hält dagegen: „Ich halte nichts davon, wenn wir nur auf innereuropäischen Flügen Steuern erheben.“ Laut Koch diskutiert die EU intensiv mit Drittstaaten im Rahmen von Luftverkehrsabkommen über eine globale Kraftstoff-Besteuerung – ein nationaler Alleingang aber führe nur zu Tanktourismus, da die Kraftstoffe für den Luftverkehr weltweit steuerfrei seien. SPD-Mann Ertug glaubt hingegen nicht an eine globale Lösung: „Wenn wir darauf warten, warten wir wahrscheinlich noch bis ins übernächste Jahrhundert.“ Europa müsse mit gutem Beispiel und mit Augenmaß in Bezug auf die ökonomischen Zwänge der Unternehmen vorangehen, um zu zeigen, was möglich sei. ❙❚■ Johanna Koch, Tobias Rauser Deutschland im oberen EU-Drittel020406080100Steuern Cent/l Diesel20%40%60%80%100%Steuern in Cent pro Liter Dieselkraftstoff (Verbraucherpreise)Der deutsche Dieselkonsument zahlt pro Liter Kraftstoff knapp 70 Cent an den Fiskus, 47 Cent davon sind Mineralölsteuer. Im EU-Vergleich liegt Deutschland in etwa auf dem Niveau von Nachbarländern wie Frankreich, Italien oder Dänemark. Richtig günstig ist es in Luxemburg: Hier kassiert der Staat nur 46 Cent. tr„Die Ökosteuer ist als politische Option attraktiv“Im Interview mit der VerkehrsRundschau fordert Professor Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie höhere Energiesteuern und glaubt an ein Comeback der Ökosteuer. Ist Energie in Deutschland zu billig?Uwe Schneidewind: Wenn man die ökologischen Folgen des Verbrauchs von Energie sieht, muss man sagen: ja, sie ist zu günstig. Im Hinblick auf die Klimaziele müssen wir massiv unseren Energiebedarf reduzieren – und die bisherigen Preissignale führen eben noch nicht dazu. Also Steuern rauf im Verkehrssektor?Wir müssen vor allem in den Bereichen zu entsprechenden Reduktionen kommen, in denen wir noch mit fossilen Energieträgern arbeiten. Der Verkehrssektor ist dabei eine der größten Herausforderungen, da er im Wesentlichen ölbasiert ist und das Wachstumsmuster bisher ungebrochen ist.Was bedeutet das konkret?Der Staat sollte Vorgaben machen, etwa Höchstgrenzen für Fahrzeuge von CO2 pro Kilometer und beim Thema Flottenverbrauch. Aber auch eine ökologische Besteuerung von Benzin und Diesel ist geboten, damit Preissignale gesetzt werden.Von einer Ökosteuer ist aber heutzutage – trotz grüner Wahlerfolge – kaum die Rede. Das ist leider richtig. Alle haben Angst vor der Diskussion um steigende Energiepreise. Bei den Grünen wirken da anscheinend immer noch die verheerenden Reaktionen auf die 5-DM-pro-Liter-Forderung nach. Auf lange Sicht kommt das Thema jedoch wieder auf die Agenda. Wir werden nämlich die Energie-Effizienzziele, die sich die EU gesetzt hat, radikal verfehlen. Dann spätestens ist klar, dass politisch reagiert werden muss. Statt über die Ökosteuer wird über den Emissionshandel diskutiert. Das stimmt zwar, aber man muss sich fragen: Was ist der effektivere Weg? Und ich sage da: Wir sollten sehr viel offener über die Weiterentwicklung der Ökosteuer reden. Und auch wenn es heute anders aussieht, halte ich die Ökosteuer als politische Option für attraktiv, da sie in ihrer Grundlogik politisch klar vermittelbar ist. trInterviewEnergiesteuernUwe Schneidewind

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