Ein Markt unter Strom

Ganze 605.000 Fahrräder mit elektrischem Zusatzantrieb wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft, das meldet der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) - 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Service-Roboter, die zum Beispiel Rasen mähen, stieg um 24 Prozent, sagt die International Federation of Robotics (IFR). Und der Absatz von E-Autos hat sich in den ersten acht Monaten gar verdoppelt. Diese Zahlen sind auch für Logistiker interessant. Denn alle diese Produkte enthalten Lithium-Ionen-Akkus, die befördert und gelagert werden müssen. Wachstumspotenzial winkt Transport- und Logistikfirmen auch im Bereich Recycling und der Entsorgung gebrauchter Lithiumbatterien. So müssen zum Beispiel gebrauchte Batterien zurück zum Hersteller oder Recyclingbetrieb befördert werden. Dabei geht es überwiegend um Akkus aus Kleingeräten wie Handys oder Elektrowerkzeuge, zum Teil aber auch um größere Komponenten. "Wir haben es derzeit am häufigsten mit Starterbatterien aus Motorrädern zu tun", berichtet Jan Arff, Geschäftsführer des Berzelius Logistik Service (BLS), Braubach, dem führenden Sammelunternehmen für Altbatterien. 2016 hat der Dienstleister ein spezielles Angebot für die Rücknahme und Entsorgung von Lithiumbatterien namens LithiumCollect gestartet. Neben Starterbatterien transportiert Berzelius auch Energiespeicher aus Hybridfahrzeugen. "Batterien aus vollelektrischen Fahrzeugen sind bislang nur vereinzelt dabei." Für den Transport von Lithiumbatterien gelten spezifische Gefahrgutvorschriften - abhängig davon, ob neue, gebrauchte oder defekte Lithiumbatterien befördert werden müssen. So sind unter anderem geeignete Verpackungen Pflicht, am Fahrzeug muss eine Warntafel angebracht werden, das Fahrpersonal ist zu schulen. Allerdings hängt die jeweils einschlägige Regel davon ab, wie groß die Lithiumbatterie ist und in welchem Zustand sie sich befindet. Neue, in ein Gerät eingebaute Klein-Batterien sind meist unproblematisch und erfordern wenig Sondermaßnahmen (siehe Kasten Seite 24). Anders sieht das bei gebrauchten Batterien aus. Geschätzte 80 Prozent fallen hier in die Kategorie "End-of-Life", sind also am Ende ihrer Lebensdauer angekommen. Auch für solche gebrauchten Batterien gelten spezifische Verpackungsanweisungen (P908/P909). Ist die Batterie dagegen offensichtlich beschädigt, zum Beispiel eingedellt, gilt für den Transport eine Sondervorschrift (SV 376). Sie verlangt spezielle, behördlich zugelassene Transportbehälter, die mit nicht brennbarem und nicht leitfähigem Wärmedämmstoff gefüllt sein müssen. Fallen die Batterien gar in die Kategorie "kritisch" und können während des Transports zu einer gefährlichen Reaktion führen, muss die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) den Transport genehmigen. Spezifische Sicherheitsvorkehrungen Was dagegen bei der Lagerung von neuen Lithiumbatterien zu beachten ist, hängt von ihrem Gewicht und damit auch von ihrer Leistung ab: Werden mehr als sechs Europaletten dieses Typs gelagert, gilt es, spezielle Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Zwischen den Paletten mit Batterien und anderen Gütern müssen einige Meter Abstand bleiben, und zwar in alle Richtungen. Lagern die Akkus etwa auf Ebene eins eines Hochregals, müssen die zwei darüberliegenden Ebenen frei bleiben. Darüber hinaus schreiben die Versicherer Brandmeldeund Sprinkleranlage vor. Einige Anbieter lagern die Akkus zudem in speziellen feuerfesten Containern, die einem Brand einige Stunden standhalten, sodass die Batterien im Notfall noch an einen anderen Ort gebracht werden können. Allerdings sind viele Regelungen zur Lagerung bisher eher vage. "Wir halten die Vorschriften für nicht spezifisch genug", sagt BLS-Geschäftsführer Arff. Er erwartet, dass der Gesetzgeber mit weiterer Verbreitung der Lithium-Ionen-Technik auch die Anforderungen an die Lagerung verschärfen wird. Batterien können brennen Welche Fehler drohen im Umgang mit diesem Transportgut? "Ist das Personal nicht ausreichend geschult, könnte es eine mechanische Beschädigung übersehen oder gar verursachen", nennt Arff als Beispiel. In diesem Fall droht Brandgefahr. Denn eine Lithiumbatterie hat eine gefährliche Eigenheit: Fällt sie runter und wird (unsichtbar) beschädigt, passiert unter Umständen zunächst nichts. Da auch äußerlich kein Schaden erkennbar ist, wandert sie zurück ins Regal oder in den Transportbehälter. Doch es ist gut möglich, dass sich durch den Sturz eine undichte Stelle gebildet hat und Sauerstoff eindringt. Die Folge: Nach wenigen Tagen brennt die Batterie aus heiterem Himmel. Was die Lage verschärft, ist, dass sich ein solches Feuer schwer löschen lässt und am besten kontrolliert ausbrennt. Kommt es zu so einem Ernstfall aufgrund von menschlichem Versagen oder unzureichender Schulung, ersetzen Versicherungen den Schaden nicht, warnen Profis. In welche Richtung sich der Markt für Neubatterie-Logistik entwickeln wird, lässt sich an der Nachfrage nach dem Grundstoff Lithium ablesen: Sie ist in den letzten Jahren jährlich um circa 20 Prozent gestiegen, weil immer mehr Smartphones, Kameras, Akkuschrauber und Roboter-Staubsauger die kompakten und trotzdem starken Akkus brauchen. Durch die Decke wird das Wachstum gehen, sobald sich Elektroautos durchsetzen - schließlich stecken in jeder Pkw-Batterie quasi viele Hundert Handy-Akkus. Das wird auch die Transportnachfrage massiv befeuern. Um an diesem Wachstum teilzuhaben, hat Kühne + Nagel (K+N) unlängst das neue Produkt "KN BatteryChain" vorgestellt: Der Logistiker will für seine Kunden sämtliche Teile der Batterie-Versorgungskette organisieren. Sie beginnt beim Hersteller, die überwiegend in Asien beheimatet sind, geht über die Batteriefertigung und endet zunächst am Band des Automobilherstellers. Die neue Dienstleistung wurde gemeinsam mit einem OEM und einem Zulieferer entwickelt und stößt auf großes Interesse - nicht nur aus der Automobilindustrie. "Bei uns stehen die Telefone nicht mehr still", freut sich Achim Glass, Head of Global Automotive bei K+N. Zwei Probleme treiben die Verlader von Lithiumbatterien derzeit um: Zum einen ist der Transport sehr komplex, da es für jeden Vekehrsträger eigene Gefahrgutvorschriften gibt, zum anderen fehlt es an Experten, die sich mit dem Thema auskennen. Mit seinem Angebot will K+N den Kunden einen Teil der Sorgen abnehmen. Das Unternehmen garantiert, dass alle Transporte den im jeweiligen Land geltenden Gefahrgutvorschriften entsprechen und zudem die ISO 16949 erfüllen, eine in der Automobilindustrie verbreitete Qualitätsnorm. Batterie-Transporte führen die Schweizer zwar schon länger durch, doch das dafür nötige Netz will man deutlich ausbauen. "Wir werden in verschiedenen Ländern weitere Lager nur für Lithiumbatterien aufbauen", kündigt Glass an. Dabei will man bei der Sicherheit zum Teil über das gesetzlich geforderte Maß hinausgehen. So soll es in einigen Speziallagern Elektriker geben, die sich mit Batterietechnik auskennen. Subunternehmer, die für KN BatteryChain tätig sein wollen, müssen nicht nur Gefahrgutprofis sein, sondern auch ISO 9001 und ISO 16949 erfüllen. Im Jahr 2030 wird jeder dritte Neuwagen in der EU ein Stromer sein, sagt die Beratungsfirma PWC in einer Studie voraus. Auf diese Zukunft bereitet man sich auch bei K+N vor. Wobei der Logistiker nur neue Pkw-Batterien ins Visier nimmt. "Der Aftermarket-Bereich ist sogar noch wichtiger", betont Glass. Hintergrund: Der Akku eines E-Fahrzeugs wird künftig im Laufe seines Lebens wohl mehrfach ausgetauscht, entweder weil die Batterie verschlissen ist oder es neue Stromspeicher mit größerer Kapazität gibt, die mehr Reichweite versprechen. Vermutlich werden E-Auto-Besitzer alle vier bis fünf Jahre den Akku wechseln. Und wohin dann mit diesen Endof-Life-Lithiumbatterien? K+N will zum Beispiel den Transport der Batterie vom Händler zur Recyclingfirma anbieten. Auch BLS bereitet sich auf die Ära der E-Mobilität vor. "Wir sehen den Markt strategisch", sagt Geschäftsführer Arff. Batterie-Transporte würden allerdings auch künftig kein Massengeschäft, dafür seien die Anforderungen zu hoch, meint er. "Hier wird kein Billigmarkt entstehen." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Gefahrgut" www.verkehrsrundschau.de/dossiers