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Die Verkehrspolitik und das "Abenteuer Jamaika"

26.09.2017 13:00 Uhr
Jamaika-Koalition
In Berlin stehen die Zeichen auf Jamaika
© Foto: Picture Alliance/dpa/Peter Endig

Nach der schroffen Absage der SPD an die Fortsetzung des Bündnisses mit den Unionsparteien haben Logistikverbände abwartend und zurückhaltend auf die geplanten Sondierungsgespräche über eine Jamaika-Koalition reagiert.

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Berlin. Kann das Abenteuer „Jamaika“ in der Verkehrspolitik funktionieren? Aus verkehrspolitischer Sicht sei es für eine Beurteilung des Wahlausgangs noch zu früh, betonte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV), Frank Huster, gegenüber der VerkehrsRundschau. Er bedauerte, die Verkehrspolitik sei im Wahlkampf „trotz ihrer hohen Relevanz für Wirtschaft und Bevölkerung“ von anderen gesellschaftspolitischen Themen vollständig überlagert worden. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) wollte sich zu Wochenbeginn nicht äußern, verwies aber auf seine „Wahlprüfsteine“. Dazu zählen unter anderem die Bekämpfung des Sozialdumpings, Augenmaß beim Klimaschutz sowie die Wiederherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen. Das Deutsche Verkehrsforum (DVF) mahnte jährliche Investitionen in die Verkehrswege von mindestens 15 Milliarden Euro an. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dessen Präsident Eric Schweitzer von einer „Mammutaufgabe“ sprach, die auf die neue Koalition zukomme. Gefragt sei ein „Koalitionsvertrag für Investitionen“.

In die Offensive ging bereits die Bahnbranche. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz forderten die Allianz pro Schiene, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sowie die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) eine „strategische Schlüsselrolle für die Bahn, um den Verkehr zukunftsfest zu machen“. Allianz-Geschäftsführer Dirk Flege verlangte von der künftigen Bundesregierung eine Senkung der Trassenpreise. Im „Fahrplan Zukunft“ werden auch größere Anstrengungen des Verkehrssektors beim Klimaschutz als notwendig angesehen.

Ein schwieriges Unterfangen

Das sind Forderungen, die die Grünen erfreuen, während die FDP bremst. Beide Parteien wollen in Gesprächen mit CDU und CSU die Möglichkeit einer Koalition ausloten. Ein schwieriges Unterfangen aufgrund unterschiedlicher Positionen nicht nur in der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik. So wollen Union und FDP kräftig in die Verkehrsinfrastruktur, insbesondere in die Straße investieren. Bei den Grünen gilt hingegen: Vorfahrt für die Schiene.

Schwierig dürfte es auch bei Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) werden, die Union und FDP in ihren Wahlprogrammen befürworten, um den Autobahnausbau zu beschleunigen. Die Grünen werden auf die finanzielle Schieflage des Betreibers A1 Mobil verweisen und damit ihre grundsätzliche Ablehnung begründen. Ähnlich verlaufen die Fronten beim Einsatz von Lang-Lkw, doch haben die Länder durch die Ausweisung neuer Strecken längst Fakten geschaffen. Den Grünen als schwächster Koalitionspartner (8,9 Prozent) dürfte es nicht gelingen, die „Gigaliner“ zu stoppen. Eine hohe Hürde dürfte auch die von den Logistikverbänden befürwortete Verkürzung der Planungsverfahren sein. Union und FDP beklagen deren Dauer und wollen Einspruchsmöglichkeiten von Verbänden beschränken, die Grünen hingegen fühlen sich den Umweltverbänden verpflichtet, die bei wichtigen Verkehrsvorhaben gern vor Gericht ziehen.

Pkw-Maut als schwieriges Thema

Bei der von der Großen Koalition bereits beschlossenen Ausweitung der Lkw-Maut auf allen Bundesstraßen ab Mitte 2018 dürfte es bleiben, auch wenn die FDP finanzielle Belastungen des Gewerbes kritisch sieht. Gegen die von den Grünen geforderte weiteren Ausweitung auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen werden die Liberalen Einspruch erheben. Ganz schwierig werden mögliche Verhandlungen, wenn die vom Bundestag bereits beschlossene Pkw-Maut auf der Tagesordnung steht. Hier sind sich FDP und Grüne ausnahmsweise einig, lehnen diese Abgabe vehement ab. Die CSU wird für ihr Symbolthema kämpfen, die CDU muss sich zu einer klaren Position durchringen.

Die Grünen werden beharrlich auf einem Einklang von Mobilität mit Klima- und Umweltschutz bestehen, um ihren linken Parteiflügel gnädig zu stimmen. Als „ökologisches Gewissen“ geht es ihnen um die Einführung einer blauen Plakette, damit in Innenstädten bei hohen Schadstoffbelastungen Fahrverbote durchgesetzt werden können. Ein Vorhaben, das Union und FDP ebenso ablehnen wie ein Ende des Verbrennungsmotors ab 2030. Die beiden Parteien haben grundsätzlich nichts gegen Elektromobilität, insbesondere die FDP will aber warten, bis der Markt so weit ist. Ein dickes Brett müssten die Koalitionäre auch in der Steuerpolitik bohren. Union und FDP wollen die Einkommenssteuer senken, die Grünen hingegen plädieren für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine Verschärfung der Erbschaftssteuer.

Hofreiter als möglicher Umweltminister

Und wie könnte ein künftiges Jamaika-Kabinett aussehen? Die Grünen könnten auf das Umweltministerium bestehen, um ihr Kernthema zu besetzen. Fraktionschef Anton Hofreiter wäre ein Kandidat. Der studierte Biologe war aber auch schon Vorsitzender des Verkehrsausschusses und hat in den vergangenen vier Jahren keine Gelegenheit ausgelassen, um den scheidenden Ressortchef Alexander Dobrindt hart zu attackieren. Dass die Union das Verkehrsministerium abgibt, erscheint indes unwahrscheinlich. Als Regierungsparteien haben CDU und CSU darauf seit 1949 nie verzichtet, die FDP hat es seitdem nie besetzt.  (jk)

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