Die alten und neuen Weltmarktführer

Der weltweite LKW-Markt befindet sich im Wandel. Einige Hersteller werden ihre Marktposition ausbauen können, andere dürften weiter an Einfluss verlieren. Dies zeigt eine aktuelle Studie zur Zukunft des weltweiten Truck-Markts. Im Jahr 2013 verkauften die Nutzfahrzeughersteller weltweit 2,64 Millionen mittlere und schwere Lastkraftwagen (ab 6 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht). Rund 40 Prozent davon setzten sie in China ab, dem mit Abstand größten Nutzfahrzeugmarkt der Welt. Westeuropa rangiert mit einem Anteil von rund 9 Prozent hinter Nord- und Südamerika nur auf Rang vier. Dennoch gilt der hiesige Markt mit Deutschland als größter Absatzregion nach wie vor als Technologieführer. Und das soll auch in den kommenden zwei Jahrzehnten so bleiben, ist sich Götz Klink von der Unternehmensberatung AT-Kearney sicher: "Beim Kernthema Antriebsstrang sind die Europäer führend und werden es auch bleiben. Und auch im Bereich Elektronik und Automatisierung sehe ich derzeit keinen anderen Anbieter, der die hiesigen Marken in den kommenden Jahren einholen könnte", sagt der Automobilmarktexperte, der im Juni zusammen mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA) die Studie "Global Truck Industry" (erhältlich beim VDA) veröffentlicht hat. Derzeit gibt es vier Global Player Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass von den derzeit vier als "Global Player" geltenden LKW-Herstellern drei aus Westeuropa und davon zwei sogar aus Deutschland kommen: Klare Nummer eins mit einem Weltmarktanteil von über 13 Prozent im Jahr 2013 ist Daimler. Die Stuttgarter gehören mit ihren Hauptmarken Mercedes-Benz, Fuso (Japan), Freightliner (USA) und Bharat Benz (Indien) sowie den Beteiligungen an Foton (China) und Kamaz (Russland) in jedem der neun wichtigsten Absatzmärkte für Neufahrzeuge zu den Top fünf Truck-Anbietern. Eine solche globale Präsenz kann kein anderer LKW-Hersteller derzeit vorweisen. Neben den Schwaben gibt es seit kurzer Zeit aber einen weiteren Global Player aus Deutschland. Mit der Übernahme der NFZ-Hersteller Scania und MAN hat sich Volkswagen in die Weltliga eingekauft. Die Wolfsburger konnten 2013 mit ihren Töchtern einen Weltmarktanteil von 6,5 Prozent ausweisen und stehen damit auf Platz vier. Doch noch fehlt es VW an einer wirklichen weltweiten Marktpräsenz. Zwar sind sie in Europa und Südamerika klare Nummer eins und in Russland stehen sie auf Rang zwei - in den anderen Märkten spielen die Niedersachsen jedoch keine bedeutende Rolle. Wie sich Volkswagen weiterentwickeln wird, werden die kommenden Jahre zeigen. Wahrscheinlich steht momentan an erster Stelle erst einmal die Integration der LKW-Produktion der Töchter Scania und MAN. Hier schlummern nach Expertenmeinungen noch einige Synergiepotenziale. In einem weiteren Schritt muss der neue europäische Truck-Riese entscheiden, wie die weißen Flecken auf der Weltkarte ausgemalt werden können: Zur Wahl stehen hier Akquisitionen oder eine verstärkte Präsenz im Markt. Der dritte europäische Global Player kommt aus Schweden. Der NFZ-Hersteller Volvo konnte im vergangenen Jahr einen Weltmarktanteil von 6,7 Prozent vorweisen und liegt damit knapp vor Volkswagen auf Rang drei in der Weltliga. Zusammen mit den Tochtermarken Renault Trucks, Mack (USA) und UD Trucks (Japan) sowie den Kooperationen mit Dongfeng (China) und Eicher (Indien) gehört Volvo in jedem der weltweit bedeutenden Teilmärkte zu den Top fünf Anbietern. Besonders interessant für die Zukunft ist dabei die vor einem Jahr geschlossene Kooperation mit dem chinesischen NFZ-Hersteller Dongfeng, der mit einem Marktanteil von 22 Prozent in China den weltweit größten Truck-Markt anführt und allein dadurch mit einem Marktanteil von 9 Prozent schon heute hinter Daimler auf Rang zwei der weltweit größten Truck-Hersteller rangiert. Einige Marktexperten spekulieren, ob es in Zukunft nicht zu einer stärkeren Verbindung zwischen Chinas Nummer eins und Volvo kommen wird. Chinesen auf Expansionskurs Sogar eine Übernahme der Schweden durch Dongfeng wird nicht ausgeschlossen. Der Personenwagenbereich von Volvo ging schon 2010 an die chinesische Zhejiang Geely Holding. Ob Dongfeng mit Volvo den Weltmarkt erobern will, wird sich zeigen. "Die Chinesen bauen mit dieser Kooperation ihre Optionen für die Zukunft aus, in welche Richtung diese auch immer gehen werden", äußert sich AT-Kearney-Berater Klink vorsichtig. Offen auch die Zukunft des vierten Truck-Herstellers in der heutigen Riege der Global Player. Der US-Konzern Paccar mit seiner in Europa bekannten Marke DAF weist einen Weltmarktanteil von rund 5 Prozent auf und gehört zu den Top vier Anbietern in Nordamerika und Europa. In den anderen Weltmärkten spielen die Amerikaner hingegen keine Rolle. Paccar gilt aufgrund einer geringen Fertigungstiefe als sehr profitabel. "Ob dieses Produktionsmodell aber in den kommenden Jahren die Unabhängigkeit des Unternehmens gewährleisten wird, muss sich zeigen", meint Marktkenner Klink. Nicht ausgeschlossen, dass Paccar sich auch mit einem der regionalen Marktführer verbünden könnte. Neben Dongfeng kommt hier eine Reihe von weiteren chinesischen Konzernen infrage. Eine besonders expansive Firmenpolitik legt derzeit hier beispielsweise Weichai Power an den Tag. Die Nummer fünf auf dem chinesischen Truck-Markt hält seit zwei Jahren 25 Prozent der Anteile der deutschen Kion-Gruppe, die Eigentümer der beiden in Europa führenden Gabelstapler-Hersteller Linde und Still ist. Und ebenfalls vor zwei Jahren schlossen die Chinesen eine Kooperation mit dem deutschen Aufbautenhersteller Kögel. Von diesem und anderen chinesischen Herstellern wie FAW, CNHTC (Sinotruck) und BAIC (Foton) wird laut der AT-Kearney-Studie im Nutzfahrzeugmarkt noch häufiger zu hören sein. Außerdem erwarten die Studienautoren ein stärkeres Auftreten am Weltmarkt vom indischen Marktführer Tata, der mit 57 Prozent mit Abstand den LKW-Markt auf dem Subkontinent beherrscht. Auch wenn diese Position von den Wettbewerbern verstärkt angegriffen wird, "sehen wir Tata weiterhin als Marktführer, der auch international gute Chancen hat", meint Studienleiter Klink. Nicht allzu viel erwarten die Automobilexperten hingegen von den japanischen Nutzfahrzeugherstellern Isuzu sowie Toyota mit seiner Marke Hino. Die beiden Hersteller dominieren zwar den japanischen Markt und sind auch sehr stark in Australien und Ozeanien (Asean) vertreten, auf den anderen Weltmärkten spielen die Asiaten aber kaum eine Rolle. "Aufgrund der beengten Insellage benötigt der japanische Markt überwiegend sehr spezielle Fahrzeuge, die sich in dieser Form im Rest der Welt nicht so einsetzen lassen", erläutert Klink die Sonderrolle der asiatischen Automobilnation. Einem anderen asiatischen Hersteller räumen die Marktkenner von AT-Kearney hingegen schon gute Chancen ein, sich vom Nischenanbieter zum "regionalen Giganten" zu entwickeln. Die südkoreanische Hyundai-Gruppe habe besonders gute Möglichkeiten, nicht zuletzt wegen der kürzlich vertieften Zusammenarbeit mit dem chinesischen Hersteller Sichuan. Vor allem in Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie Südamerika und Russland könne Hyundai künftig punkten. Ungewisse Lage in Russland Wie sich dabei der russische Markt weiterentwickeln wird, hängt indes stark von der weiteren Entwicklung der Ukraine-Krise und den damit verbundenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ab. Weltmarktführer Daimler berichtet, dass die wirtschaftlich schwierige Lage Russlands sich natürlich auch auf den russischen LKW-Markt und damit auf Daimler auswirke. "Ebenso wie unsere Wettbewerber haben wir im ersten Halbjahr 2014 die rückläufige Marktentwicklung im sogenannten "Big 7"-Segment (Scania, Volvo, MAN, Mercedes-Benz, DAF, Iveco, Renault) zu spüren bekommen", erklärt der Stuttgarter Konzern schriftlich gegenüber der VerkehrsRundschau. Noch schwieriger wird die Situation, wenn die EU und Russland ihre gegenseitigen Sanktionen weiter verschärfen. Russische Medien berichteten im August über Pläne der Moskauer Regierung, ein Import-Verbot für Neuwagen aus der EU zu erlassen. Dies würde vor allem Volkswagen, Volvo und Daimler treffen, die zusammen für knapp ein Viertel des Neu-LKW-Absatzes in Russland verantwortlich sind. Insgesamt ist der russische Markt mit rund vier Prozent am Weltmarkt derzeit aber nicht so relevant für die westlichen Hersteller. "Verglichen mit anderen Märkten ist Russland für das Daimler-Nutzfahrzeuggeschäft gegenwärtig ein eher kleiner Markt", so der Stuttgarter Konzern. Anders sähe es aus, wenn sich Russland nicht vom Westen abwenden würde. "Wenn sich der russische Markt frei entwickeln könnte, dann wäre er sehr attraktiv für die westeuropäischen Hersteller", sagt AT-Kearney-Berater Klink. Die heimischen Anbieter würden eher robuste, militärisch getriebene Fahrzeuge im Portfolio haben, die sich weniger für den Business-Einsatz eigneten. "Hier könnten die Hersteller mit dem Total-Cost-of-Ownership-Ansatz punkten", meint Klink. Und auch die chinesischen und indischen Anbieter würden ihre Marktlücke finden.

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