Deutscher Logistikkongress: New Normal

Der erste Deutsche Logistikkongress nach Corona: Immer wieder konnte man hören, wie wertvoll es ist, sich persönlich zu treffen. Auch wenn die 2021er-Ausgabe noch spürbar anders und kleiner war als bei der letzten Präsenzveranstaltung, als in Berlin 2019 über 3000 Teilnehmer zum Branchentreff kamen. Mit 1301 Besuchern wurde auf dem von der Bundesvereinigung Logistik (BVL) ausgerichteten Event eine für Corona-Verhältnisse beachtliche Zahl erreicht. Ja, es gab weniger Aussteller, das Kongressprogramm war abgespeckt. Dafür fand der Kongress hybrid statt, und es waren weitere 1514 Teilnehmer per Stream zu den einzelnen Foren zugeschaltet: Vielleicht das New Normal? Klar wurde auf dem Branchentreff: Die Herausforderungen seit Corona sind nicht kleiner geworden, im Gegenteil. Trotzdem herrschte gute Stimmung. Das hängt auch mit der Konjunktur zusammen. Logistikleistungen waren und sind gefragt. So hat die Branche nicht so stark unter der Corona-Krise gelitten wie andere Wirtschaftszweige. "Für Europa beziffern wir den Einbruch 2020 beim Umsatzvolumen auf 3,5 Prozent", sagte Martin Schwemmer, Autor der Studie "Top 100 der Logistik". Die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services in Nürnberg überarbeitet die Studie jährlich. Gegenüber der VerkehrsRundschau verriet Schwemmer auch die Zahlen für Deutschland. "Dort betrug das Minus nur 1,8 Prozent", so der Experte. Deutschland sei von der Corona-Krise nicht so stark betroffen gewesen wie die europäischen Nachbarn, so seine Begründung. Gute Auftragslage, gute Stimmung 2021 wird dann ein deutlich besseres Jahr. Für Europa rechnet Schwemmer mit einem Umsatzplus von drei Prozent, für Deutschland sogar mit einer Zunahme von fünf bis sechs Prozent. "Etwas mehr als die Hälfte davon ist aber preisgetrieben", sagte der Wissenschaftler. Höhere Kosten treiben die Frachtraten nach oben. Der andere Teil des Wachstums ist auf ein höheres Logistikvolumen zurückzuführen. Doch die hohe Nachfrage führt auch zu Engpässen. "Bleiben nun zu Weihnachten die Regale bei uns leer? Wir glauben das nicht", sagte Thomas Wimmer, Vorstandsvorsitzender der BVL, anlässlich der Eröffnung. Von den Mitgliedern aus dem Handel habe er gehört, dass es nicht zu signifikanten Engpässen kommen werde. In der Industrie sei die Lage hingegen schwieri-.. ger. "Dort gibt es vermehrt Komponenten oder Produkte, die nicht rechtzeitig lieferbar sind", so Wimmer. Den Fachkräfte- und Fahrermangel bezeichnete Wimmer als den "normalen Wahnsinn", den es im Transport schon seit 20 Jahren gibt. Doch damit wollte er nicht den Eindruck erwecken, dass er das Problem als lapidar einstuft. "Ganz im Gegenteil, ich unterschätze das Problem nicht", sagte Wimmer. Er sah es als notwendig an, den Beruf des Kraftfahrers attraktiver zu machen, um mehr Menschen für den Job zu begeistern. Er ging auch auf die Entlohnung ein. "Der Job ist schlecht bezahlt. Wir müssen uns damit befassen, dass auch eine bessere Bezahlung notwendig ist, um neue Berufskraftfahrer zu gewinnen." Das werde dann auch zu Preissteigerungen führen. Im Handel nimmt man die Engpässe gerade bei den Lkw-Fahrern sehr wohl wahr. "Aber leere Regale gibt es bei uns nicht", sagte Birgit Heitzer, Leiterin Logistik bei der Rewe Group, gegenüber der VerkehrsRundschau. Doch der Einzelhändler reagiert: Der Anteil der eigenen Lkw-Fahrer (derzeit etwa 40 Prozent) soll aufgestockt werden, um so eine sichere Logistik gewährleisten zu können. Eine andere Option - und damit sind wir bei der Digitalisierung - wäre das autonome Fahren, das den Fahrer überflüssig macht. Hierzu vertrat Atif Aksar von Traton auf dem Kongress eine klare Meinung: "Autonomes Fahren wird kommen. Es wird länger dauern als gedacht, aber es wird kommen." Er vertrat die Auffassung, dass das autonome Fahren für die Transportlogistiker eine Disruption bedeuten werde. Denn das Managen der Fahrer - eine Kerntätigkeit von Speditionen - werde dann der Vergangenheit angehören, "Das wird die Transportbranche deutlich verändern", so seine Prognose. Thema in vielen Sequenzen war auch der Umweltschutz. So warnte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, die zukünftige Regierung vor zu viel Aktionismus: "Klimapolitik muss auch die internationalen Dimensionen berücksichtigen." Das Verfolgen "ideologisch geprägter Ziele" wie innerdeutsche Flugverbote würden das Innovationspotenzial in der Branche gefährden. Er forderte die neue Regierung auf, bei der Planung neuer und bei der Instandsetzung vorhandener Infrastruktur deutlich schneller zu werden, um so Staus aufzulösen: "Die Halbierung der Genehmigungszeiten wird nicht reichen, um die Umweltziele zu erreichen." Mehr zum Thema finden Sie unter #BVL www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Großveranstaltungen mit Präsenz sind wieder möglich: Das hat die BVL mit ihrem Logistikkongress gezeigt. Dass politische Entscheidungsträger dieses Jahr fehlten, tat der Veranstaltung keinen Abbruch. Klar wurde, dass das Thema Digitalisierung einen deutlichen Schub erfahren hat und noch an Drive gewinnt. Premiere: Erstmals geht der Logistikpreis an eine Bahn Da haben sicher nicht wenige gestaunt im Saal des Berliner Hotels Intercontinental, als der Jury-Vorsitzende Matthias Wissmann bekannt gab, an wen in diesem Jahr die begehrte Trophäe für den Deutschen Logistikpreis geht. Erstmals ist mit DB Cargo eine Bahn der Preisträger. DB Cargo erhielt diese Auszeichnung zusammen mit Cargoserv und Logserv, zwei Töchter des österreichischen Stahlkonzerns Voestalpine, für den Bayern-Shuttle. Dabei handelt es sich um ein Zugsystem, das den Stahlkonzern werktäglich mit drei Automobilwerken in Landshut, Ingolstadt und Regensburg verbindet.Etwas müde, aber glücklich steht das Team am Morgen nach der Preisverleihung der VerkehrsRundschau gegenüber, um Details zu dem Konzept zu verraten. Der Zug fährt jeden Werktag um 16.00 Uhr in Linz ab und ist dann - im Nachtsprung - um 14.00 Uhr am nächsten Tag wieder zurück und legt dabei etwa 600 Kilometer zurück. Transportiert wird Stahl zu den Automobilstandorten und dort anfallender Schrott zum Stahlwerk. Pro Jahr werden in dem Shuttle etwa 200.000 Tonnen Stahl und 300.000 Tonnen Schrott befördert."Aber die Mengen, die pro Halt anfallen, verändern sich jeden Tag", weist Christoph Heibach, einer der Projektverantwortlichen bei DB Cargo, auf eine Besonderheit hin. Eine andere: Es sind viele Unternehmen an dem Projekt beteiligt, die alle mitgenommen werden müssen: das Stahlwerk, drei Automobilstandorte, DB Cargo, die jeweiligen Werksbahnen (Logserv bei Voestalpine und Cargoserv als Privatbahn in Österreich). Alle müssen an einem Strang ziehen, damit die Ware just in time an den jeweiligen Empfangsorten ausgeliefert wird und umgekehrt der Schrott auch bereitsteht. Es wird nicht umgeladen, sondern die 20 bis 25 Waggons werden in fünf Gruppen unterteilt und dann Wagen angehängt oder ausgekoppelt. Komplex und dennoch immer pünktlichSeit 1,5 Jahren tanzt dieses Schienenballett, wie die Akteure das Projekt selbst bezeichnen, auf den Gleisen. Und natürlich darf eine Frage nicht fehlen: Wie häufig ist seit dem der Zug zu spät gewesen? Man kennt das ja von der Bahn, teils eigenverschuldet, teils aber auch verursacht durch externe Einflüsse. Die Antwort von Heibach überrascht:"Wir haben bislang bei jedem Umlauf die Vorgaben erfüllt.""Das ist nicht selbstverständlich und unterstreicht die gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten", sagt Christian Janecek, Geschäftsführer von Logserv.Nüchtern betrachtet ist so ein "Milkrun-Konzept" im Straßengüterverkehr keine große Besonderheit. Aber dass auch die Bahn solche Logistikkonzepte kann, ist dann doch ungewöhnlich und dürfte ein wesentlicher Grund gewesen sein für die Auszeichnung. Damit wollte die Jury sicher auch ein Zeichen setzen, dass solche Projekte auch mit der Bahn möglich sind. cd Pilotprojekt der BVL und GS1 Germany zum digitalen Lieferschein Ein Beispiel dafür, wie die Digitalisierung die Logistikprozesse verändert, ist das Projekt zum digitalen Lieferschein. Deren Initiatoren, die BVL zusammen mit GS1 Germany, stellten dazu auf dem Kongress Ergebnisse vor. Beteiligt hatten sich 20 Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie, dem Handel und der Logistik. Im August und September hatten sie vier Wochen lang den digitalen Lieferschein getestet. 68 Prozent der befragten Anwender würden die standardisierte Branchenlösung zur digitalen Abwicklung von Lieferscheinen gerne weiter nutzen, so ein Ergebnis. Das Ende für den Lieferschein auf Papier? „Spediteure sparen sich den gesamten Aufwand der Dokumentation von Lieferscheinen – vom Einscannen übers Archivieren bis zur Auskunftspflicht“, sagte Oliver Püthe, Leiter des Projekts bei GS1 Germany. „Der digitale Lieferschein ist ein wichtiger Baustein für durchgängig digitale Geschäftsprozesse in der Transportlogistik“, sagte Christian Grotemeier, Geschäftsführer der BVL. Als beispielhafter Nutzer bestätigte Birgit Heitzer, Leiterin Logistik bei der Rewe Group, die positiven Erfahrungen: „Unsere Wareneingangs-Mitarbeiter kommen damit sehr gut klar und sind begeistert. Die Prozesse werden vereinfacht und beschleunigt. Von der Papiereinsparung ganz zu schweigen“, sagte Heitzer. „Der Prozess der Lieferscheine mit Papier muss ein Ende haben“, forderte sie. Sie hofft, dass im Jahr 2022 mit der Umsetzung begonnen werden kann, und rief die Beteiligten in der Lieferkette dazu auf, sich an dem Projekt zu beteiligen. Sie geht davon aus, dass die Logistikdienstleister die Vorzüge erkennen und mitmachen werden. Mit dem digitalen Lieferschein sind weitere Vorteile verbunden. Fehler wegen unvollständiger oder nicht lesbarer Notizen können vermieden werden. Und die Abläufe beschleunigen sich. Die Dauer einzelner Lieferprozesse verkürzt sich laut den Projektverantwortlichen um bis zu zehn Tage. In dem Projekt gefielen den Teilnehmenden besonders die kontaktlose Übergabe des Dokuments mithilfe des QR-Code-Scans, die digitale Unterschrift sowie die Einsparung des Ausdrucks.

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