Hamburg. Der seit Monaten weltweit bestehende Bestellstopp der Reeder bei Containerschiffen könnte zur Jahreswende 2011/2012 langsam zu einem Ende kommen. Vor allem bei kleineren Containerfachtern, die für Zubringer- und Verteiler-Verkehre benötigt werden, gibt es Anzeichen aus dem Markt, den selbst auferlegten Bestellstopp aufzugeben. Das berichtete Bernard Meyer, Präsidiumsmitglied des Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), am Dienstag in Hamburg. Meyer, Chef der Papenburger Meyer-Werft, begründet seine Einschätzung mit der „geringen Neubauquote" bei den kleineren Containerschiffen in den vergangenen Jahren. Sie habe gerade einmal bei sieben Prozent der fahrenden Flotte dieses Größensegmentes gelegen. Ob solche Aufträge dann auch auf deutschen Werften platziert werden oder auch von den eigentlich auf Großcontainerschiffe ausgerichteten Werften in Fernost gebaut werden, müsse sich zeigen, so Meyer.
Bei den deutschen Werften spielen Containerschiffe, was den Auftragsbestand betrifft, inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle, konnte VSM-Präsidiumsmitglied Meyer weiterberichten. Bezogen auf den Auftragswert beträgt der Anteil am Gesamtorderbestand 2009 deutlich unter fünf Prozent. Bei den Schiffsablieferungen 2009 waren es hingegen noch gut 24 Prozent. Meyer wertete diese Akzentverschiebung als Beweis für die Anpassungsfähigkeit und -bereitschaft der deutschen Werften. Diese legten klar ihren Fokus auf den Spezialschiffbau.
Allerdings würden sie auch in diesem wertschöpfungsintensiven Segment zunehmend bedrängt, wobei die stark unterbeschäftigten Werften über den Preis entsprechende Aufträge zu akquirieren versuchen. VSM-Vorsitzer Werner Lüken bezichtigte die asiatischen Werften des „ruinösen Preiskampfes". Nach Schätzungen des VSM sind von den weltweit vorhandenen 70 Millionen CGT-Schiffbaukapazität gerade einmal „zwischen 23 bis 27 Millionen CGT ausgelastet". Die Folge sei, dass im Wortsinne um jeden derzeit zu vergebenen Auftrag gerungen wird.
Aufträge für über neun Milliarden Euro in den Büchern
Die deutschen Werften haben aktuell Aufträge für rund 9,2 Milliarden Euro in den Büchern, nachdem es Ende 2009 noch 9,6 Milliarden Euro waren. Den Ablieferungen stehe leider ein zu dünner Auftragsfluss gegenüber, berichtete VSM-Hauptgeschäftsführer Werner Lundt. Im ersten Quartal des laufenden Jahres kamen gerade einmal sechs neue Schiffe rein. „Wir brauchen aber kurzfristig unbedingt neue Aufträge", so Lundt. 2009 lieferten deutsche Werften insgesamt 54 Schiffe mit einem Gesamtwert von 2,6 Milliarden Euro ab.
Zur Sorge über den massiven Wettbewerb und eine weiterhin verhaltene Auftragslage kommt noch eine weitere: die Finanzierungsproblematik Nach Ansicht des VSM, dessen Mitgliederschwerpunkt bei den mittelständischen Werften liegt, leiden die deutschen Schiffbauer immer mehr unter einer „Kreditklemme". Bernard Meyer: „Noch vor wenigen Jahren waren die deutschen Banken gut für die Finanzierung von rund 60 Prozent der weltweit bestellten Schiffe. Seit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise erleben wir, wie die deutschen Banken der Schiffsfinanzierung immer mehr den Rücken zuwenden."
Befürchtung: Auftrags-Abwanderung nach Fernost
Bei den Werften sei störungsfreie Geldmittelfluss von größter Wichtigkeit . Für den VSM leitet sich daraus inzwischen eine einfache Formel ab: Wer die Finanzierung für das Schiffbau darstellen kann, der hat auch den Auftrag. Die Rolle der deutschen Banken, vor allem jener Geldhäuser, die über viele Jahre gut vom und mit der Schiffsfinanzierung gelebt haben, übernehmen mit großen Elan Banken aus Fernost: aus China, aus Südkorea und aus Japan. In enger Zusammenarbeit mit den heimischen Werften wird damit erreicht, dass die Aufträge statt zum Beispiel nach Deutschland, eben nach Fernost wandern. Damit nicht genug: Auch die Staaten der wichtigen asiatischen Schiffbauländer zeigten sich beim Thema Bürgschaften flexibel. Und davon können die deutschen Werften nicht einmal träumen. Zwar gibt es in Deutschland die Kfw-Mittel.Doch auch hier gilt: Sie können nur gewährt werden, wenn die „Hausbank" bei der Finanzierung mit im Boot ist. Hier fordert der VSM die Bundesregierung in Berlin auf, für mehr Flexibilität bei der Co-Finanzierung zu sorgen.
Die schwere See, die Deutschlands Schiffbauer verkraften müssen, zeigt auch Wirkung bei der Beschäftigung. Rund 23 600 Beschäftigten Ende 2008 standen ein Jahr später noch rund 22000 Arbeitnehmer gegenüber. Auch die deutschen Werften nutzten 2009 intensiv das wirkungsvolle Instrument der Kurzarbeit. Immerhin: Trotz der angespannten Lage behielten die Werften ihre Ausbildungsanstrengungen bei, betonte Werner Lüken. Er wertete das als Beweis für „die Verantwortung für die jungen Menschen in ihren Regionen".(eha)