Binnenschifffahrt

BinnenschifffahrtEs drohen Engpässe Die Binnenschifffahrt hat zu-letzt an Bedeutung verloren. Eine neue Studie sagt ihr dennoch ein großes Wachstumspotential voraus. Dazu müssen sich jedoch die Rahmenbedingungen spürbar verbessern.Über Naiades weiß Georg Hötte nur Gutes zu berichten. „Mit diesem Programm ist in den letzten Jahren die Nachwuchsgewinnung und -förderung in der Binnenschifffahrt entscheidend unterstützt worden“, freut sich der neue Präsident des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) in Duisburg. „Wenn Naiades 2013 ausläuft, muss die Europäische Kommission unbedingt eine Verlängerung beschließen.“Verbände in anderen europäischen Binnenschifffahrtsländern äußern sich ähnlich. Egal ob mit Naiades Umweltprogramme, Telematikprojekte, Ausbildungsinitiativen, Infoportale oder neue Schiffstypen beziehungsweise Terminals bezuschusst worden sind – auf die Fördergelder aus Brüssel wollen die Binnenschiffer auch in Zukunft nicht verzichten.Aber die Branche kann aufatmen: Die EU-Kommission hat jetzt bestätigt, dass das Förderprogramm neu aufgelegt wird. „Es wird Naiades 2 geben“, versicherte ein Sprecher. Ein neues, von der Kommission finanziertes Gutachten liefert handfeste Argumente für einen solchen Schritt. Auf 250 Seiten haben fünf europäische Beratungsgesellschaften – darunter die Essener Planco Consulting GmbH – unter Federführung der niederländischen NEA Stärken und Schwächen der Binnenschifffahrt aufgelistet und deren Perspektiven bis 2040 ausgeleuchtet. Egal ob Markterschließung, Modal Split, Nachwuchsförderung oder Umweltbilanz – die Autoren zeichnen überall Szenarien mit Risiken und empfehlen dringend Fördermaßnahmen.Nachholbedarf beim Umweltschutz Nicht genug damit, dass die Binnenschifffahrt im Gesamtverkehrsaufkommen nach den rückläufigen Zahlen der letzten Jahre (für 2011 meldet das Statistische Bundesamt 3,3 Prozent weniger Tonnen) in Zukunft weiter Anteile verlieren könnte: Auch beim Thema Umwelt gerät sie der Studie zufolge zunehmend ins Hintertreffen. Weil LKW mit immer moderneren und emissionsärmeren Motoren fahren, werden die vom Straßengüterverkehr verursachten Schadstoßausstöße bis 2020 um rund 50 Prozent sinken. Bei Binnenschiffen hingegen wird der Rückgang nur 20 bis 30 Prozent betragen, wenn die bislang relativ schleppende Umrüstung auf emissionsärmere Motoren nicht beschleunigt wird. Gerade mal 14 Prozent der europaweit registrierten 8500 Binnenschiffe fahren heute mit Maschinen, die nach 2003 hergestellt worden sind und modernen Umweltstandards genügen. Der Wettbewerbsvorteil Umweltschutz ist demnach bei den weitaus meisten Schiffen gefährdet. „Allenfalls sehr große Schiffe ab 5000 Tonnen werden 2020 gegenüber Straßentransporten durch bessere Emissionszahlen überzeugen“, schreiben die Autoren. Auf Tonnenkilometer heruntergerechnet kann die Binnenschifffahrt schon heute nur auf Grund des Größenvorteils ihrer Schiffe mit besseren Werten als der Straßengüterverkehr überzeugen.Auch beim Thema Nachwuchsförderung schlagen die Autoren Alarm. Vor allem für Deutschland wird ungeachtet der bisherigen Naiades-Fördermaßnahmen ein düsteres Bild gezeichnet. 40 Prozent der Beschäftigten sind über 50 Jahre alt. Wenigstens 200 Mitarbeiter gehen jährlich in den Ruhestand, welchen höchstens 120 junge Fachkräfte nachfolgen. 40 Prozent der frei werdenden Arbeitsplätze können demnach nicht besetzt werden. In anderen Ländern wie Belgien, Frankreich und Österreich sieht die Lage kaum besser aus. Vor allem Kapitäne und Bootsmeister fehlen. Allenfalls der niederländischen Binnenschifffahrt bescheinigen die Autoren, dass sie die nächsten Jahren ohne größere Nachwuchsprobleme überstehen wird.Breite Palette an Fördermaßnahmen„Für die Zukunft der europäischen Binnenschifffahrt ist die Verfügbarkeit der Flüsse und Kanäle entscheidend“, betont Co-Autor Henrik Armbrecht von Planco. Über die Beseitigung von Jahrzehnte alten Engpässen wie den Donauabschnitt Straubing-Vilshofen hinaus müssen die einzelnen Staaten mehr Mittel in die Instandhaltung der Wasserstraßen investieren, damit die Binnenschifffahrt auch in Niedrigwasserperioden fahren kann. Ansonsten liegen die Empfehlungen der Autoren auf der Hand. Gefördert werden sollen alle Maßnahmen, welche den Anteil der Binnenschifffahrt im Modal Split erhöhen können. Das Spektrum reicht vom Ausbau der River Information Services (RIS), welche sich bislang auf Rhein und Donau konzentrierten, über zusätzliche Fördermaßnahmen für Reeder und Partikuliere, welche in Technologien für alternative Treibstoffe wie Flüssiggas investieren wollen, bis hin zu Konzepten, welche Binnenschiffe in intermodale Supply Chains integrieren.Egal in welchen Märkten die Binnenschiffer unterwegs sind: Grundsätzlich sehen die Autoren überall Wachstumschancen. Das gilt sogar für die häufig als Auslaufmodell gehandelten Kohletransporte. Weil dieser Brennstoff in Zukunft verstärkt von Übersee über Antwerpen, Rotterdam oder Constanza in Rumänien umgeschlagen wird, könnten vor allem Rhein- und Donausschifffahrt sich Hoffnung auf Zuwächse machen, schreiben NEA & Co. Möglicherweise sorgt auch der deutsche Ausstieg aus der Atomenergie für eine zusätzliche Nachfrage. Am meisten Wachstum wittern die Autoren naturgemäß in der Containerschifffahrt. Abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung in einzelnen Verladerbranchen könnten sich die Volumina bis 2020 fast verdoppeln und bis 2040 sogar mehr als vervierfachen (siehe Tabelle). Ansonsten winken neue Märkte in der Auto-, Papier- und Windkraftanlagenindustrie.Voraussetzung für solche Wachstumsszenarien ist, dass die Binnenschifffahrt ihre Personalprobleme löst. Darin sehen die Autoren die vielleicht größte Herausforderung: Wenigstens 3800 zusätzliche Arbeitsplätze (plus acht Prozent) müssten ihren Analysen zufolge bis 2020 geschaffen werden. Wenn die EU-Kommission diesen Aussagen folgt, müsste Ausbildungs- und Weiterbildungsförderung der Schwerpunkt des neuen Naiades-Programms sein. ❙❚■ Stefan Bottler, freier JournalistDie Binnenschiffer steuern auf eine ungewisse Zukunft zu Wachstumschancen der BinnenschifffahrtLadegut20072020 (min.)2020 (max.)2040 (min.)2040 (max.)Container100142175262442Kohle100117138137166Stahl100 99120114156Chemie + Erdöl100101115104156Agrarprodukte100104113123146Baustoffe100100105109122Total100107123132181Quelle: NEA u.a., Medium and Long Term Perspectives of IWT in the EU, 2012, Index 2007 = 100Binnenschifffahrt

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