Bericht aus Brüssel

Bericht aus Brüssel„Anreize sind besser als Gesetze“Umweltschutz ist für Mathieu Grosch, verkehrspolitischer Sprecher der bürgerlichen Politiker im Europaparlament, eine wichtige Aufgabe der EU. Auch der Verkehrssektor müsse sich daran beteiligen, sagt Grosch im Interview.Herr Grosch, 2007 hat die EU ehrgeizige umweltpolitische Ziele für 2020 aufgestellt. Wo steht Europa jetzt, fünf Jahre danach?Wirtschafts- und Finanzentwicklung sind stark in den Vordergrund der Diskussionen geraten. Entsprechend wurden die umweltpolitischen Ziele zwar nicht vergessen, sind aber nicht mehr so zentral, wie wir das anfangs vermutet hatten.Trotzdem hat die EU mittlerweile schon umweltpolitische Ziele für 2050 formuliert. Sind die realistisch, gerade für den Verkehrsbereich?Einerseits wäre es mir tatsächlich lieber, wenn man zunächst bis 2020 genauer festlegen würde, wo es hingeht, weil wir dann besonders im Transportbereich die Ziele genauer definieren könnten. Andererseits bleiben die Langzeitziele wichtig, denn sie geben eine Richtung vor, was für Forschung und Industrie sehr wichtig ist. Wie bringt man denn die Industrie am besten dazu, beim Erreichen der EU-Ziele mitzuarbeiten? Mit Gesetzen oder mit Selbstverpflichtungen? Man braucht beides. Wenn man klare Ziele angibt, sehe ich immer eine erste Phase, in der die Industrie Zeit haben sollte. Wenn sich aber nichts bewegt, soll man Druck machen. Grundsätzlich sinnvoller als Gesetze finde ich es, Anreize zu schaffen, neue Wege zu gehen. Wenn wir zum Beispiel bei LKW von Internalisierung der externen Kosten sprechen, könnte man vorschlagen, dass diejenigen, die morgen in ein umweltfreundlicheres Fahrzeug investieren, eine geringere Maut zahlen. Weil diese LKW ja eine viel geringere Belastung für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen darstellen. Dann wäre der angekündigte EU-Gesetzesvorschlag für die CO2-Reduzierung bei LKW in Ihren Augen überflüssig? Man braucht ihn nicht in der Form. In welcher Form könnte man ihn besser brauchen?Man kann den Sektor davon überzeugen, dass es ja in seinem eigenen Interesse ist, diesen Weg zu beschreiten, weil Umwelteffizienz auch Kosteneinsparung bedeutet.Frankreich hat jetzt ein Gesetz erlassen, das die Transportunternehmen dazu verpflichtet, die CO2-Bilanz der Waren aufzuzeigen. Auf Strafen verzichtet allerdings das Gesetz. Ist das ein sinnvoller Weg?Ja, denn dadurch wird ein Bewusstsein für das gesamte Thema CO2 geschaffen. Der Kraftstoffverbrauch, die Effizienz der Fahrten, die Stauprobleme sind vielen Betrieben bekannt, aber der CO2-Verbrauch insgesamt eher weniger. Finden Sie es generell gut, externe Kosten dem Straßengüterverkehr in Rechnung zu stellen? Grundsätzlich ja, aber wir sollten noch ausführlicher debattieren, was wir berücksichtigen und was nicht. Ich bin zum Beispiel dagegen, die Staukosten miteinzubeziehen. Aber die Internalisierung der Kosten ist in meinen Augen eine gute Option. Das Schweizer Modell gefällt mir sehr gut. Das heißt?Dass die Schweizer dieses Prinzip in ihre Gesetze festgeschrieben haben. Ihre Maut dient zu 80 Prozent dazu, in Alternativen zum Straßenverkehr zu investieren. Das ist die Zweckbindung, die wir auch im EU-Parlament gefordert haben. Dies hat in der Schweiz dazu geführt, dass der Güterverkehr multimodaler gestaltet wurde, ohne dass die Betriebe einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten haben.Maut wird zurzeit noch mit ganz unterschiedlichen Systemen eingetrieben. Wann kommt die einheitliche EU-LKW-Maut?Wenn die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten es wollen.Sie würden die europäische Maut also morgen gerne haben?Das ist die Haltung des EU-Parlaments und der EU-Kommission. Gemauert wird im Rat. Wäre es auch kein Problem, schnell ein einziges Gerät für diese einheitliche EU-Maut auf den Markt zu bringen?Wenn der Wille da ist und dies nicht zu einem Monopol eines einzigen Herstellers führt, dann ja. Kurz zum Luftverkehr und die Einführung des Europäischen Emissionshandels: Hat Europa das richtig gemacht? Den Alleingang zu wagen, trotz heftiger Proteste der übrigen Welt?Der Weg ist richtig, aber chronologisch falsch angegangen. Man muss erst ein internationales Abkommen abschließen, dann kann man so ein System starten. Die Versuche zu einem Abkommen sind aber alle gescheitert.Der Flugverkehrsbereich ist geprägt durch seinen internationalen Bezug. Europäische Alleingänge werden nicht notwendigerweise die Umweltziele vorantreiben, sondern eher zu wirtschaftlichen Konflikten führen. Hier geht es meines Erachtens nicht so sehr um die Kosten, sondern um eine Prinzipfrage, die wegweisend für die Zukunft sein wird: Werden wir in Europa imstande sein, die übrigen Regionen der Welt davon zu überzeugen, in gewissen Bereichen, wie beispielsweise der Umwelt, neue Wege zu gehen? Einige sehen in Lang-LKW so einen neuen Weg. Sie auch?Ich möchte Effizienz, und ich möchte CO2 reduzieren. Dabei spielen Ladeeinheiten eine entscheidende Rolle. Das wichtigste ist deshalb, dass sich besonders Bahn und Straße auf Ladeeinheiten einigen, mit denen jeder am wenigsten Platz verliert. Das soll morgen die Längen bestimmen. Ob LKW dann ein paar Meter länger werden – das ist eine absurde Diskussion. Alle werden dadurch gewinnen. Lang-LKW sehe ich dann auf Straßen, wo durch die nötige Infrastruktur die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer gewährleistet ist und wo die LKW auf keinen Fall eine Konkurrenz zu einer Bahnlinie sein sollten. Weil ich davon überzeugt bin, dass die Straße mehr als genug auffangen muss in den nächsten Jahren, und die Bahn mehr Kapazitäten hat, als das, was sie zurzeit nutzen kann. ❙❚■ Kay Wagner, VR-Korrespondent in BrüsselDer konservative EU-Abgeordnete Mathieu Grosch über die Ziele guter UmweltpolitikVitaMathieu Grosch Der Belgier Mathieu Grosch ist seit 1994 Abgeordneter im Europaparlament und dort Mitglied des Verkehrsausschusses. Dort wählte 2009 die bürgerlich-konservative EVP-Fraktion mit den deutschen CDU/CSU-Politikern den heute 61-Jährigen zu ihrem verkehrspolitischen Sprecher. Grosch gehört der deutschsprachigen Minderheit in Belgien an, wurde in Eupen geboren und ist auch Bürgermeister der ostbelgischen Gemeinde Kelmis. Bericht aus BrüsselStandpunkteHerr Grosch, sind Sie für: Ein CO2-Gesetz für LKW Internalisierung externer Kosten LKW-Abgaben für Stau-Verursachung Zweckbindung der Mautgebühren Eine einheitliche LKW-Maut in der EU Mehr multimodalen Gütertransport Den Emissionshandel im Flugverkehr  Lang-LKW

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