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Bahn baut 80 Wochen lang am Niederrhein

04.11.2024 14:30 Uhr | Lesezeit: 4 min
Arbeiter errichten im Bereich des Bahnhofs Dinslaken neben neu verlegten Gleisen eine Schallschutzwand
Ganze 80 Wochen lang wird die Strecke von Oberhausen im Ruhrgebiet über Emmerich bis in die Niederlande gar nicht oder nur eingeschränkt befahrbar sein
© Foto: Oliver Berg/picture alliance

Die Bahn will mit einer modernen Güterverkehrs-Trasse die Nordsee und das Mittelmeer verbinden. Ein Mega-Projekt und ein Prestigeprojekt. Am Niederrhein hat das nun 80 Wochen lang, also über anderthalb Jahre, auch Folgen für die Industrie.

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Dass Baustellen den Bahnverkehr behindern, ist für Pendler und Reisende inzwischen fast Alltag. Doch was nun am Niederrhein ansteht, bezeichnet selbst die Bahn als ein "noch nicht dagewesenes Bauvolumen": Ganze 80 Wochen lang wird die Strecke von Oberhausen im Ruhrgebiet über Emmerich bis in die Niederlande gar nicht oder nur eingeschränkt befahrbar sein. Das betrifft seit diesem Freitag, den 1. November, Pendler, aber auch den Fernverkehr und die Industrie entlang der wichtigen Güterstrecke. Die Bauarbeiten sind Teil eines Prestigeprojekts für den europäischen Güterverkehr.

Weshalb wird die Strecke so aufwendig ausgebaut?

Die rund 73 Kilometer lange Strecke am Niederrhein ist ein Teilstück des europäischen Güterverkehrskorridors vom Nordseehafen Rotterdam bis nach Genua am Mittelmeer. In den 1990er Jahren beschlossen die beteiligten Länder Deutschland, Niederlande, Schweiz und Italien, die Strecke auszubauen und zu modernisieren - und so wichtige Wirtschaftsstandorte über die Schiene an die großen Seehäfen anzuschließen. Die bislang nur zweigleisige Strecke mit zum Teil veralteter Technik hat ihre Leistungsgrenze längst erreicht. Die Niederlande haben ihren Abschnitt bereits 2007 fertiggestellt: Die 160 Kilometer lange Betuwe-Linie von Rotterdam zur deutschen Grenze gilt als eine der modernsten Güterverkehrsstrecken der Welt.

Wie ist der Stand des Ausbaus auf deutscher Seite?

In Deutschland hängt der Ausbau im Vergleich zu den Nachbarländern – ganz ähnlich wie beim Brenner-Basistunnel – massiv hinterher. Geplant ist, auf der Strecke durchgängig ein drittes Gleis zu bauen. Allein am Niederrhein sollen 47 Brücken erneuert werden, 38 neue Brücken sollen Bahnübergänge mit Schranken ersetzen. Außerdem wird die Technik auf den neuesten Stand gebracht und der Lärmschutz für die Anwohner verbessert. Den ersten Spatenstich gab es schon im Januar 2017 – doch bis zuletzt fehlten immer noch einige Genehmigungen. Auch wenn 2026 der 80-wöchige Baumarathon abgeschlossen ist, werden die Arbeiten an der Strecke noch über viele Jahre weitergehen – wie am Brenner-Nordzulauf.

Weshalb dauern die Arbeiten so lang?

Eine besondere Herausforderung für Ingenieure und Bauarbeiter ist laut Deutscher Bahn die Überquerung des Wesel-Datteln-Kanals. Die bestehende Brücke soll nicht nur breiter, sondern auch 1,5 Meter höher werden, damit die immer größeren Schiffe auf der Bundeswasserstraße darunter durchpassen. Weil schwere Güterzüge nicht mit starken Steigungen klarkommen, müssen die Gleise auf insgesamt drei Kilometern Länge zwischen Voerde und Wesel auf das neue Höhenniveau angepasst werden. Dafür müssen auch andere Brücken, Oberleitungen und sogar ein Bahnhof angehoben werden.

Was bedeuten die Bauarbeiten für die Region?

"Die Auswirkungen auf die Wirtschaft sowie auf tausende Pendlerinnen und Pendler in unserer Region werden massiv sein", sagt der Weseler Landrat Ingo Brohl (CDU). Jahrelang sei zu wenig in die Investitionen investiert worden. "Jetzt sehen wir die Folgen dieser Versäumnisse." Trotzdem wirbt er bei den Bürgern um Verständnis: "Für die Gestaltung der Zukunft im Niederrheinkreis ist eine erneuerte, funktionierende Verkehrsinfrastruktur unerlässlich, trotz aller damit verbundenen aktuellen Einschränkungen und Nachteilen." Allerdings müsse die Bahn sicherstellen, dass die Ersatzbusse während der Bauarbeiten verlässlich fahren, forderte er.

Auf welche Einschränkungen genau müssen sich Bahnreisende einstellen?

Seit vier Jahren gibt es immer wieder Streckensperrungen, teilweise mehrere Wochen lang. Doch die nun anstehende 80-wöchige Bauphase ist nochmal etwas völlig anderes. Etwa zwei Drittel der Zeit soll die Strecke immerhin eingleisig befahrbar sein, was aber trotzdem zu Einschränkungen führt. In der übrigen Zeit wird der Abschnitt voll gesperrt – das erste Mal ab diesem November für gut drei Wochen.

Während der Vollsperrungen müssen Pendler im Nahverkehr auf den Linien RE5, RE8, RE13, RE19, RE44, RE49 auf Ersatzbusse umsteigen. Fernzüge zwischen Köln und den Niederlanden werden umgeleitet und brauchen dadurch länger.

Welche Folgen hat die Sperrung für die Wirtschaft?

Gerade für das produzierende Gewerbe und die Chemieindustrie am Niederrhein sind die häufigen langen Sperrungen ein Problem. Man könne auch nicht alle Waren auf Lastwagen umladen, sagt Matthias Simons, Leiter Verkehr und Logistik bei der Industrie- und Handelskammer Duisburg. "Das ist für die Unternehmen mit großen Herausforderungen verbunden." Langfristig sei eine leistungsstarke Schienenanbindung aber ein klarer Pluspunkt für die Wirtschaft der Region. Auch Bahn-Projektleiter Stefan Ventzke wirbt um Verständnis. "Nur mit einer modernen und robusten Infrastruktur wird es uns langfristig gelingen, die Verkehrswende zu schaffen und noch mehr Menschen und Unternehmen vom klimafreundlichen Verkehrsmittel Bahn zu überzeugen", sagt er.

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