BAG-Bericht: Interessante Details

Wie wirkt sich die Nachfrageentwicklung in den letzten Monaten und Jahren auf die Struktur im Transportgewerbe aus? Lockt das Wachstum neue Anbieter in den Markt? Oder wird die zusätzliche Nachfrage von ausländischen Dienstleistern aufgefangen? Und wie entwickelt sich der Werkverkehr? Antworten darauf gibt eine neue Untersuchung des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG). Der Titel ist sperrig ("Struktur der Unternehmen des gewerblichen Güterkraftverkehrs und des Werkverkehrs") und der Inhalt entsprechend: In dem Bericht reiht sich eine Zahlenkolonne an die andere. Doch bei genauem Hinsehen lassen sich interessante Details entdecken. Lockt das Wirtschaftswachstum neue Unternehmen an? Ja. Wenn man sich die Entwicklung zwischen der Erhebung 2015 und 2020 ansieht, ist die Zahl der registrierten Unternehmen im Güterkraftverkehr gestiegen (siehe Grafik Seite 23). Im gewerblichen Güterkraftverkehr nahm die Zahl der Anbieter um 4,19 Prozent zu. Das scheint bei einem Zeitraum von fünf Jahren überschaubar zu sein. Aber da immer mehr Unternehmer keinen Nachwuchs finden, die Rendite bei vielen Fuhrbetrieben gering und die Insolvenzrate im Branchenvergleich hoch ist, ist dieser Anstieg durchaus beachtlich - wobei die steigende Nachfrage nicht der einzige Grund für die Expansion sein muss. Auch die Zahl der Unternehmen im Werkverkehr nimmt zu. Aber das dürfte nur sehr am Rande mit der Entwicklung im Güterverkehr zu tun haben, weil der Transport ja nicht der eigentliche Unternehmenszweck ist. Der Anstieg der Zahl der Werkverkehrsunternehmen mit 7,89 Prozent fällt höher aus als im gewerblichen Güterverkehr. Ein Teil dieses hohen Anstiegs könnte damit zusammenhängen, dass sich in diesem Zeitraum viele Werkverkehrsunternehmen in der Werkverkehrsdatei angemeldet haben. Denn nur dann kommen sie in den Genuss von Geldern aus dem Programm De-Minimis sowie Aus- und Weiterbildung. Wer profitiert am meisten von der steigenden Nachfrage: der gewerbliche Verkehr oder der Werkverkehr? Wenn man die Zahl der Unternehmen betrachtet, könnte man meinen, dass der Werkverkehr stärker gewachsen ist. Doch bei genauem Hinsehen kommt man eher zu dem gegenteiligen Ergebnis. Die Zahl der Werkverkehrsunternehmen ist in der Tat stärker gestiegen als die der gewerblichen. Das sagt jedoch noch nichts über das Transportvolumen aus. So befördert ein selbst fahrender Unternehmer mit einem 40-Tonner im Fernverkehr wahrscheinlich im Monat mehr als ein Handelsunternehmen im ganzen Jahr, das sich einen 7,5-Tonner anschafft zur Auslieferung seiner Waren im Nahverkehr. Schon eher ist die Zahl der Lkw in den beiden Segmenten ein Maßstab. 2015 zählte das BAG im gewerblichen Güterkraftverkehr 680.659 Fahrzeuge (darunter Lkw, Sattelzugmaschinen, Lkw-Anhänger, Sattelanhänger und sonstige Fahrzeuge über 3,5 Tonnen). Fünf Jahre später waren es 722.919, was einem Zuwachs von 6,21 Prozent entspricht. Im Werkverkehr waren 2015 nur 370.590 Fahrzeuge im Einsatz. 2020 wurden in diesem Segment 402.742 Fahrzeuge registriert: ein Plus von 8,68 Prozent. Also macht der Werkverkehr auch in diesem Vergleich das Rennen und legt stärker zu als der gewerbliche. Aber: Lkw ist nicht gleich Lkw. Das Ladevolumen respektive -gewicht spielt eine wesentliche Rolle. Auch dazu liefert das BAG Daten: 2015 betrug im gewerblichen Verkehr die Ladekapazität der Fahrzeuge insgesamt 9,12 Millionen Tonnen. Fünf Jahre später lag dieser Wert bei 10,311 Millionen Tonnen. Das entspricht einer Zunahme von 13,06 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm die Kapazität im Werkverkehr von 3,796 Millionen Tonnen auf 4,196 Millionen Tonnen zu: eine Steigerung um 10,54 Prozent. Die Ladekapazität im gewerblichen Verkehr hat also stärker zugelegt als im Werkverkehr. Unterstellt man eine annähernd konstante Auslastung und Transportentfernung, hätte also doch der gewerbliche Güterverkehr die Nase vorne. Und es gibt noch einen weiteren Grund, der darauf schließen lässt, dass der gewerbliche Güterkraftverkehr stärker vom Transportwachstum profitiert hat als der Werkverkehr (siehe übernächste Frage). Hat aber nicht der ausländische Lkw am meisten profitiert vom steigenden Aufkommen? Dazu gibt der Bericht keine Auskunft, weil das BAG nur deutsche Unternehmen befragt hat. Aber die Mautstatistik des BAG ist ein Indiz. Betrug der Anteil ausländischer Lkw an den Mautfahrleistungen 2015 40,1 Prozent, liegt er 2020 mit einem Anteil von 40,2 Prozent nicht höher. Also haben sich die deutschen und ausländischen Unternehmen gleich entwickelt? Nein. Auch hier muss man genauer hinsehen. Denn im Oktober 2015 wurde die Mautpflicht von zwölf auf 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht abgesenkt und im Juli 2018 wurden erstmals alle Bundesstraßen bemautet. Dadurch mussten überproportional viele deutsche Lkw Maut zahlen. Ohne diese Maßnahmen wäre der Anteil ausländischer Lkw an den Mautkilometern 2020 sicher höher als 40,2 Prozent gewesen. Das wird deutlich an dem Anteil ausländischer Lkw an allen Mautkilometern im Jahr 2017, also vor der Einführung der Bundesstraßenmaut. Da betrug dieser Wert 42,6 Prozent. Aus welchen Branchen stammen die Unternehmen des Werkverkehrs? Ganz oben stehen nicht der Handel oder Firmen aus einem Industriezweig. Auf Platz eins rangieren mit 10.486 Unternehmen das Baugewerbe, und zwar mit deutlichem Abstand vor sonstige Dienstleistungen (7.906 Betrieb) und Einzel- und Großhandel (7.739). Für Transportdienstleister ist diese Statistik nicht uninteressant. Zeigt sie doch, in welchen Branchen viele Firmen mit einem eigenen Fuhrpark unterwegs sind - und wo sich womöglich noch Geschäftsfelder erschließen lassen. Dass der Bau einen hohen Werkverkehrsanteil hat, überrascht nicht. Die Verfügbarkeit der Lkw spielt eine große Rolle wie auch der Umgang mit dem Transportgut. Da sind die Möglichkeiten zum Outsourcing an einen Dienstleister gering, zumal die Lkw häufig lange auf den Baustellen stehen. Da mit 16,21 Prozent die Zahl der Fahrzeuge im Bau überproportional angestiegen ist, dort die Lkw aber eher kürzere Strecken zurücklegen, dürfte die Verkehrsleistung im Werkverkehr weniger stark angestiegen sein als im gewerblichen Verkehr. Mehr zum Thema unter #MarktfürTransport www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Der BAG-Bericht zeigt: Im Werkverkehr ist die Zahl der Unternehmen wie die Zahl der Lkw zwischen 2015 und 2020 stärker gestiegen als im gewerblichen Verkehr. Aber auch im gewerblichen Verkehr vermeldet das BAG einen Zuwachs: Das war nicht unbedingt zu erwarten angesichts zahlreicher Firmenaufgaben.

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