Baden-Württemberg und ein breites Bündnis aus Industrie, Forschung und Verbänden haben einen Aktionsplan zur Förderung strombasierter Kraftstoffe, sogenannter Refuels, veröffentlicht. Ziel ist es, die bislang stockende industrielle Produktion von eFuels – insbesondere für Anwendungen in der Luft- und Schifffahrt – in Schwung zu bringen. Dazu fordert das Bündnis konkrete Anpassungen der europäischen Regulierung.
Hintergrund: Kaum Investitionen in PtL-Großanlagen
Strombasierte Kraftstoffe gelten als Schlüsseltechnologie für klimaneutrale Energiesektoren – besonders dort, wo Elektrifizierung an ihre Grenzen stößt. Dazu zählen vor allem Luftfahrt und Schifffahrt. Trotz technologischer Reife fließen bislang kaum Investitionen in den Aufbau industrieller Großanlagen zur Produktion von Power-to-Liquid-Kraftstoffen (PtL).
Der von Baden-Württemberg initiierte Aktionsplan Refuels will das ändern. Gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft hat das Land Vorschläge erarbeitet, wie regulatorische Hürden auf EU-Ebene abgebaut werden können.
EU-Regulierung als Investitionshemmnis
Zentraler Kritikpunkt des Bündnisses: Die aktuelle EU-Regulierung setze zu wenige Anreize für Investitionen in PtL-Technologien und sei zu komplex oder unklar in entscheidenden Bereichen.
„Unser Ziel war es, einen tragfähigen, breit unterstützten Vorschlag für die notwendige Weiterentwicklung des europäischen Regelwerks für Refuels zu entwickeln“, erklärt Winfried Hermann, Verkehrsminister des Bundeslandes.
Der gemeinsame Vorschlag wurde in einem Aktionsplan zusammengefasst und soll der EU-Kommission übergeben werden: „Diesen wertvollen gemeinsamen Impuls geben wir nun nach Brüssel weiter – mit der Erwartung, dass die EU die Voraussetzungen für den Hochlauf klimaneutraler Kraftstoffe zeitnah deutlich verbessert.“
Es gehe nicht darum, Regeln zu lockern, die dem Klimaschutz dienen. „Im Gegenteil: Es geht darum, Klimaschutz überhaupt erst möglich zu machen.“
Technologie bereit, Regulierung verzögert Skalierung
Die Kritik der Partner: Der geltende europäische Rechtsrahmen sei zu streng, an entscheidenden Stellen unklar und nicht auf die frühe Entwicklungsphase dieser Technologie ausgelegt.
Aus Sicht der beteiligten Forschungsinstitutionen ist die technologische Basis für Refuels vorhanden – jedoch wird der Markthochlauf durch regulatorische Unsicherheiten behindert.
„Die Technologien zur Herstellung strombasierter Kraftstoffe stehen kurz vor der industriellen Skalierung“, sagt Thomas Hirth, Vizepräsident für Transfer und Internationales am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Doch zentrale Vorgaben im EU-Rechtsrahmen erschweren aktuell die technologische Weiterentwicklung und Skalierung.“
Kritik am Zeitplan der EU-Kommission
Die EU plant derzeit, ihre Regulierung im Jahr 2028 zu überprüfen. Aus Sicht des Bündnisses ist das zu spät, um die gesetzten EU-Klimaziele sowie verbindliche Quoten für klimaneutrale Kraftstoffe rechtzeitig zu erreichen. Die Unterzeichner fordern daher schnelle Anpassungen, um den technologischen und wirtschaftlichen Hochlauf nicht zu gefährden.
Acht Handlungsfelder für Refuels-Produktion definiert
Der Aktionsplan legt acht konkrete Handlungsfelder fest, um den Hochlauf strombasierter Kraftstoffe zu ermöglichen:
- Praxisgerechte Übergangsregeln bei Grünstromkriterien
- Nutzung unvermeidbarer industrieller CO₂-Emissionen auch über 2040 hinaus
- Vereinfachte Regelung der gemeinsamen Verarbeitung von strombasierten, biogenen und fossilen Rohstoffen
- Realistische Importregeln für PtL-Kraftstoffe aus Drittstaaten
- Fahrplan zur Klimaneutralität 2050 für Planungssicherheit von Investoren
- Regulatorischer Bestandsschutz für erste PtL-Anlagen
- Risikominimierung durch Abnahmeverträge und Förderung
- Einheitliches europäisches Book-&-Claim-System für SAF inklusive funktionierender Nachweiskette
Beteiligte Partner aus Industrie und Wissenschaft
Der Aktionsplan wird von zahlreichen Unternehmen und Institutionen unterstützt, unter anderem von:
- DHL Group
- Mahle (Automobilzulieferer)
- Flughafen Stuttgart
- VDMA (Verband der Maschinen- und Anlagenbauer)
- Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE)
- Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
- eFuel Alliance
- Verband des Württembergischen Verkehrsgewerbes
Insgesamt flossen die Perspektiven von über 20 Unternehmen, Verbänden und Forschungseinrichtungen sowie der Landesministerien in den Aktionsplan ein.
Hier geht's zum Aktionsplan (PDF, barrierefrei):
Fazit für Logistikbranche
Auch wenn der Aktionsplan nicht explizit auf die Logistikbranche abzielt, hat er potenziell weitreichende Auswirkungen auf klimarelevante Bereiche der Transportwirtschaft – insbesondere Luftfracht und Seeverkehr. Unternehmen in der Branche sollten die Regulierung von SAF und PtL-Kraftstoffen aktiv verfolgen, um sich frühzeitig auf neue Anforderungen und Chancen vorzubereiten.