Auftragsboom

AuftragsboomJetzt durchstarten Wie Transport- und Speditionsdienstleister den momentanen Auftragsboom nutzen, um mit ihrem Unternehmen gezielt zu wachsen, lesen Sie in der neuen Serie der VerkehrsRundschau. Erster Teil: Neue Geschäftsfelder finden.Den Einstieg in neue Geschäftsfelder teilen Unternehmen am liebsten auf Messen mit. Die konzentrierte Anwesenheit von Kunden, Konkurrenten, Fachmedien und Branchenexperten garantiert erfahrungsgemäß besonders große Resonanz. Auf der transport logistic 2007 in München hielten sich zumindest die großen Logistikkonzerne an diesen Grundsatz. So warb das Unternehmen Dachser, Kempten, auf der Messe mit seiner neuen Dienstleistung „Chem Logistics“. Für Chemieunternehmen wollen die Bayern künftig maßgeschneiderte Dienstleistungsangebote mit den branchenüblich hohen Sicherheits- und Qualitätsstandards entwickeln. Ebenfalls für Furore auf der Messe sorgte der Osnabrücker Logistikdienstleister Hellmann Worldwide Logistics. Während der transport logistic nahmen die Niedersachsen in Neufahrn nördlich von München ihr neues Logistikzentrum für ihren Kunden MAN Nutzfahrzeuge in Betrieb, das in Zukunft ein Viertel des Umsatzes im internationalen Ersatzteilgeschäft (rund eine Milliarde Euro) erwirtschaften soll. 120 Mitarbeiter sollen von Neufahrn aus künftig für rund 400 Empfänger bis zu 50.000 Picks am Tag vornehmen. Zur Expansion gezwungenAllein diese beiden Beispiele zeigen: In Wachstumszeiten sollte ein Speditions- und Logistikdienstleister neue Geschäftsfelder aufbauen und damit gezielt wachsen. Doch gilt diese Devise wirklich für jede Art von Unternehmen – ob groß, mittel oder klein? Sollte ein Verkehrsdienstleister tatsächlich das gegenwärtige Wirtschaftswachstum für die eigene Expansion nutzen? Branchenkenner beantworten diese Frage mit einem bedingten „Ja“. „Zahlreiche Logistikunternehmen haben zum Beispiel momentan nicht einmal ausreichend LKW- und Lagerkapazitäten für einen Wachstumskurs“, gibt zum Beispiel Klaus-Peter Jung zu bedenken. Er ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Miebach Logistik in Frankfurt/Main. „Da aber viele Kunden mehr verkaufen, werden sie zur Expansion geradezu gezwungen.“ Außerdem stoßen viele Verlader selbst an Kapazitätsgrenzen und suchen dringend Dienstleister für Kontraktlogistikprojekte. Auch Unternehmer, die derzeit lieber konsolidieren wollen, sollten deshalb eine Strategie im Hinterkopf haben, wie sie die derzeitige Marktsituation für gezieltes Wachstum nutzen wollen. Eine solche Strategie setzt immenses Wissen in vielen Bereichen voraus. Unabdingbar ist zunächst eine genaue Kenntnis der Betriebszahlen. Denn nur wer seine Zahlen präzise kennt, weiß, welche Sprünge er sich leisten darf. Hinzu kommt natürlich eine genaue Kenntnis der Märkte, in die ein Dienstleister möglicherweise neu einsteigen will. Doch diese Märkte kann ein Unternehmer nur knacken, wenn er über so effiziente Betriebsprozesse verfügt, dass er ausreichend Ressourcen zur Erschließung dieser neuen Geschäftsfelder hat. Dazu mahnt zum Beispiel Björn Bohlmann, Logistikexperte von Horvath & Partner in Stuttgart. „Prüfen Sie, ob Ihre Betriebsabläufe wirklich auf das jeweilige Marktziel ausgerichtet sind, und ob Ihre Mitarbeiter das notwendige Know-how für die neuen Geschäftsfelder mitbringen“, hebt der Unternehmensberater hervor. Außerdem müssen die Wettbewerbs-situation im Markt und die Strategien der Konkurrenten genau analysiert werden. „In Märkten, in denen bereits viele Wettbewerber sind, sollten Sie mit einem klaren Differenzierungsmerkmal auffallen“, fährt Bohlmann fort. Das könne je nach Lage ein besonders günstiger Preis oder eine außergewöhnliche Dienstleistung sein, die den Kunden begeistert.Synergien gezielt nutzenAm meisten Potenzial sehen in diesem Zusammenhang die meisten Branchenkenner im Segment der Mehrwertlogistik. Der Grund dafür liegt auf der Hand: „Zahlreiche Hersteller wollen ihre Fertigungstiefen weiter verringern, indem sie standardisierte Tätigkeiten bis zu einfachen Montagen an Dienstleister vergeben“, beobachtet Knut Kircher, Associate Partner der Stuttgarter Beratungsfirma Conmoto. Außer Automotive und Hightechunternehmen fallen, weiß er, neuerdings auch Konsumgüterhersteller mit entsprechenden Anforderungen auf. Am Ende einer solchen Analyse steht meist eine Wachstumsstrategie, die Synergien mit vorhandenen Geschäftsfeldern herstellt. Das gilt auch für die neuen Geschäftsfelder der eingangs genannten Unternehmen Dachser und Hellmann, aber auch für Gefco Deutschland, das ursprünglich von PSA Peugeot Citroën als Automotive-Dienstleister gegründet worden war und nun verstärkt in die Ersatzteillogistik einsteigen will, wie auf der transport logistic angekündigt. „Wir können alle Dienstleistungen für Ersatzteillogistik mit der vorhandenen Produktpalette abdecken“, sagt Gerd Schwarz, Automotive-Leiter von Gefco Deutschland, in Anspielung auf das dichte Stückgutnetzwerk mit 33 Filialen beziehungsweise Partner- Standorten. Allerdings hatte Gefco bis zur Messe noch keinen Kundenauftrag für das neue Geschäftsfeld. Das Unternehmen ist erst relativ spät in den Wachstumsmarkt Ersatzteillogistik gestartet und beschränkt sich vorerst auf Deutschland, weil in Frankreich laut Schwarz kein flächendeckender Overnight-Service möglich ist. Einen Schritt weiter ist Dachser. Die Bayern konnten auf der Messe schon Chemiekonzerne wie Akzo Nobel, Clariant oder OMV als Kunden präsentieren. Auch Dachser sieht sich im Übrigen mit seinem vorhandenen Netzwerk aus weltweit 294 Niederlassungen bestens für das neue Geschäftsfeld „Chemielogistik“ gerüstet, das vor allem im Luft- und Seefrachtsegment weiter ausgebaut werden soll. Außerdem schaffen ein Qualitätsmanagement im SQAS-Standard, regelmäßige Mitarbeiterschulungen zum Thema Ladungssicherung sowie Gefahrgutbeauftragte in vielen Niederlassungen nach Konzernmeinung gute Voraussetzungen für anspruchsvolle Kontraktlogistiklösungen im Chemiemarkt. Ein Komplettangebot mit Silotransporten werde es aber nicht geben, versichert ein Sprecher. „Wir konzentrieren uns weiterhin auf verpackte Ware.“ Die neuen Angebote von Dachser und Gefco unterscheiden sich nicht sonderlich von denen der Konkurrenten. Was zeigt, dass sich neue Geschäftsfelder allein dadurch erschließen lassen, wenn ein Dienstleister sich bereits mit anderen Produkten einen guten Namen und eine angestammte Kundschaft aufgebaut hat. Bei Betrieben, die im Markt viel weniger bekannt sind, geht diese Rechnung aber eher selten auf. Umso wichtiger ist es, dass ein Spediteur Kontakte knüpft. Das empfiehlt Berater Jung von Miebach Logistik: „Sie müssen bei den Entscheidern Ihrer Zielgruppen so bekannt sein, dass Sie bei Ausschreibungen automatisch angeschrieben werden“, rät er. Über gezieltes Marketing mit regelmäßigen Mailings oder eine PR, die häufige Präsenz in der Fachpresse garantiert, hinaus sollte eine Firma mit Wachstumsambitionen auch mit wichtigen Multiplikatoren ins Gespräch kommen. „Es ist einfacher, mit 50 als mit 5000 interessierten Unternehmen Kontakt aufzunehmen“, regt Jung regelmäßige „Beratertage“ am Unternehmensstandort an. Kundengespräche als Stein des AnstoßesAnsonsten geben auch Gespräche mit größeren Kunden wichtige Anstöße fürs Wachstum. Diese Erfahrung machte Jürgen Fecht, Inhaber der Spedition Fecht im südbadischen Meßkirch. „Die Kunden aus der Automotive- oder Konsumgüterbranche schilderten mir ihre wachsenden Anforderungen an die Logistik“, berichtet Fecht. „Wir investierten daraufhin in Lösungen für Preisauszeichnungen, Qualitätsprüfungen und andere Mehrwertlogistikleistungen.“ Außerdem regten die Kunden eine verstärkte Präsenz im benachbarten Allgäu an, wo Branchengrößen wie Dachser oder Noerpel das Sagen hatten. „Bei diesen Konzernen fühlen sich mittelständische Verlader als kleine Nummer“, so der Mittelständler – Mitte 2006 eröffnete er eine Filiale mit zehn Mitarbeitern in Weitnau.Trotz Auftragsbooms maßvoll wachsenWenigstens vier bis fünf Prozent Wachstum verzeichnete die Spedition in den letzten Jahren, allein 2006 waren es fast 16 Prozent. Und die Expansion soll weitergehen. Seit dem 1. Juli kooperiert Fecht mit Hellmann im See- und Luftfrachtgeschäft; im Frühjahr 2008 soll am Stammsitz in Meßkirch eine neue Logistikhalle mit 5500 Quadratmetern eröffnet werden. Branchenkenner geben dem Unternehmen mit 110 Mitarbeitern gute Chancen für die Zukunft. Denn die meisten der 2000 Kunden sind ebenfalls kleine und mittlere Firmen, die noch einen erheblichen Bedarf an externen Dienstleistungen haben. „Viele große Verlader haben allerdings ihre Logistik längst ausgelagert“, gibt Unternehmensberater Jung zu bedenken. Wenn außerdem der Einstieg ins internationale Transport- und Logistikgeschäft winkt, sollte der Dienstleister in jedem Fall auf Expansion setzen – vor allem für Osteuropa wird weiterhin ein stetig steigendes Wirtschaftswachstum vorhergesagt. Ansonsten ist eine Konsolidierung auf Basis von erhöhten Margen die wohl bessere Alternative. Zu dieser Einschätzung kam wohl auch Transportdienstleister TLS in Naila, der in den letzten Jahren mit hoch zweistelligen Wachstumsraten von sich reden machte, heute eine Flotte von über 100 LKW zählt. 2007 plant er einen Zuwachs von zehn Prozent mit acht neuen Zugmaschinen (2006: 15). „Ein Wachstum in den bisherigen Ausmaßen hätten wir kaum verkraftet“, sagt TLS-Geschäftsführer Walid Aziz. Umso wichtiger ist es offenbar für ihn, trotz Auftragsboom nun eher maßvoll zu wachsen. ❙❚■ Stefan BottlerKernfrage: Bringen die Mitarbeiter das Know-how für die neuen Geschäftsfelder mit?VR 30: Auftragsboom nutzen – neue Geschäfts-felder findenVR 31: Auftragsboom nutzen – die richtige Wachs-tumsstrategie entwickelnAuftragsboompraxislösungIn welche Geschäftsfelder sollte eine Firma investieren, um erfolgreich zu wachsen? Diese Frage stellte sich auch KEP-Dienstleister Trans-o-flex (TOF) in Weinheim und beauftragte dafür die Beratungsfirma Miebach Logistik. In einer dreiteiligen Marktuntersuchung wollte der KEP-Dienst herausfinden, welche Services 1400 Kunden aus der Pharma- und Consumer-Electronic-Branche wirklich wünschen. Zunächst befragte dafür ein Berater 36 Großkunden in persönlichen Interviews. Außer Geschäftsführern und Logistikleitern nahmen auch Qualitätsmanager aus Pharmafirmen teil. Aus den Ergebnissen konzipierte man dann einen Fragebogen für 360 Kunden und Interessenten, die ein Callcenter antelefonierte. Zusätzlich konzipierte ein Student für eine Diplomarbeit einen Online-Fragebogen, der an alle 1400 Kunden verschickt wurde. Themen der Befragungen waren unter anderem Produktnutzungen, Auswahlkriterien für Logistikdienstleister und künftige Brachenanforderungen. „Wir wollten wissen, wo wir im Wettbewerb stehen“, sagt Vincenz Behm, Leiter für Marketing und Marktentwicklung von Trans-o-flex. Das Interesse der Kunden war groß: So verzeichnete der Online-Fragebogen eine Rücklaufquote von 28 Prozent. Interessant: Erst 18 Prozent der Kunden arbeiten mit RFID, in den kommenden Jahren wird dieser Anteil auf höchstens 40 Prozent steigen. Hohes Interesse gibt es aber an SCM-Lösungen in Echtzeit sowie an Mehrwertlogistikservices, vor allem bei temperaturgeführten Transporten. Viele Kunden wünschen auch Angebote für Stückgut und Teilladungen. In Kürze berät die TOF-Geschäftsführung, welche neuen Geschäftsfelder und Produkte auf Basis dieser Umfragen aufgebaut werden. bot„Wünsch‘ Dir was“: Was Trans-o-flex von seinen Kunden wissen wollteUm gezielt in neue Geschäftsfelder zu investieren, befragte KEP-Dienstleister Trans-o-flex zunächst einmal potenzielle und bestehende Kunden.„Um gezielt zu wachsen, wollten wir erst einmal wissen, wo wir im Markt stehen“ Vinzenz behm, Trans-o-flexChecklisteIst Ihr Wachstum stabil? Hängt es von möglichst vielen Kunden und nicht nur von zwei oder drei Großkunden ab?Wünschen Ihre Kunden verstärkte Kapazitäten oder zusätzliche Dienstleistungen?Haben Sie Mitarbeiter, die sich hauptberuflich um Vertrieb und Neukundenbetreuung kümmern?Haben Sie Ihre Betriebsabläufe bereits auf Einsparpotenziale untersucht beziehungsweise diese realisiert?Werden Sie auch von Nichtkunden regelmäßig zur Teilnahme an deren Ausschreibungen eingeladen? Haben Sie Ihre künftigen Märkte genau analysiert? Kennen diese auch Ihre Mitarbeiter? Können Sie im künftigen Markt mit Alleinstellungsmerkmalen (sog. USPs) arbeiten?Haben Sie die Margen im Stammgeschäft in den letzten Jahren spürbar erhöhen können?Antwort: Wenn Sie alle Fragen mit „Ja“ beantworten können, sollten Sie für Ihr Unternehmen eine gezielte Expansion in Angriff nehmen. Selbstcheck: Ist Ihre Firma reif für die gezielte Expansion?Ein Dienstleister muss bei den Entscheidern seiner Zielgruppe bekannt seinNutzte den Auftragsboom, um gezielt in das neue Geschäftsfeld Chemielogistik einzusteigen: DachserAuftragsboom

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