Berlin. Ein Jahr nach dem Aschewolken-Chaos im europäischen Luftverkehr wird unvermindert über bessere Krisenpläne gestritten. Die europäische Luftsicherheitsbehörde Eurocontrol und die EU selber sehen bereits wegweisende Verbesserungen - die deutsche Regierung und führende Fluggesellschaften hingegen beklagen noch immer eklatante Mängel. Am 15. April 2010 hatte die isländische Vulkanasche auch in Deutschland zum ersten von vielen Flugverboten geführt. Es folgte die größte Krise in Europas kommerzieller Luftfahrtgeschichte.
„Wir sind für den Fall der Fälle viel besser vorbereitet", zieht EU-Verkehrskommissar Siim Kallas Bilanz und verweist auf eine breite Palette an Veränderungen. Statt überstürzter Reaktionen gebe es heute ein klares Krisenmanagement. Die Luftraumwächter von Eurocontrol seien dank neuer Vorgaben ganz anders handlungsfähig.
Eurocontrol mit Sitz in Brüssel sieht das genauso: „Wenn exakt dasselbe passiert, müssten wir weit weniger Areale schließen", sagt Eurocontrol-Chef Brian Flynn. Eine Größenordnung von nur noch 60 Prozent der damaligen Verbote sei realistisch.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hingegen spart nicht an Kritik. Zwar habe sich die Basis der Messmöglichkeiten für den Krisenfall entscheidend verbessert. Von übereinstimmenden Plänen für eine Reaktion wie aus einem Guss könne aber keine Rede sein. Man brauche nach wie vor international einheitliche und verbindliche Grenzwerte und ein europaweit harmonisiertes Krisenmanagement, für den Fall, dass ein Verkehrsträger erneut komplett ausfalle. „Hier ist seitens der EU-Kommission noch zu wenig passiert", sagte Ramsauer.
Deutlicher wird die Vereinigung Europäischer Fluggesellschaften (AEA): „Keine der Fragen wurde wirklich gelöst. Das Chaos würde wieder genauso passieren", befürchtet ihr Sprecher David Henderson und nennt Eurocontrol sogar „eine bürokratische Quasselbude". Auch die Lufthansa ist unzufrieden. „Wir brauchen ausgehend von der EU-Kommission dringend einheitliche Systeme, die uns erlauben, Sicherheitsrisiken wie die des Vulkanausbruchs besser ein- und abzuschätzen sowie die Reaktion europaweit besser zu koordinieren", sagt Peter Schneckenleitner, Sprecher bei Europas größter Airline.
Minister Ramsauer sieht nun die EU-Kommission am Zug. So müsse sie etwa von den Triebwerksherstellern wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über die Ascheempfindlichkeit der Motoren verlangen. (dpa)