Absolute Mangelware

Stell dir vor, jemand hat eine Ladung, aber keiner fährt sie. Unvorstellbar, denn irgendeiner findet sich doch immer, der Frachtraum anbietet. Was heute völlig abstrus erscheint, könnte in nicht allzu ferner Zukunft eintreten. Denn der Fahrermangel verschärft sich weiter, insbesondere in Branchen, in denen hochqualifizierte Mitarbeiter benötigt werden. "Die schwierigste Situation überhaupt" Spricht man Franz Fischer junior, Geschäftsführer der Spedition Franz Fischer in Nienburg, auf das Thema an, wird deutlich, welche immense Bedeutung es hat: "Das ist die schwierigste Situation, die wir überhaupt meistern müssen", sagt er. Sein Unternehmen verfügt über 90 eigene ziehende Einheiten und beschäftigt 110 Fahrer. Hinzu kommen 15 Lkw von Subunternehmen. Fahrer zu finden, sei sehr schwer. "Wir sind ausschließlich im Fernverkehr unterwegs, da sind die Fahrer schon mal zwei oder auch drei Wochenenden im Monat nicht zu Hause", nennt er ein wichtiges Argument, weshalb es so schwierig ist, Kraftfahrer zu finden. Aber es gibt noch zahlreiche weitere Hürden: Für die Beförderung von Gefahrgut - 80 Prozent der Transporte bei Fischer fallen in diese Rubrik - müssen die Fahrer über eine spezielle Bescheinigung verfügen (siehe Kasten Seite 23). "Zudem fahren viele lieber Planzüge, weil bei Gefahrgut die Anforderungen höher sind und diese Fahrzeuge häufiger kontrolliert werden", sagt Fischer. Daher streckt er seine Fühler schon seit einigen Jahren ins Ausland aus. Gute Erfahrungen hat er mit polnischen Fahrern gemacht. "Etwa zehn Prozent unserer Fahrer kommen mittlerweile aus Polen", sagt Fischer. Vor zwei Jahren hat er es mit spanischen Fahrern versucht, vergeblich. "Unsere Kunden verlangen, dass sich die Fahrer verständigen können, entweder auf Deutsch oder Englisch, um im Notfall reagieren zu können. Die Sprachkenntnisse der Spanier waren jedoch nicht ausreichend", nennt Fischer den Hauptgrund. Birgit Graucob, Personalleiterin bei der Hoyer Group, bestätigt die Erfahrungen von Fischer. "Weil wir nicht ausreichend Fahrer finden, setzen wir Fahrer aus Polen ein und das funktioniert ganz gut", sagt sie. Für die Fahrer aus dem Ausland hält Hoyer auch ein E-Learning-Programm parat, das ihnen neben Sprachgrundkenntnissen auch Fachbegriffe vermittelt. Die Spedition stellt zum Teil auch Unterkünfte zur Verfügung. "Wir versuchen zudem, über Flyer und Stellenanzeigen in regionalen Medien auf offene Stellen hinzuweisen", nennt Graucob weitere Maßnahmen, wie das Unternehmen dem Fahrermangel begegnet. Betriebsklima nicht vernachlässigen Auch bei Bernd Benneker, Personalleiter bei dem Logistikdienstleister Greiwing in Greven, steht die Knappheit bei den Fahrern ganz oben auf der Tagesordnung. Das Unternehmen beschäftigt bundesweit an neun Standorten 230 fest angestellte Fahrer und hat sich auf Silotransporte - darunter auch Gefahrgut - spezialisiert. "Der Fahrermangel ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen", sagt Benneker. Greiwing ergreift neben finanziellen Anreizen wie Prämien und einer Betriebsrente weitere Maßnahmen, um die angestellten Fahrer zu binden: "Denn: Erfahrungsgemäß ist es schwerer, einen guten Fahrer zu finden, als einen guten Fahrer zu halten." So veranstaltet Greiwing Betriebsfeste, hat einen von den Fahrern gewählten Ausschuss eingerichtet, der sich für die Belange der Fahrer gegenüber dem Unternehmen einsetzt, und nimmt soweit möglich auf die privaten Belange der Fahrer Rücksicht. "Wenn zum Beispiel die Frau oder die Kinder länger krank sind, suchen wir nach Möglichkeiten, wie der Fahrer doch am Abend oder am Wochenende nach Hause kommen kann", sagt Benneker. Fahrerlöhne werden steigen Doch was heute schon als schwierig gilt, könnte sich im Nachhinein als Kinderspiel entpuppen. Denn der Fahrermangel wird an Schärfe zunehmen, da sind sich Benneker, Fischer und Graucob einig. Denn viele Fahrer sind im Vergleich zum Rest der Belegschaft relativ alt und das Ende ihrer beruflichen Tätigkeit ist absehbar. Das gilt auch für Greiwing: "Das Durchschnittsalter unserer Fahrer ist mit 49 bis 50 Jahren hoch, darum werden in den kommenden Jahren viele Kollegen in den Ruhestand gehen", sagt Benneker. Greiwing hat deshalb unter anderem die Ausbildungsaktivitäten in den letzten Jahren intensiviert. "Derzeit bilden wir 15 Berufskraftfahrer aus", sagt Benneker. Damit gelinge es derzeit immerhin, die altersbedingten Abgänge abzufangen, nicht jedoch die Abgänge durch Fluktuation oder den Mehrbedarf aufgrund zusätzlicher Geschäfte. Einig sind sich alle drei auch, dass im Zuge des sich verschärfenden Fahrermangels die Lohnkosten klettern werden. "Die Nachfrage nach Fahrern steigt, das Angebot stagniert. Die Folge ist offensichtlich", sagt Benneker. Fischer weist darauf hin, dass schon heute ein Fahrer in der Gefahrgutspedition brutto bis zu 1000 Euro mehr bekommt als im Nahverkehr oder im normalen Fernverkehr. "Ich sage den Kunden immer wieder, dass irgendwann die Lohnkosten sprunghaft in die Höhe gehen werden", sagt er. "Ich kann zwar nicht abschätzen, wann das sein wird, aber das dauert sicher keine zehn Jahre mehr." Ein solcher Effekt müsse sich dann auch in den Frachtraten widerspiegeln. Graucob hingegen ist da noch skeptisch. "Eine Erhöhung der Frachtraten gibt zumindest derzeit der Markt kaum her", sagt sie. Demgegenüber steht die Altersstruktur bei Hoyer: So sind im Bereich Chemielogistik 50 Prozent der Fahrer 55 Jahre und älter. "Im Moment fehlt uns wie sicher vielen anderen auch die wirkliche Idee für die Lösung des Problems", gesteht Graucob. Gerade im Bereich der Gefahrgutspedition, in der die Anforderungen an die Fahrer hoch sind. "Wir müssen nach intelligenten Lösungen suchen, um den Fahrern die Möglichkeit zu geben, am Abend zu Hause zu sein, zum Beispiel über Staffelverkehre", nennt sie eine Maßnahme. Doch das kann nicht jeder anbieten und kann nur eine Maßnahme von mehreren sein, wenn man nicht Gefahr laufen will, Aufträge abzulehnen, weil keine Fahrer zur Verfügung stehen. Mehr zum Thema im Dossier Berufskraftfahrer www.verkehrsrundschau.de/dossiers Ausbildung zum Gefahrgutfahrer Ohne eine ADR-Bescheinigung geht nichts Wer Gefahrgut fahren will, benötigt dafür eine besondere Befähigung: eine ADR-Bescheinigung (ADR = Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße). Dazu muss der Fahrer einen Basiskurs besuchen, der 20 Übungseinheiten (2,5 Tage) umfasst, und anschließend eine Prüfung vor der IHK ablegen.Auch für das Führen eines Tankfahrzeuges ist es erforderlich, einen dafür ausgerichteten Aufbaukurs (12 Übungseinheiten, 1,5 Tage) zu besuchen und eine Prüfung abzulegen. Um den ADR-Schein zu verlängern, muss alle fünf Jahre ein Fortbildungskurs besucht werden.Ein Lehrbuch mit dem theoretischen Lehrstoff für den Basiskurs bietet der Verlag Heinrich Vogel an, in dem auch die VerkehrsRundschau erscheint. Das Buch richtet sich an Fahrzeugführer, die sich erstmals für den Transport von Gefahrgütern qualifizieren möchten, und an Ausbilder. Die erfolgreiche Teilnahme an der Schulung wird mithilfe von Merkkästen, vielen Beispielen und farbigen Abbildungen erleichtert.Zahlreiche prüfungsnahe Verständnisfragen am Ende jedes Kapitels bereiten auf die Prüfung vor. Der Inhalt folgt dem Kursplan des DIHK. Zudem bietet der Verlag Heinrich Vogel auch entsprechende Lehrbücher für den Aufbaukurs Tank und für die Auffrischungsschulung an. Weitere Infos und Bestellungen unter www.heinrich-vogel-shop.de oder telefonisch unter: 089/203043-1600. cd