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Interview: "Verdi ist weiterhin für Automobillogistik zuständig"

22.03.2016 14:48 Uhr
Andrea Kocsis ist stellvertretende Vorsitzende von Verdi und leitet den Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik

Die stellvertretende Vorsitzende von Verdi, Andrea Kocsis, erklärt im Interview, wie Verdi und IG Metall ihre Zuständigkeiten in der Kontraktlogistik geregelt haben.

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VerkehrsRundschau: Seit Jahresbeginn schließt die IG Metall fast jede Woche einen neuen Haustarifvertrag mit einem Kontraktlogistiker in der Automobilindustrie ab. Gibt Verdi diesen Wirtschaftsbereich sukzessive auf?

Andrea Kocsis: Nein, das machen wir nicht. Verdi hat mit der IG Metall im Januar aber die Zuständigkeiten und damit die Geltungsbereiche für Tarifverträge für die Beschäftigten in der Kontraktlogistik geregelt. Diese Vereinbarung bezieht sich vorrangig auf die produktionsnahen Dienstleistungen in der Automobilbranche. Dadurch ist klar, welche Gewerkschaft unter welchen Voraussetzungen bestimmte Betriebe organisieren darf.

Es herrscht zumindest der Eindruck, dass sich die IG Metall einen Wirtschaftszweig, der bisher Hoheitsgebiet von Verdi gewesen ist, im Eiltempo erkämpft. Täuscht dieser?

Sicherlich kümmert sich die IG Metall nun verstärkt um diejenigen, die seit Kurzem offiziell unter ihren Organisationsbereich fallen. Ich kann allerdings nicht feststellen, dass sie die Automobillogistik erobert.
Wir haben etwa vereinbart, dass ein Kontraktlogistiker, der seine Tätigkeit auf dem Werksgelände eines Betriebs erbringt, in den Organisationsbereich der IG Metall fällt. Verdi ist unter anderem für Kontraktlogistiker zuständig, wenn diese mehrere Endkunden bedienen und keiner von ihnen einen Anteil von 75 Prozent erreicht oder es um den Versand von Fahrzeugen geht. Daran halten sich die Gewerkschaften. Im Zweifel, etwa bei Mischbetrieben, stimmen wir uns ab. Verdi ist weiterhin für einen großen Teil der Automobillogistik zuständig.

Kontraktlogistiker fürchten, dass die IG Metall künftig oft Verdi überbietet und es zu einer Verschiebung kommt, die für Arbeitgeber teuer wird. Wie reagieren Sie darauf?

Die Unterschiede zwischen den Tarifverträgen, was Löhne und Arbeitszeiten betrifft, sind genauer betrachtet nicht so gravierend. Aktuell befinden wir uns in Gesprächen mit der IG Metall, ob wir nicht an dem einen oder anderen Standort eines Automobillogistikers versuchen sollen zu Tarifgemeinschaften zu kommen. Zum Beispiel in den Fällen, in denen beide Gewerkschaften ein Interesse daran haben, ein Unternehmen zu organisieren. Über die genaue Umsetzung müssen wir uns noch verständigen.

Verdi fordert in den Tarifverhandlungen für die Branche von Postdiensten, Speditionen und Logistik dieses Jahr fünf Prozent mehr Geld. Geht es um eine Angleichung an IG Metall-Niveau?

In Nordbaden-Württemberg, Südbaden, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Bayern werden 2016 neue Flächentarifverträge ausgehandelt. Zudem laufen acht bundesweite Haustarifverträge – etwa bei Töchtern von Deutschen Post DHL und der Spedition Transthermos – aus. Die Empfehlung setzt sich aus den volkswirtschaftlichen Prognosen für Preissteigerung und Produktivitätsfortschritt sowie einer Umverteilungskomponente zusammen. Die jeweiligen Tarifkommissionen in der Fläche haben aber auch Gesprächsbedarf, weil die Arbeitgeber oft mehr bezahlen, als es der Tarifvertrag festlegt. Es bedarf darüber hinaus der Anpassungen an die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten, damit die Tarifbindung für Unternehmen wieder attraktiver wird.

Denkt Verdi angesichts der IG Metall-Offensive über einen Branchentarifvertrag nach?

Das ist derzeit kein Thema. Die besagte Anpassung der Flächentarifverträge ist schwierig genug. Ein Branchentarifvertrag wäre aus unserer Sicht aufgrund der Struktur der Arbeitgeberverbände dieser Branche nicht machbar. In manchen Tarifgebieten gehören zum Beispiel Taxiunternehmer zu den Mitgliedern. Auch ist der Anteil an Unternehmen ohne Tarifbindung zu hoch.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteur André Gieße

Um was es geht: Kontraktlogistik - IG Metall oder Verdi?

Die beiden größten Gewerkschaften haben im Januar ihre Zuständigkeiten und damit die Geltungsbereiche für Tarifverträge für die Beschäftigten in der Kontraktlogistik geregelt, um mögliche Divergenzen in Zukunft zu verhindern. Vor allem in der Automobilindustrie setzt die IG Metall derzeit bei immer mehr Dienstleistern ihre Tarifforderungen durch. Die bisherigen Vereinbarungen mit Verdi sind in diesen Fällen passé und die Personalkosten steigen häufig.  (ag)

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