Arbeitsrecht: Rote Karte für Beleidigung?

Kommt es im Arbeitsumfeld zu Beleidigungen, kann dies Folgen haben. "Eine Beleidigung stellt auch im Arbeitsverhältnis eine Pflichtverletzung dar, man darf nicht beleidigen", erklärt Alexander Bissels, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Köln. Arbeitgeberseitig bestünden die Reaktionsmöglichkeiten, beginnend nach "Intensität" der Pflichtverletzung gestaffelt, von einer Ermahnung über Abmahnung bis zur Kündigung, die ordentlich und außerordentlich ausgesprochen werden kann. "Durch Beleidigung riskiert der Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber auch zum schärfsten Schwert greift und das Arbeitsverhältnis fristlos beendet." Es kommt auf die Gesamtumstände an Beleidigung ist ein Straftatbestand (Paragraf 185 ff. StGB). Er schützt die persönliche Ehre desjenigen, der der Beleidigung ausgesetzt ist, so Bissels. "Zusammenfassend erklärt sind Handlungen verboten, die die Ehre des anderen durch herabwürdigende Äußerungen und Gesten oder auch Tätigkeiten verletzen." Das bedeutet, dass man nicht auf Augenhöhe agiert, sich respektlos über Andere äußert. Dies sei abzugrenzen von schlichten Unhöflichkeiten - auch wenn die Unterscheidung nicht immer einfach ist und es auf die Situation ankommt. "Wenn ich jemandem nicht die Hand gebe, mag das eine Unhöflichkeit sein, kann in gewissen Kulturkreisen aber auch als Beleidigung empfunden werden." Die Bandbreite an Taten, die einen herabwürdigenden Charakter haben, ist groß: Das gehe von derben Schimpfworten, Äußerungen wie das "Götz-Zitat" (Sie können mich mal am Arsch lecken) bis zu "Klassikern" wie Idiot. Auch Gesten wie Mittelfinger oder Vogel zeigen zählen dazu. Es liegt im Ermessen des Arbeitgebers, wie er auf die Pflichtverletzung reagiert, führt Bissels aus. "Die Anforderungen wachsen, je eingriffsintensiver sich die eingeleitete Maßnahme für das bestehende Arbeitsverhältnis darstellt, gerade die Anforderung an eine fristlose Kündigung werden von der Rechtsprechung hoch ansetzt." So müsse es in Fall einer fristlosen Kündigung dem Arbeitgeber unzumutbar sein, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der an sich einschlägigen Kündigungsfrist durchzuführen (Paragraf 626 BGB). Eine subjektive Bewertung für den Pflichtverstoß reiche nicht aus, es müssen auch die objektiven Kriterien vorliegen, die die Rechtsprechung verlangt. "Grundsätzlich hängt es - wie immer im Arbeitsrecht - von den Gesamtumständen ab, wie der Arbeitgeber auf eine Beleidigung reagiert; es ist eine einzelfallbezogene Abwägung vorzunehmen." In so einer Abwägung ist Verschiedenes zu berücksichtigen: etwa die Intensität der Beleidigung, wer der Beleidigte ist und die Zahl der Personen, die involviert sind oder Kenntnis von der Beleidigung genommen haben. Ebenfalls eine Rolle spielt, ob der Mitarbeiter in der Vergangenheit schon einmal auffällig geworden ist, wie lange er im Unternehmen ist und ob es durch die Tat zu betrieblichen Störungen kommt, die das Arbeitsklima nachhaltig schädigen oder sich geschäftsschädigend auswirken. Auch das Nachtatverhalten ist wichtig: ob sich der Mitarbeiter entschuldigt und auf Wiedergutmachung aus ist. Ebenso kann eine Rolle spielen, unter welchen Umständen die Beleidigung erfolgt ist, ob derjenige etwa provoziert wurde. Ein weiterer Punkt: Welcher Ton herrscht in der Branche vor? In einer Bank gehe man traditionell untereinander etwas maßvoller miteinander um als in der Baubranche. "Üblicherweise spricht man gerade bei derberen Beleidigungen eher direkt eine Kündigung aus, vor allem, wenn Vorgesetzte, Geschäftsführung oder Kunden betroffen sind." Auch bei rassistischen Beleidigungen sei die Rechtsprechung vollkommen zu Recht sehr sensibel, ebenso wie bei Vergleichen mit dem Nationalsozialismus. Wenn es um Sachkritik geht, die Wertung an konkreten Tatsachen festgemacht wird und nicht eine Person ohne Tatsachenkern herabwürdigt, kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass Äußerungen durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind. Versuchen, Konflikte zu lösen Es könne je nach Umständen sinnvoll sein, erst mit einer Abmahnung zu reagieren und auf diese Weise eine Verhaltensänderung mit Blick auf ein zukünftiges Verhalten zu erzeugen, erklärt Bissels. "Auch ist es aus Arbeitgebersicht grundsätzlich geboten, die Hintergründe aufzuklären und über innerbetriebliche Maßnahmen die Konflikte zu lösen, wenn es zu Beleidigungen kommt." So könne man etwa einen Mitarbeiter aus dem Team versetzen, wenn es betrieblich sinnhaft und möglich ist. Das Risiko, dass das Gericht anders urteilt als der Arbeitgeber, bestehe im Arbeitsrecht immer, gerade bei fristlosen Kündigungen. Daher empfehle es sich, grundsätzlich im Kündigungsschreiben neben der fristlosen Kündigung einen Passus aufzunehmen, nach dem hilfsweise eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wird. "Das ist aber State of the Art und sollte in jeder außerordentlichen Kündigung stehen, wenn und soweit der Mitarbeiter nicht ausnahmsweise ordentlich unkündbar ist." Mehr zum Thema unter #Unternehmensführung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Es kommt auf die Umstände und die Situation an, aber auch, wer betroffen ist und wie es zum Konflikt kam: Das sind einige Kriterien, die ein Arbeitgeber bei seiner Entscheidung berücksichtigen sollte, wenn einer seiner Mitarbeiter ausfallend geworden ist.

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