Ohne Akku kein E-Lkw

In den letzten Jahren hat sich am Markt der Elektroantriebe viel getan. Jede der großen Lkw-Marken in Europa hat mittlerweile mindestens ein Fahrzeug mit E-Motor im Portfolio, wenn man die Abweichung zulässt, dass Iveco mit Nikola Motor zusammen ein Modell entwickelt hat. Das Kriterium für viel Reichweite ist meist ein Bauteil: die Batterie. Von außen ist der Akku nicht zu sehen. Das ist auch gut so, denn er muss hermetisch abgeriegelt sein. Meist entdeckt der fleißig Suchende einen großen, rechteckigen Metallkasten irgendwo unter dem Fahrgestell, der sich über die Breite oder Länge des Lkw zieht. Darin verbirgt sich die Batterie. Viele einzelne Akkus Allen Stromspeichern für Lkw gemein ist der grundlegende Systemaufbau. Die Batterie selbst besteht aus vielen einzelnen Zellen, die vorwiegend in drei Formen produziert werden: Zylindrisch, wie haushaltsübliche AA-Akkus, prismatisch, also ein vergleichbares Format wie Neun-Volt-Blockbatterien, oder Pouch-Zellen, die einem Handyakku nahekommen. Die großen Hersteller des Marktes sind Firmen wie Samsung, LG Chem oder CATL. Bislang stammen fast alle Batteriezellen aus Asien, der europäische Markt befindet sich erst im Aufbau. Die einzelnen Zellen werden miteinander verbunden und in sogenannten Modulen verbaut. Mehrere Module ergeben das Batteriesystem. Meist greifen Lkw-Hersteller auf fertige Module zurück. Warum, zeigt das Beispiel der Designwerk Products AG aus der Schweiz, die Volvo-Lkw mit E-Antrieben ausstattet. "Es war eine bewusste Entscheidung, auf fertige Module zurückzugreifen", erklärt Thomas Prohaska, der Produktmanager Batterien des Unternehmens. Der Grund: "Wir hatten zwar einst eigene Module hergestellt, allerdings ist dieser Prozess sehr kapitalintensiv und von der Automatisierung her, was nicht unser Kerngeschäft ist, sehr anspruchsvoll." Bei Designwerk setzt man auf prismatische NMC-Zellen. Zur Begriffsklärung: Fast alle in der E-Mobilität eingesetzten Akkus basieren auf der Lithium-Ionen-Technologie. Diese ist lediglich ein Überbegriff für verschiedene Batterietypen. Im Fall von NMC werden als Materialien für die Kathode Nickel, Mangan und Kobalt verwendet, an der Anode kommt, wie bei fast allen Li-Ionen-Batterien, Grafit zum Einsatz. Dazwischen bewegen sich die Lithium-Ionen. Ein anderer Batterietyp, den beispielsweise DAF verwendet, ist LFP (Lithium-Eisenphosphat), welcher ohne Kobalt auskommt. Je nach Art unterscheiden sich die Batterien nach Faktoren wie der Energiedichte, dem Ladeverhalten und auch der Lebensdauer. Eine "beste" Technologie gibt es nicht, vielmehr kommt es auf den konkreten Anwendungsfall an. Als Beispiel: LFP-Batterien gelten als sehr sicher, können aber bislang noch nicht so viel Energie speichern, wie es ein NMC-Akku mit den gleichen Maßen und Gewichten schafft. Für Designwerk, die ihre Lkw mit bis zu 900 Kilowattstunden Speicherkapazität ausliefern, sind aktuell also eher NMC-Zellen interessant. Die Forschung an Technologien Vielleicht dominiert in Zukunft ja auch ein ganz anderer Batterietyp den Markt. Holger Althues ist am Fraunhofer Institut für Werkstoff- und Strahltechnik für die Forschung an neuen Akkus verantwortlich und entwickelt zudem energiesparende Verfahren, die Zellen herzustellen. "Es gibt mehrere Punkte, die wir verbessern wollen", so Althues. "Ein Punkt ist: Wie kann man Batterien kostengünstiger und unter weniger Verwendung von seltenen Rohstoffen herstellen?" Dabei gelang den Forschern bereits ein wichtiger Schritt: Es wurde ein völlig neues Verfahren entwickelt, welches bei der Beschichtung der Batterieelektroden erheblich weniger Energie benötigt. Für die Produktion bedeutet das eine große Kostenersparnis. Außerdem experimentiert das Fraunhofer IWS an neuen Zellchemien, die Akkus leistungsfähiger machen können - das bedeutet zum Beispiel, ihre Energiedichte zu erhöhen oder die Schnellladefähigkeit zu verbessern. "Konkret arbeiten wir an Akkus auf Schwefelbasis, welche besonders leicht sind", berichtet Althues. Zudem untersuchen die Wissenschaftler sogenannte metallische Lithium-Anoden, die zum Beispiel in Festkörperbatterien eingesetzt werden. Die Hoffnung hier: eine deutlich höhere Energiedichte. Kommt die Wunderbatterie? Es reicht aber nicht, nur die Kapazität oder die Energiedichte zu verbessern. Holger Althues nennt mehrere Faktoren, die gemeinsam eine Batterie auszeichnen (siehe Kasten S. 65). Das Problem: In der Regel ist es so, dass die Verbesserung eines Punktes zur Verschlechterung anderer Eigenschaften führt. Die Möglichkeiten für eine generelle Verbesserung des Konzeptes sind also ziemlich begrenzt. Ähnlich pflichtet ihm auch Thomas Prohaska bei, der zudem vor vermeintlich bahnbrechenden Batteriekonzepten warnt, die immer häufiger publiziert werden. "Ich sehe bei keinem großen OEM, dass er auf eine dieser Wundertechnologien setzt, und das hat sicher auch seine Gründe", so der Experte. Insgesamt scheint die Lithium-Ionen-Batterie mit flüssigen Elektrolyten nur noch sehr begrenztes Potenzial zu haben - Holger Althues spricht von etwa zehn Prozent Verbesserung der Energiedichte, die vorstellbar seien. Größere Sprünge könnten nur noch mit neuen Ansätzen, wie etwa der Feststoffbatterie, zu bewältigen sein. Bei dieser Technologie schätzt Althues, dass die Energiedichte mittelfristig etwa 50 Prozent über den heute leistungsfähigsten Akkus liegen könnte, und zwar ohne, dass andere Eigenschaften großartig eingeschränkt werden müssten. Wohin mit den Alten? Mehr Elektrofahrzeuge auf dem Markt bedeuten automatisch auch, dass es immer mehr Batterien gibt. Die meisten davon bestehen aktuell noch aus seltenen Erden, wie eben Kobalt oder Lithium, bei denen nicht zuletzt die Abbaubedingungen auch immer wieder kritisiert werden. Lithium ist ein Salz, welches vorwiegend in Südamerika vorkommt. Umstritten ist die Gewinnung, bei der zumeist lithiumhaltige Sole in große Becken gepumpt wird, in denen die Flüssigkeit verdampft. Umweltorganisationen kritisieren den hohen Wasserverbrauch der Methode. Kobalt wiederum stammt häufig aus dem Kongo, wo oft Kinder in den Minen arbeiten sollen. Das Kernproblem ist, dass die Endnutzer der Batterien kaum nachvollziehen können, woher ihre Rohstoffe stammen und unter welchen Bedingungen sie abgebaut wurden. Helfen soll der neue EU-weite Batteriepass, welcher alle wichtigen Informationen inklusive CO2-Fußabdruck beinhaltet. Auch wenn der Anteil der seltenen Erden in Batterien immer geringer wird, sind eine maximale Nutzung und möglichst wenig Verschwendung der Stoffe also angebracht. Parallel zur Forschung an den Akkus selbst gibt es mittlerweile auch Unternehmen, die sich mit der Zukunft der Altbatterien beschäftigen. Dazu gehört auch das Startup Circunomics aus Mainz, welches von Patrick Peter gegründet wurde. Das Unternehmen will Stromspeicher, die momentan in Mobilitätsanwendungen eingesetzt werden, nach ihrer Lebensdauer in ein zweites Leben überführen. "Wir nutzen dafür die Daten, die der OEM über jede Batterie in seiner Cloud speichert", erklärt Peter. Ein Algorithmus von Circunomics errechnet daraus die Lebensdauer und sucht parallel auf dem Marktplatz nach einem Zweitnutzer. Ist der Akku nicht mehr für Autos oder Lkw einsetzbar - was bei etwa 20 Prozent Kapazitätsverlust der Fall ist -, kann er anschließend in Stromspeichern eingesetzt oder recycelt werden. Aktuell liegt die Nachfrage der Zweitnutzer laut Peter bei 1,5 Gigawattstunden pro Quartal, also grob gesagt 17.000 Batterien. Dafür gibt es dem Unternehmer zufolge aktuell noch kein adäquates Angebot, da sich der Markt erst im Aufbau befindet. In ein paar Jahren dürften die ersten Elektroauto-Batterien bereit für das zweite Leben sein. Mögliche Anwendungsfälle sind dann laut Peter große Ladesäulen, Puffersysteme, Notstromanlagen oder auch Speicher für die Heimanwendung. Eine interessante Frage ist allerdings auch: Sind die Batterien in sechs, sieben Jahren noch modern genug für den Markt oder wünscht der Kunde etwas Besseres? Nicht dass sich auf den Müllbergen der Welt auch noch vermeintlich alte Batterien stapeln. Dann müsste sich unsere Gesellschaft vorwerfen lassen, den Sinn von Elektromobilität im Zusammenhang mit Umweltschutz nicht verstanden zu haben. Mehr zum Thema finden Sie unter #Batterien www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Lithium-Ionen-Technologie ist und bleibt das Nonplusultra, wenn es um den Antrieb von E-Fahrzeugen geht. Auch wenn die Forschung große Schritte geht, muss man dennoch zwei Dinge bedenken: Das Potenzial zur Verbesserung ist begrenzt und an Wunder sollte man besser nicht glauben. Eigenschaften einer Batterie Viele Menschen definieren einen Akku lediglich über seine Speicherkapazität, getreu dem Motto: je mehr, desto besser. Wissenschaftler und Techniker kennen noch weitere Faktoren, die eine Batterie ausmachen. Die wichtigsten sind:Energie pro Gewicht (auuch spezifische Energie genantn) Energie pro Volumen (auch volumetrische Energiedichte genannt) Leistungsdichte (wie schnell kann Energie aufgenommen und im Anschluss wieder abgegeben werden?) Sicherheit Lebensdauer Kosten Diese Punkte zeigen vor allem die begrenzten Möglichkeiten der Forschung. Es ist Wissenschaftlern zufolge ohne Weiteres sofort möglich, die Energiedichte um etliche Prozentpunkte anzuheben. Die Folge wäre allerdings, dass mindestens einer der anderen Punkte darunter zu leiden hätte. Es ist also die Aufgabe der Forschung, eine Verbesserung herbeizuführen, bei der die anderen Punkte so wenig wie möglich zu leiden haben. Viele neumodischen Batteriekonzepte werben laut Experten vor allem mit ihrer Energiedichte. Oft gebe es aber mindestens einen Faktor, welcher einen Einsatz im Transportgewerbe unmöglich mache. ff Wie viel steckt drin? Die sogenannten seltenen Erden machen schon heute einen verhältnismäßig kleinen Anteil in Akkus aus. Renault Trucks beispielsweise gibt offizielle Zahlen zu seinen NMC-Akkus heraus,die in den Nahverkehrs-Lkw D Z.E und D Wide Z.E. verbaut sind: Gemessen am Gesamtgewicht der Batterien macht der Anteil von Lithium (welches übrigens mit -t- und nicht -z- ausgesprochen wird), Kobalt und Mangan jeweils zwei Prozent aus. Etwas größer fällt der Anteil von Nickel mit sechs Prozent aus. Das restliche Gewicht entfällt auf die anderen Bauteile, wie Rahmen und Kabel. ff

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