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Zoll schwärmt aus zur Mission Mindestlohn

11.09.2018 16:58 Uhr
Zoll, Kontrolle, Lkw
Kommende Woche soll die Bilanz der bundesweiten Mindestlohn-Großkontrolle vorliegen
© Foto: Henning Kaiser/dpa/picture-alliance

Bundesweit sind am Dienstag 6000 Mitarbeiter einer Sondereinheit des Zolls ausgeschwärmt, um Verstöße gegen den Mindestlohn und illegale Beschäftigung aufzudecken. Die Aktion fokussiert sich auch auf Transport- und Logistikunternehmen.

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Berlin. Er hat seine neun Beschäftigten ausgebeutet und nicht das bezahlt, was ihnen für die Plackerei auf dem Bau zustand. Dem Bauunternehmer aus Osteuropa war der gesetzliche Mindestlohn egal – dann kam ihm der Zoll auf die Schliche. Nach einer Razzia wurde er zu 200.000 Euro Geldbuße verdonnert. Kein Einzelfall: Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland wegen Verstößen gegen den Mindestlohn und wegen Schwarzarbeit rund 96 Millionen Euro an Geldbußen verhängt.

Doch die aufgedeckten Betrugsfälle dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. Erstmals kam es am Dienstag daher zu bundesweiten Mindestlohn-Kontrollen. Bei Supermärkten, Speditionen, Hotels, Fleischereien und auf Baustellen fuhren Streifenwagen des Zolls vor, Arbeitsverträge und Personalien wurden geprüft, Mitarbeiter nach ihrem Einkommen gefragt und dies mit den Gehaltsunterlagen der Firmen abgeglichen. Bei Verstößen werden sofort Geldbuß- oder Strafverfahren eingeleitet – kommende Woche soll eine detaillierte Bilanz vorliegen.

Aktion soll Aufmerksamkeit wecken

Dass das Ausschwärmen von 6000 Zollfahndern vorab angekündigt wurde, hatte einen simplen Grund: Man will zwar aufscheuchen und schwarze Schafe entdecken. Vor allem aber will man der Öffentlichkeit zeigen: hier gibt es ein Problem – deswegen wird vom Bund viel Geld in die Hand genommen, um es durch mehr Personal in den Griff zu bekommen. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat eine große Schwachstelle beim SPD-Prestigeprojekt des 2015 eingeführten Mindestlohns von derzeit 8,84 Euro entdeckt: die niedrige Kontrolldichte. Zuständig ist eine Zoll-Einheit namens Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS).

2017 gab es bundesweit in Sachen Schwarzarbeit und Mindestlohnbetrug 52.209 Arbeitgeberprüfungen. Die Gesamtschadenssumme wird vom für den Zoll zuständigen Finanzministerium für 2017 mit 1,024 Milliarden Euro beziffert (2016: 876 Millionen). Wegen Nichtgewährung von Mindestlöhnen wurden im Vorjahr insgesamt 4759 Ordnungswidrigkeiten eingeleitet, davon 2521 wegen Verstößen gegen den gesetzlichen Mindestlohn.

Auf eine Anfrage der Linken-Fraktion muss die Bundesregierung einräumen, dass die Zahl der durch die FKS geprüften Betriebe bisher sehr niedrig ist. 2017 wurden nur 2,4 Prozent der Betriebe kontrolliert. „Die Bundesregierung lässt die betroffenen Beschäftigten im Regen stehen, wenn sie nicht endlich reagiert“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Susanne Ferschl.

Wie viele schwarze Schafe es gibt, zeigt schon die Tatsache, dass trotz der niedrigen Kontrolldichte die Zahl der von der FKS eingeleiteten Verfahren wegen Nichtgewährung des gesetzlichen Mindestlohns seit 2015 um fast 2000 Verfahren im Jahr gestiegen ist.

Gewerkschaft fordert Lohnsünder-Register

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) fordert nach dem Vorbild Großbritanniens ein öffentliches Register, in dem alle Betriebe aufgelistet werden, die gegen den Mindestlohn verstoßen. „Wir brauchen einen Lohnsünden-Pranger. Es hilft nur, die schwarzen Schafe klar zu benennen“, betront IG BAU-Chef Robert Feiger.

Die FKS ist in 41 Hauptzollämtern an 113 Standorten bundesweit tätig und hat derzeit 6800 Mitarbeiter. Bis 2021 ist ein Zuwachs um mindestens 1400 Stellen geplant, darüber hinaus sollen ab 2022 mindestens weitere 1500 Stellen garantiert werden. Doch reicht ein Plus von rund 3000 Stellen?

„Das ist alles gut und schön“, sagt Dieter Dewes, Vorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ). Doch schon vom vorigen Bundestag seien mehr Stellen versprochen worden, wegen der Mindestlohneinführung. Passiert sei wenig. Von rund 8300 Planstellen seien bei der FKS bisher eben nur besagte 6800 besetzt. Zudem plane Scholz, dass es zusätzliche Kontrollaufgaben soll.

Er habe mit Experten gesprochen, was man dafür an zusätzlichen FKS-Leuten brauche. „Die sagen mir: 5000 sind die unterste Grenze.“ Er stelle sich die Frage: Wo sollen die ganzen Leute herkommen? Es gebe jetzt schon einen Mangel an qualifiziertem Personal. Dewes denkt auch an die Folgen durch den Brexit, wenn Ware aus England anderen Zollsätzen unterliegt und der Zoll das kontrollieren muss. „Man muss den Zoll stärken, nicht nur die Bundespolizei“, fordert er. (dpa/ag)

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