Hobby-Sheriffs im Straßenverkehr: Was Logistiker über Falschparker-Apps wissen müssen

Hobby-Sheriffs des Straßenverkehrs können für Logistikunternehmen, insbesondere für Paketzusteller, ein echtes Problem werden. Diese selbst ernannten "Gesetzeshüter" sind immer auf der Suche nach Parkverstößen und leiten diese dann per App an die Behörden weiter. Missbrauch ist nicht ausgeschlossen. Nicht alle Aktionen mit den Falschparker-Apps sind gesetzeskonform. Deshalb sollte ein Logistiker bei Auffälligkeiten oder Häufungen prüfen, ob und wie er sich gegen unzulässige Aktionen wehren kann. Denn es gibt Möglichkeiten. Manche Hobby-Ordnungshüter haben es sich zur Aufgabe gemacht, Falschparker regelrecht aufzuspüren und zu verfolgen sowie per App die notwendigen Daten und Fotos an die Polizei weiterzuleiten. Sie fordern mit den Meldungen via App die Polizei oder die zuständige Ordnungsbehörde auf, Anzeige zu erstatten und Bußgelder zu verhängen. Diese Meldungen per Falschparker-App arten teilweise aus. Ein Anwender brüstet sich in den Medien mit einer "Spitzenleistung" von fast 100 Meldungen an einem Tag. Behörde entscheidet Die Ordnungsbehörden sind teils genervt, andere wieder fordern Mitbürger sogar auf, die Parkverstöße per App oder über Online-Formulare auf der Webseite der Kommune zu melden. In jedem Bundesland gibt es zudem spezielle E-Mailadressen der Behörden. Jede Behörde entscheidet aber eigenständig, ob sie die Meldung verfolgt oder nicht (Paragraf 47 Absatz 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, OWiG). Somit sieht ein Ordnungsamt eine Mitteilung von einer Privatperson zunächst eher als Anregung, einen dieser gemeldeten Sachverhalte zu überprüfen. Werden genügend wichtige Fakten für eine Ordnungswidrigkeit mitgeteilt, übernimmt das Amt die Angelegenheit. Das scheitert allerdings manches Mal am Personalmangel. Mindestkriterien prüfen Erhält der Logistiker von der zuständigen Behörde eine entsprechende Anzeige, sollte er zunächst prüfen, ob sie die Mindestkriterien erfüllt. Es dürfen bei der App-Nutzung keine anderen Personen oder Fahrzeuge auf den Fotos zu sehen sein. Die Meldung bei der Behörde muss mindestens diese Angaben enthalten: Name und Anschrift des Meldenden, genauer Verstoß, Adresse des Tatortes, Tatzeit und weitere Angaben zur Tat. In der Regel überprüfen die Ordnungsämter, ob alles vollständig ist. Denn ohne diese Mindestangaben kann die Anzeige grundsätzlich von der Behörde auch nicht weiterverfolgt werden. Außer diese sind genügend konkret. Die Hobby-Ordnungshüter müssen bei dem App-Anbieter ihren richtigen Namen und die dazugehörigen Kontaktdaten angeben. Mitunter werden Anzeigen mit gefälschten IP-Adressen oder Pseudonymen an die App-Anbieter übermittelt. Dies wird allerdings erst bemerkt, wenn im Rahmen einer Akteneinsicht durch einen Anwalt oder in einem Prozess dann der mutmaßliche Anzeigenerstatter nicht erreichbar ist. Anonyme Anzeigen aufdecken Die Stadt Düsseldorf weist richtigerweise auf ihrer Homepage unter dem Pfad Ordnungsamt, Verkehrsüberwachung, Drittanzeige darauf hin: "Das setzt allerdings voraus, dass Sie bereit sind, Ihre Feststellungen gegebenfalls auch vor Gericht als Zeuge zu bestätigen. Sobald ein Bußgeldbescheid erlassen wird, wird die betroffene Person über Ihren Namen informiert." Anonyme, unvollständige oder nicht eindeutige Anzeigen verfolge man grundsätzlich nicht weiter. Fehlen Angaben oder nennt der Anzeigenerstatter erkennbar nicht seinen richtigen Namen, erfolgt damit gewöhnlich auch keine Weiterverfolgung durch die Behörden. Tatbestand prüfen Weiterer wichtiger Prüfpunkt für Logistiker: Wie lange liegt der angezeigte Verstoß zurück? Sind es mehr als drei Monate, ist er verjährt - und kann damit in den Papierkorb. Falls das nicht der Fall ist, sollten sie die Einspruchsfrist beachten: Diese beträgt in der Regel 14 Tage nach Zustellung des Bußgeldbescheids. Es heißt also handeln. Dann ist zu prüfen, ob wirklich ein Verstoß vorlag. Beispielsweise: Ist das Foto wirklich echt oder bearbeitet? Sind keine anderen Personen auf dem Foto zu sehen? War das im Foto angezeigte Halteverbot zeitlich überschritten? Wurde das Foto so geschickt aufgenommen, dass ein Verstoß suggeriert wird, aber in Wirklichkeit gar nicht vorlag? Schweigen ist Gold Außerdem lässt sich auch über einen weiteren Weg herausfinden, ob eine Privat- oder Amtsperson hinter der Anzeige steht und wie die Anzeige überhaupt zustande gekommen ist: Durch Akteneinsicht über einen Anwalt. Er kann diese beantragen (Paragraf 49 OWiG in Verbindung mit Paragraf 147 Strafprozessordnung, StPO). Die Kosten liegen bei 150 bis 200 Euro. Der Anwalt erfährt so unter anderem frühzeitig, ob ein Polizist oder ein Hobby-Sheriff die Anzeige veranlasst hat. Insbesondere kann er Ungereimtheiten feststellen, wenn beispielsweise das Anschreiben über den Erlass einer Ordnungswidrigkeit an den mutmaßlichen Anzeigensteller als "unzustellbar" postalisch zurückkommt. Wichtig zu beachten: Weder Fahrer noch Halter sollten sich vor Akteneinsicht zu der Angelegenheit äußern. Es gibt ein Aussageverweigerungsrecht. Falschmeldungen anzeigen Hobby-Sheriffs können zudem bei Falschmeldungen belangt werden. Strafbarkeit besteht, wenn bewusst falsche Informationen geliefert werden - also bei Vorsatz. Eine Anzeige gegen Vielmelder ist also sinnvoll, wenn systematische Falschmeldungen bewiesen werden können. Dann drohen dem Falschmelder strafrechtliche, ordnungswidrigkeitenrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen: - Strafrechtliche Konsequenzen: Bei nachweislich wiederholten Falschmeldungen (bewusste Falschmeldung oder erfundene Sachverhalte) kann sich der Melder strafbar machen. In Betracht kommen Paragraf 187 Strafgesetzbuch (StGB) (Verleumdung) oder Paragraf 238 StGB (Nachstellung). - Ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen: Wer eine unzulässige Anzeige erstattet, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Wiederholte unbegründete Meldungen können als Belästigung oder Störung im Zusammenhang mit behördlichen Verfahren angesehen werden (Paragraf 118 OWiG). - Zivilrechtliche Konsequenzen: Entsteht dem Betroffenen durch die Falschmeldung ein finanzieller Schaden (zum Beispiel Anwaltskosten, entgangene Aufträge, Rufschädigung), kann der Melder zum Schadenersatz verpflichtet werden (Paragraf 823 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). Aber: Die Beweislast liegt beim Geschädigten und ist mitunter schwierig durchzusetzen. Unterlassung geben lassen Wenn es tatsächlich gelingt, dem Anzeigenden gerichtlich Vorsatz nachzuweisen, wie kann sich ein Logistiker gegen den Aufwand künftiger, unzulässiger Anzeigen schützen? Er lässt sich vom Falschmelder nach dem Verfahren eine Unterlassungserklärung unterzeichnen. Sollte der Hobby-Ordnungshüter mit solchen Meldungen weiterhin Behörden und Unternehmen belästigen, ist eine empfindliche Vertragsstrafe fällig - gern an eine wohltätige Organisation, die das Unternehmen aussucht. Dabei zu beachten ist allerdings: Der bloße Irrtum oder eine zu eilfertige Meldung an die Behörden ist noch nicht strafbar. Greift der Datenschutz? Aber ist es eigentlich erlaubt, einfach Fotos von Fahrzeugen und Kennzeichen zu machen und an die Polizei weiterzuleiten? Verstößt das nicht gegen den Datenschutz? Nein, urteilte das Verwaltungsgericht Ansbach am 2. November 2022 (AN 14 K 22.00468 und AN 14 K 21.01431). Fotos an die Behörden zu verschicken sei eine rechtmäßige Datenverarbeitung, befand das Gericht. Es gibt hierzu andere rechtliche Einschätzungen. Daher bleibt abzuwarten, ob oberste Gerichte der Bundesländer diese Beurteilung übernehmen. Verbot für Social-Media Was jedoch verboten ist: Die Aufnahmen mit Autokennzeichen in den sozialen Medien zu verbreiten. Das betont die Münchner Polizei und sieht sich auch in dieser Auffassung in den Ansbacher Urteilen bestätigt. Online Was tun bei einer Anzeige? Wie verhalten sich Logistiker im Fall einer Anzeige richtig und welche Schritte sollten sie unternehmen? Eine Checkliste zu diesen Fragen finden Abonnenten der Verkehrsrundschau kostenfrei auch auf unserer Profiplattform VRplus zum Download. www.verkehrsrundschau.de/plus/falschparker